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21.04.07 / Ein Herz für Helfer / Der Staat schafft Anreize für mehr bürgerliches Engagement

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-07 vom 21. April 2007

Ein Herz für Helfer
Der Staat schafft Anreize für mehr bürgerliches Engagement
von Rebecca Bellano

Es geschieht hinter den Kulissen, ohne großes Tamtam und von der Mehrheit der Deutschen fast unbemerkt: Die Bundesregierung verbessert in einem wesentlichen Bereich die gesetzliche Ausgangslage für unsere älter werdende Gesellschaft - und zieht sich gleichzeitig ein Stück aus der Verantwortung. "Der Staat kann nicht jede Hilfe geben. Aber er kann das Helfen begünstigen und damit mehr Hilfen ermöglichen", heißt es im Regierungsentwurf des "Gesetzes zur weiteren Stärkung des bürgerlichen Engagements", das das Ehrenamt stärken und vor allem das Spenden attraktiver machen soll. Das Gesetz soll im Sommer beschlossen werden und rückwirkend am 1. Januar in Kraft treten. Da von keiner Seite ernsthafter Widerstand gegen das von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück initiierte Zehn-Punkte-Programm unter dem Motto "Hilfe für Helfer" zu erwarten ist, müßte unsere Gesellschaft eigentlich schon seit Jahresbeginn enger zusammengerückt sein, denn genau darum geht es.

Da die Gesellschaft altert, also mehr Menschen auf fremde Hilfe angewiesen sein werden, und das soziale Netz von Staatsseite aufgrund von Finanzierungsproblemen ausgedünnt wird, setzt der Bund verstärkt auf die "zivilgesellschaftliche organisierte Mitmenschlichkeit". Da diese aber im Laufe der letzten Jahrzehnte eher abgenommen hat, gibt es jetzt finanzielle Anreize.

Da zahlreiche wohltätige Einrichtungen, kultur- und sportfördernde Vereine und Stiftungen jeglicher Art nicht gewöhnt sind, von Seiten des Staates unterstützt zu werden, loben sie die neue Initiative. "Dies ist ein großer und mutiger Schritt für die Bürgergesellschaft. Herr Steinbrück verdient dafür Applaus und Unterstützung. Herr Steinbrücks Programm, wenn es gesetzlich umgesetzt wird, dürfte den gemeinnützigen Sektor, insbesondere auch die Entwicklung des Stiftungswesens, beflügeln", jubelt Dr. Hans Fleisch, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen.

Die kleinen Rädchen im Getriebe - also jene, die in ihrer Freizeit als Trainer mit Kindern Fußball spielen, als Gesellschafter alten Menschen die Zeit verschönern oder im örtlichen Heimatmuseum Besuchern die Geschichte ihrer Stadt erzählen - werden jedoch angesichts der sie betreffenden Verbesserungen eher mit den Zähnen knirschen. Für sie wird der sogenannte Übungsleiterfreibetrag von 1848 Euro auf 2100 Euro angehoben. Das heißt, sie dürfen pro Jahr 2100 Euro steuerfrei für ihr Engagement erhalten. Zudem wird ein Abzug von der Steuerschuld für bestimmte ehrenamtliche Tätigkeiten - durchschnittlich 20 Stunden im Monat - in Höhe von 300 Euro gewährt.

Auch so mancher Schatzmeister eines Vereins wird eher resigniert mit den Schultern zucken, denn da immer mehr Städte und Gemeinden ihre finanziellen Zuwendungen eingeschränkt haben, müssen die Vereine sich durch eigene wirtschaftliche Betätigung Geld hinzuverdienen. Hier hatten sie sich eine Erleichterung gewünscht, da sie bisher ab Einnahmen in Höhe von 30678 Euro gleich für den Staat mitverdient hatten, weil ab der Summe Steuern anfielen. Wenn der Staat schon nicht bei der Finanzierung hilft, dann kann er doch wenigstens auf die Steuern verzichten, so der Wunsch der Vereine. Derzeit wird noch im Ausschuß diskutiert, ob eine wirtschaftliche Betätigung bis zu einer Einnahmenhöhe von 35000 oder 50000 Euro steuerfrei bleiben darf.

Für den Steuerzahler interessanter wird es, wenn es ums Spenden geht. Lagen die Höchstgrenzen für den Spendenabzug zuvor bei fünf Prozent des Jahreseinkommens für religiöse und gemeinnützige und bei zehn Prozent für mildtätige und kulturelle Zwecke, so wird der Satz nun auf 20 Prozent angehoben. Wer also sein Geld für etwas Gutes gibt, reduziert seine Steuerschuld. Hier verzichtet der Staat auf Einnahmen zugunsten gesellschaftlich aktiver Einrichtungen.

