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21.04.07 / Sehnsucht nach dem Land? / "Generation Golf"-Autor über das Liebenswerte an der deutschen Provinz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-07 vom 21. April 2007

Sehnsucht nach dem Land?
"Generation Golf"-Autor über das Liebenswerte an der deutschen Provinz

Man muß gewisse Voraussetzungen erfüllen, um sich in Florian Illies Büchern wiederzufinden oder gar aufgehoben zu fühlen.

Wer zwischen Mitte 20 und Ende 30 ist, aus einer kleinen Stadt irgendwo in der Provinz kommt, sich an kindheitliche Sonnabendabende frisch gebadet im Morgenmantel vor dem Fernseher ("Wetten, daß ...?" oder "Einer wird gewinnen") erinnert und trotz des Zeitalters von Mobilfunk, Flatrates und Kaffeepadmaschinen noch weiß, was ein Ortsgespräch ist - der erfüllt diese Voraussetzungen. "Ortsgespräch"? Ja, Moment, da war doch was. Richtig, es handelt sich nicht nur um den bereits verschwundenen 23-Pfennig-Nahbereich, sondern genauso heißt auch Florian Illies neuestes Werk.

Wer Illies‚ bisherige Werke ("Generation Golf", "Anleitung zum Unschuldigsein") mochte, wird auch dieses Buch mögen.

Illies überzeugt auch in "Ortsgespräch" wieder mit einer charmant-witzigen Art des Schreibens und beweist erneut, daß er die Gabe hat, dem geneigten Leser "aus der Seele zu sprechen".

Konkret geht es in diesem Buch um die Schrullen der deutschen Provinz. Orte, in denen die Eisdiele "Venezia" heißt, die Pizzeria das Schaufenster zur großen weiten Welt ist und "Tante Emma Läden" immer noch existieren, gibt es zuhauf in diesem Land. Wie zum Beispiel Schlitz in Hessen. Der Ort, in dem Florian Illies eine offenbar idyllische Kindheit und Jugend verbracht hat (und aus dem seiner Aussage nach auch die Sekretärin von Showmaster Thomas Gottschalk sowie die Leinenservietten aus der First Class der Lufthansa stammen).

"Ich lag auf der Wiese hinterm Haus, am Waldrand bei den Beerenbüschen, und die Sonne stand schon recht tief, nur ganz oben, auf den Blättern der Krone der riesigen Kastanie, schimmerte noch warmes Sonnenlicht, die Rinde der alten Kiefer leuchtete rot ..."

Solche Kindheitserinnerungen hat niemand, dem an einer Schule im Ruhrgebiet oder in Berlin schon einmal ein Handy oder ein mp3-Player "abgezockt" wurde. Aber in Provinz-Städtchen wie Schlitz bleiben solch schlimmen Erlebnisse nun einmal aus.

Offen ist, ob Illies damit Recht behält, daß viele Ältere derzeit akut von einem Landsucht-Virus befallen sind, der schon allein daran zu erkennen sei, daß die von ihm Infizierten sich umgehend einen "Manufactum"-Katalog bestellen. Der Autor begründet seine These damit, daß es bei dieser Firma noch die gute, alte Wertarbeit vom Lande zu bestellen gäbe, nach der sich der moderne Großstädter in seiner grünen Kleinstoase inmitten des Dickichts der Millionenstädte sehne. Denn Sehnsucht nach der Provinz haben wohl nicht alle Bewohner von Metropolen wie Berlin (wo Illies seit einigen Jahren selbst lebt), Hamburg oder München. Wer nicht aus einer dieser idyllischen Orte weitab von Flughäfen und Autobahnkreuzen stammt, wird sich nur schwer in die Gedanken des Autors hineinversetzen können.

Doch Illies läßt nicht locker. "Kein Wunder, daß es Anfang des 21. Jahrhunderts plötzlich auf allen Straßen von viel zu großen Landrovern nur so wimmelte, die sichtbaren Zeichen für die Sehnsucht nach dem Land oder, besser gesagt: für die Sehnsucht nach der Sehnsucht nach dem Land", schreibt er.

Jedoch: Die Sehnsucht nach dem Land an einer (subjektiv betrachtet) großen Anzahl von britischen Geländewagen auf den mehrspurigen Citystraßen festzumachen scheint etwas oberflächlich.

Vielleicht gilt dies für Illies selbst und Menschen aus seinem privaten und beruflichen Umfeld. Aber es läßt sich wohl nur sehr schwer auf die gesamte Bevölkerung übertragen. Denn schließlich sehnt sich auch nicht jeder Großstädter, der eine Barbour-Jacke trägt, nach Feld und Wald.

Die Tatsache, daß dieses Buch in einem sehr kleinen Format gedruckt ist, der Umfang 205 Seiten nicht übersteigt und der Zeilenabstand sehr großzügig gewählt ist, lassen den Leser nicht mehr Zeit als einen verregneten Sonntagnachmittag mit der Lektüre verbringen. Doch ein solcher läßt sich mit "Ortsgespräch" recht kurzweilig verleben, da es insgesamt interessant geschrieben ist und mehrere Stellen zum Schmunzeln oder gar zum laut Lachen bietet. Ansgar Lange

Florian Illies: "Ortsgespräch", Karl Blessing Verlag, München 2006, 205 Seiten, 16,95 Euro, Best.-Nr. 6136


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