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21.04.07 / "Man wollte es besser machen" / Rußland versucht, wie Litauen ausländische Händler von den Märkten zu verdrängen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-07 vom 21. April 2007

"Man wollte es besser machen"
Rußland versucht, wie Litauen ausländische Händler von den Märkten zu verdrängen
von Jurij Tschernyschew

Diesen Monat ist ein Verbot der russischen Zentralregierung in Kraft getreten, dem zufolge Ausländer auf russischen Märkten nichts mehr verkaufen dürfen. Die entsprechende Verordnung wurde bereits am 15. November letzten Jahres von der Regierung verabschiedet, war aber, etwa mit der im letzten Herbst in Kraft getretenen Beschränkung der Anzahl ausländischer Händler auf 40 Prozent, bislang nur teilweise umgesetzt worden. Die Initiative zur Begrenzung ausländischer Händler ist von Präsident Wladimir Putin höchstpersönlich ausgegangen. Das erklärte Ziel ist es, "die angestammte Bevölkerung des Landes zu schützen".

Die von manchen erhoffte Wirkung bleibt in der russischen Exklave bis jetzt zumindest jedoch aus. Dieses gilt vor allem für den größten Markt Königsbergs, den Zentralmarkt. Iwan Subko, Direktor der "Marktvereinigung", hatte allen ausländischen Standbetreibern am 25. März mitgeteilt, daß sie nicht mehr auf dem Markt würden verkaufen dürfen. Er zeichnet als Marktbetreiber für die Einhaltung des Verbots verantwortlich. Wird ein illegaler Händler auf seinem Markt erwischt, droht dem Direktor eine Geldstrafe von bis zu 800000 Rubel (rund 23000 Euro). Besonders genau wird dabei auf die Verkäufer geachtet, die unmittelbar selbst am Stand ihre Ware feilbieten.

Die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen. Wer clever ist, hat sich bereits rechtzeitig die russische Staatsbürgerschaft besorgt. So sind die meisten Händler kaukasischer Abstammung russische Staatsbürger. Sie haben sich im Königsberger Gebiet gut eingelebt. Das seit diesem Jahr von der Regierung forcierte "Programm für die Rückkehr im Ausland lebender Russen" begünstigt diese Entwicklung. Dieses Migrationsprogramm war in erster Linie für Menschen aus Litauen, Lettland und Estland, aber auch aus Weißrußland, Polen und der Bundesrepublik Deutschland gedacht, die im Idealfall Ingenieure, Ärzte oder in anderer Weise hochqualifiziert sind. Schon seit längerem drängen jedoch in hohem Maße Bewohner der ehemaligen Kaukasusrepubliken der Sowjetunion in die Exklave. Zuerst kommen sie vereinzelt, und dann ziehen ganze Dorfgemeinschaften nach. Die Mehrzahl dieser Migranten treibt Handel und geht kaum in die Industrie, in die Landwirtschaft oder in den sozialen Bereich. Dieses hat zu einer Verdrängung der Einheimischen beim Handel geführt.

Nach dem Inkrafttreten des Regierungsbeschlusses haben sich vor allem ukrainische, weißrussische und litauische Verkäufer gesetzestreu verhalten. Wenn es vorher nur wenige von ihnen auf Königsberger Märkten gab, so sind sie nun ganz verschwunden. Dabei waren sie es, die Waren und Lebensmittel aus eigener Produktion anboten. Die Anwesenheit von Händlern der fernen "sonnigen Republiken" wie Aserbaidschan und Armenien hat hingegen überhaupt nicht abgenommen. In der Regel verkaufen sie nämlich nicht selbst, sondern sind "nur" die Besitzer der Verkaufsstände. Wie schon vor dem Verbot betreiben bei ihnen den eigentlichen Verkauf einheimische Russinnen aus Königsberg. Gehandelt wird nicht etwa mit Waren und Lebensmitteln, die in der Region oder in den südlichen Republiken hergestellt werden, sondern mit Einfuhren von Großhändlern aus Polen, Litauen und anderen Ländern Europas. Im Grunde sind die Märkte eine Art "Zwischenhandel".

Für die Dorfbewohner des Königsberger Gebiets, die private Landwirtschaft betreiben, hat sich die Lage durch das Verbot nicht wesentlich gebessert. Sie bauen ihre Verkaufsstände vor Hauseingängen oder an Bushaltestellen auf, weil die Marktplätze schon besetzt sind oder weil die Pacht zu teuer ist. Sie organisieren spontan Minimärkte, indem sie Pappkartons, welche die Supermärkte in die nahegelegenen Müllcontainer entsorgt haben, zu Verkaufsständen umfunktionieren. Zwar werden solche illegalen Stände von der Polizei aufgelöst, doch die Kleinhändler setzen ihre Geschäfte hartnäckig fort, indem sie sich andere Orte suchen. Auf Verpackungskisten verkaufen sie Gemüse, Früchte und Milchprodukte, die sie in privaten Landwirtschaften herstellen.

