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14.04.07 / Düstere Verkommenheit / Idyllische Kleinstadt offenbart sich als mörderisches Nest

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-07 vom 14. April 2007

Düstere Verkommenheit
Idyllische Kleinstadt offenbart sich als mörderisches Nest

Zur Pflege des kranken John Cosway kommt die junge schwedische Krankenschwester Kerstin Kvist nach Lydstep Old Hall.

Die düstere Verkommenheit des Hauses, das seltsame Verhalten des fast 40jährigen Johns und die herrische Art, mit der Mrs. Cosway über ihre vier unverheirateten Töchter herrscht, stürzen Kerstin schon an ihrem ersten Arbeitstag in tiefste Verwirrung.

Die ungepflegte, putzsüchtige Ida, die heiratsversessene Lehrerin Ella, die frömmelnde, leidenschaftliche Köchin Winifred und nicht zuletzt die divenhafte verwitwete Zorah geben der neugierigen Kerstin immer wieder neue Rätsel auf.

Auch die starken Psychopharmaka, die Mrs. Cosway dem ohnehin schon apathischen John jeden Morgen verabreicht, erwecken in Verbindung mit anderen Geschehnissen auf Lydstep Old Hall schon bald das Mißtrauen der jungen Schwedin.

Als Mrs. Cosway aufgrund eines Treppensturzes ins Krankenhause muß und Ida ihrem Bruder seine tägliche Tablette verabreichen will, verweigert John erstmalig deren Einnahme - die Situation eskaliert:

"Mir fiel plötzlich ein, daß ich irgendwo gelesen hatte, Largactil dürfe nicht über einen längeren Zeitraum eingenommen werden, weil als Nebenwirkung Tremor in den Händen und Probleme mit der Motorik die Folge sein könnten ... Als Ida wieder von der Tablette anfing, legte er den Löffel hin und sagte sehr viel lauter als gewöhnlich: ,Ich nehme sie nicht, also laß mich in Ruhe.' Es war der längste Satz, den ich bis dahin von ihm gehört hatte ... Ida zuckte ärgerlich die Schultern und ließ sich dazu hinreißen, John mit einer heftigen Bewegung die Tablette auf dem Löffel unter die Nase zu halten. Er winkelte den rechten Arm an, holte blitzschnell aus und schlug ihr mit voller Wucht ins Gesicht."

Die plötzliche Besserung von Johns Gesundheitszustand, bedingt durch die Nichteinnahme der Tablette; die Tatsache, daß Zorah Cosway mehr Ähnlichkeit mit dem Hausarzt Dr. Selwyn Lombard aufweist als mit ihrem verstorbenen Vater; die mehr als merkwürdige Beziehung Winifreds zu ihrem Verlobten, dem sterbenslangweiligen Pfarrer Eric und viele andere mysteriöse Umstände sorgen dafür, daß Kerstins Aufenthalt auf Lydstep Old Hall alles andere als langweilig wird. Welches düstere, wohl gehütete Geheimnis mag wohl hinter alldem stecken ...?!

"Aus der Welt" ist ein von der ersten bis zur letzten Seite spannender Roman. Mit unheilsschwangeren Sätzen wie "... wenn es ihm plötzlich wieder gutgegangen wäre und er Lydstep Old Hall hätte verlassen können, wäre er nicht in das alles hineingezogen worden ..." heizt Barbara Vine immer wieder das Interesse und die Neugier des Lesers an.

Das Beiseitelegen des Romans wird dem Leser in Erwartung großer Ereignisse und der Aufdeckung

finsterer, in der Vergangenheit liegender Geschehnisse wirklich nicht einfach gemacht.

Ein tolles Buch, das die Geduld des Lesers zwar auf eine harte Probe stellt, ihn aber durch ein fulminantes Ende dafür mehr als entschädigt. A. Ney

Barbara Vine: "Aus der Welt", Diogenes, Zürich 2007, 458 Seiten, geb., 22,90 Euro, Best.-Nr. 6129


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