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28.04.07 / Europas längste fünf Minuten / Rumäniens Präsident Baseascu weigert sich zurückzutreten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-07 vom 28. April 2007

Europas längste fünf Minuten
Rumäniens Präsident Baseascu weigert sich zurückzutreten
von Ernst Kulcsar

Sonntagabend forderten in Bukarest auf dem "Platz der Verfassung" rund 7000 Personen die Rücknahme der Amtsenthebung des rumänischen Präsidenten Traian Baseascu. Dieser hatte bei einer Volksversammlung am Platz der Bukarester Universität vor zwei Wochen erklärt, falls ihm das Parlament das Vertrauen entziehe, würde er "innerhalb von fünf Minuten" seinen Rücktritt einreichen.

Inzwischen ist der Präsident seines Amtes enthoben und sind rund Hundertausend Minuten ohne einen Rücktritt von ihm verflossen, während Senatspräsident Nicolae Vacaroiu laut Verfassung Interims-Präsident der Republik geworden ist.

Das rumänische Verfassungsgericht hatte den parlamentarischen Untersuchungsbericht zur Amtsenthebung des Präsidenten wegen Amtsanmaßung, massiver Einmischung in die Regierungsarbeit und Überschreiten der Befugnisse des Präsidenten genau geprüft und entschieden, Basescu habe die Verfassung nicht verletzt. Dennoch entschloß sich das Parlament für eine Abstimmung zu dessen Amtsenthebung, die dieser denn auch mit 322 Stimmen für den Antrag bei 108 Gegenstimmen verlor.

Damit war der Weg für ein landesweites Referendum frei, das am 20. Mai über die endgültige Amtsenthebung des Präsidenten entscheiden soll. Laut Umfragen sind aber 65 Prozent der Rumänen für Basescu.

Die köchelnde politische Krise in Rumänien hat damit einen Höhepunkt erreicht, und obwohl eine Leserzuschrift in einer rumänischen Zeitung feststellte, "das bedeutet Bürgerkrieg in Rumänien", ist die Luft wohl fürs erste heraus aus einem Konflikt, der kurz nach dem EU-Beitritt Rumäniens eine erste Zuspitzung erfuhr.

Obwohl die Wirtschaft floriert und gelassen auf das Hickhack der politischen Parteien blickt, die sich angesichts der veränderten politischen Lage neu zu positionieren versuchen, blicken EU-Vertreter immer besorgter auf das Polit-Chaos in Rumänien. Zudem wird das Land im Juni Gegenstand eines endgültigen Beitritts-Berichts sein, da es im Januar nicht alle Aufnahmekriterien in die EU erfüllt hatte.

Obwohl der Konflikt ein reiner Machtkampf zwischen Präsident Basescu und seinem Premier Calin Popescu-Tariceanu ist - wobei wohl auch der Ölmagnat Dinu Patriciu die Karten mischt -, sind alle Parteien angriffslustig und wittern Morgenluft, denn als wahrscheinlichstes Ergebnis des Referendums gelten Neuwahlen.

Die Sozialdemokraten wollen zurück an die Macht, verfügen aber über keinen Präsidentschaftskandidaten. Auch die Nationalliberalen, die nach dem Bruch mit der konservativen Demokratischen Partei gemeinsam mit der Ungarn-Partei eine von den Sozialdemokraten geduldete Minderheitsregierung stellten, sehen ohne Präsidentschaftskandidaten ebenfalls nicht glücklich aus. Beide Parteien liegen zudem in Umfragen deutlich hinter der dem Präsidenten loyalen, konservativen Demokratischen Partei. Sie und die Sozialdemokraten haben bereits die für Mai anberaumten Europawahlen verschoben.

"Basescu ist ein gescheitertes politisches Projekt", tönt zwar der Sozialistenchef Mircea Geoana, aber eine durchaus mögliche Neuwahl des Präsidenten könnte zum gefährlichen politischen Signal gegen den nationalliberalen Premier Popescu-Tariceanu werden.

Doch die Uhren ticken erbarmungslos und jede fünfte Minute bröckelt ein weiteres Stück Glaubwürdigkeit Basescus. Ein Leser fragte: "Sind die denn noch normal?"


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