In der Nachbarrepublik Litauen gibt es übrigens schon seit vielen Jahren ein ähnliches Gesetz - bloß das er dort zu klappen scheint. Wenn man von Königsberg in die nicht weit entfernte jenseits der Staatsgrenze liegende Großstadt Memel fährt, wird man auf den dortigen Märkten keinen einzigen Ausländer sehen, weder an den Verkaufsständen noch auf dem gesamten Markt überhaupt. Für Königsberg trifft halt der Lieblingsausspruch des russischen Premierministers Wiktor Tschernomyrdin zu: "Man wollte es besser machen, und es kam wie immer."

 

Die Folgen des Verbots für Ausländer in Rußland

Anders als im Königsberger Gebiet hat in Rußland der am 1. April in Kraft getretene Regierungsbeschluß, der es Ausländern verbietet, auf russischen Märkten zu handeln, in der Hauptstadt und einigen Regionen im Osten des Landes, vor allem in Chabarowsk und Wladiwostok, zu leergefegten Markthallen geführt, wobei die Verminderung des Angebots zu einer Erhöhung der Preise für den russischen Verbraucher geführt hat. Weil die ausländischen Billighändler ausblieben, sind die Preise allein im Januar um durchschnittlich sieben Prozent gestiegen.

Seit dem 1. April nun bleiben auf Moskauer Märkten ganze Standreihen unbesetzt, in den Regionen fehlen bis zu 80 Prozent der Markthändler. In Nischnij Nowgorod beispielsweise sind von 4000 Verkaufsständen nur noch 700 besetzt. In Moskau, wo auf den Märkten ohnehin nur die Hälfte der Anbieter Ausländer waren, füllen Russen die Lücke nur zur Hälfte.

Die Rechnung der Regierung, daß Russen sich verstärkt um die frei gewordenen Plätze bewerben würden, ist nicht aufgegangen. Vielen Russen ist die Arbeit auf dem Markt zum einen zu schwer und zum anderen finanziell nicht lukrativ genug. So sind die eigentlichen Profiteure - neben den russischen Händlern, die ihre Waren jetzt durch das höhere Preisniveau teurer verkaufen können - die Supermärkte.

Überhaupt drängt sich der Verdacht auf, daß der von der Regierung genannte Grund für die Restriktion vorgeschoben oder zumindest nicht der einzige ist. Vorausgegangen waren der Maßnahme antikaukasische Übergriffe und Tumulte auf Märkten in Städten mit hohem Ausländeranteil. Die Auseinandersetzungen zwischen Russen und - vor allem - Georgiern gipfelten in den Ereignissen im karelischen Kondopoga, bei denen Menschen sogar ums Leben kamen. Parallel zur Wirtschaftsblockade gegen Georgien begann Moskau Druck auf kaukasische Migranten auszuüben, die seitdem verstärkt der Verfolgung durch die russische Polizei ausgesetzt sind.

Entgegen der aufgehetzten Stimmung sind die ausländischen Mitbewerber der Russen auf den Märkten gar nicht mehrheitlich Georgier, Aserbaidschaner oder Armenier, sondern Chinesen, deren Anteil über 61 Prozent der Ausländer auf den Märkten ausmacht. Einige Migranten sind bereits in ihre Heimatländer zurückgekehrt, die Mehrzahl bleibt jedoch, beantragt die russische Staatsbürgerschaft oder hilft sich damit, wie im Königsberger Gebiet, russisches Verkaufspersonal an ihren Ständen zu beschäftigen. Der Schwarzhandel mit russischen Pässen blüht. Sie sind in Moskau für 10000 bis 15000 US-Dollar auf dem Schwarzmarkt erhältlich, im Umland kosten sie nur 5000 Dollar. M. Rosenthal-Kappi

Fotos: Auf einem der 32 Märkte im Königsberger Gebiet: Eigentümer des Verkaufsstandes (rechts) kann sein, wer will, wenn denn nur die Verkäuferin (links) Russin ist; Auf einem Markt der Russischen Föderation: Entgegen antikaukasischen Vorurteilen, sind die hier tätigen Ausländer mehrheitlich Chinesen.


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