Wirklich spannend wird es mal wieder erst, wenn es ans große Geld geht: Hier an das für Stiftungen. Lag der steuerliche Abzugshöchstbetrag für Zuwendungen in den Vermögensstock von neugegründeten Stiftungen bisher bei 307000 Euro soll er jetzt auf 750000 Euro - laut Vorschlag des Bundesrates sogar auf eine Million Euro - erhöht werden. Auch wenn es so aussieht, daß der Staat hier auf eine Menge Steuereinnahmen verzichtet, zahlt sich für ihn ein Mehr an Stiftungen zweifellos aus. Je mehr sich die öffentliche Hand aufgrund von finanziellen Engpässen aus kulturellen und sozialen Bereichen zurückzieht - Schließung von Büchereien, Museen, Sporthallen -, desto mehr ist sie darauf angewiesen, daß andere diese von ihr zurückgelassene Lücke ausfüllen. Stiftungen bieten hier eine zuverlässige Lösung.

Mit einer Stiftung kann ihr Gründer auf Dauer mit seinem Geld der Nachwelt eine ein kleines Stückchen bessere Welt hinterlassen. Und da in den nächsten Jahrzehnten mit dem Ableben vieler durchaus vermögender, aber kinderloser Personen zu rechnen ist, hofft der Staat darauf, daß diese Menschen zumindest Teile ihres Geldes in Stiftungen stecken.

"Geld macht nicht glücklich. Sagt man. Aber es macht das Leben ein bißchen leichter", so Reinhard Duda (54). Um möglichst vielen Jungen und Mädchen das Leben ein wenig zu erleichtern - und sie ein bißchen glücklicher zu machen -, haben er und seine Frau die Ute-und-Reinhard-Duda-Kinderhilfe gegründet. Ziel ist es, hilfsbedürftige Kinder in besonders armen Ländern über die Organisation SOS-Kinderdörfer zu unterstützen - dauerhaft. Doch man muß nicht immer gleich die Welt retten wollen. Mann kann auch vor der eigenen Haustür anfangen. So Edith Fröhnert. 1996 gründete sie, da sie keine direkten Erben hatte und ihr Ehemann bereits 1979 verstorben war, die Edith-Fröhnert-Stiftung. 1946 war Edith Fröhnert mit ihrem Ehemann aus dem Osten als Flüchtlinge nach Lübeck gekommen. Daher ist in der Stiftungssatzung festgeschrieben, daß die Förderungen der Stiftung sich nur auf Lübeck beziehen sollen, als Dank dafür, daß die Hansestadt Lübeck die Flüchtlinge damals aufgenommen hat.

"Das Leben hat es gut mit uns gemeint. Jetzt wollen wir anderen etwas davon zurückgeben", findet Reinhard Duda - und ist damit offenbar nicht alleine, denn es gibt rund 14000 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts in Deutschland, die vielen unselbständigen Stiftungen, Stiftungsvereine und -gesellschaften sowie Stiftungen öffentlichen Rechts nicht mit eingerechnet.

 

Was ist eine Stiftung?

Eine Gründung einer Stiftung eröffnet die Möglichkeit, mit einem Vermögen dauerhaft Gutes zu tun. Dieses Stiftungs-Vermögen bleibt hierbei konstant und nur die Zins-Erträge werden dazu verwandt, die für die Stiftung festgelegten Ziele zu verfolgen. Diese Ziele können sich im kulturellen oder sozialen Engagement äußern. So kann zum Beispiel eine Stiftung, die sich vorgenommen hat, krebskranke Kinder zu unterstützen, bei einem Grundvermögen von einer Million Euro bei einer jährlichen durchschnittlichen Verzinsung von 3,5 Prozent pro Jahr 35000 Euro in ihrem Sinne verteilen.

Stiftungen sind keinesfalls eine Erfindung der Gegenwart. Es ist vielmehr so, daß in den letzten Jahren eine über 1000 Jahre alte Einrichtung wiederentdeckt wird. Viele alte Klöster und Kirchen sind bis heute sichtbare Zeugen davon, daß Herrscher schon im 10. Jahrhundert durch die Bereitstellung eines Teiles ihres Vermögens versuchten, sich ihr Seelenheil zu erkaufen. Im 13. Jahrhundert wurden die ersten sozialen Stiftungen gegründet. In Bürgerspitalen zum Heiligen Geist wurden pflegebedürftige und kranke Menschen versorgt. Stifter waren hier meist reiche Adelshäuser. Die bekannteste, aber keineswegs erste Sozialstiftung ist die Fuggerei in Augsburg. 1516 schuf Jakob Fugger der Reiche eine bis heute bewohnte Siedlung mit für damalige Zeiten hochmodernen Sozialwohnungen für nur einen Rheinischen Gulden (heute 0,88 Euro) Jahresmiete. Fester Bestandteil der Hausordnung ist noch heute das tägliche "Vater unser" und das "Große Glaubensbekenntnis" für die Stifter.

Im 20. Jahrhundert ebbte mit dem Ausbau des Sozialwesens auch die Neugründung von Stiftungen ab.


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