© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-07 vom 21. April 2007

"Mein Gott, du lebst"
Schicksale von Vertriebenen

Schon seit Jahren publiziert sie immer wieder regelmäßig zum Thema Flucht und Vertreibung, so auch 2007. Helga Hirsch hat in "Entwurzelt - Vom Verlust der Heimat zwischen Oder und Bug" wieder verschiedene Vertriebenen-Schicksale gesammelt und dokumentiert nun die Folgen für die Einzelpersonen, aber auch für ganze Städte und Gemeinden, die danach teilweise entvölkert waren.

Die Autorin konzentriert sich in dieser Veröffentlichung vor allem auf jüdische Schicksale, doch auch eine baltendeutsche Familie berichtet von ihren verschiedenen "Ortswechseln".

In "Mein Gott, du lebst" wird das Schicksal des polnischen Juden Kupple Miller erzählt, der nach seiner Befreiung aus

Auschwitz erleben muß, wie die Polen seines Heimatdorfes keineswegs erfreut sind, ihn wiederzusehen. Die beiden Häuser seiner im Konzentrationslager ums Leben gekommenen Familie sind von Polen bewohnt, und so zieht er mit anderen überlebenden Juden zusammen. Als er eines Tages in das Wohnheim zurückkehrt, sieht er jedoch schreckliches: "Nur gut 100 Meter vom Haus der Brüder Kohn entfernt, auf der Ausfahrtstraße nach Wielun, lagen weitere vier Menschen, die in der Nacht ermordet worden waren ..." Kupple flüchtet vor den mordenden Polen nach Deutschland: Er schlug sich bis Lodz durch, "dort drängte er sich in einen überfüllten Zug, in dem Deutsche über die Oder abgeschoben wurden. ,Wo vielleicht 50 hineingepaßt hätten, waren jetzt 500.' Doch eingeschüchtert und kleinlaut gaben die Deutschen einen Sitz frei, wenn er auf seine eintätowierte Nummer aus Auschwitz verwies." 1949 wanderte er allerdings von Bayern in die USA aus.

Die von Helga Hirsch zusammengetragenen ungewöhnlichen Vertriebenenschicksale sind erschütternd und bekämpfen das Vergessen. R. Bellano

Helga Hirsch: "Entwurzelt - Vom Verlust der Heimat zwischen Oder und Bug", Körber-Stiftung Hamburg 2007, geb., 290 Seiten, 20 Euro, Best.-Nr. 6137