25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
28.04.07 / Jugendgewalt: Von der Krippe bis zur Bahre

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-07 vom 28. April 2007

"Moment mal!"
Jugendgewalt: Von der Krippe bis zur Bahre
von Klaus Rainer Röhl

Wenn wieder einmal ein jugendlicher Verrückter Amok läuft und er 16 Menschen erschießt wie 2002 in Erfurt oder wie nun in Blacksburg 32 Studenten und Lehrer tötet, sind alle tief betroffen und entsetzt. Das hält eine Weile an, am meisten bei den Mitschülern oder Studenten und Studentinnen, die verstört Kerzen anzünden und Blumen an den Tatort bringen und später an den Gräbern Wache halten. Da aber der Attentäter sich selber gerichtet hat und Untersuchungen ergeben haben, daß er schon lange eine Schraube locker gehabt haben muß, beruhigt sich alles schnell wieder. Schrecklich, diese vielen Toten, aber Verrückte gibt es immer wieder mal. Kein Grund zur Beunruhigung. Dann geht man zur Tagesordnung über. Die Medien ohnehin. Wenn die Reporter auch noch die letzten Nachbarn, Großmütter, Kinder, Augenzeugen drei-, viermal gefilmt haben. Möglichst mit Tränen in den Augen. Das haben sie nun im Kasten, und es wird gesendet, überall in der Welt. Die Reporter und Kameraleute suchen bereits eine neue Sensation, eine Filmdiva mit einer mißglückten Schönheitsoperation, oder einen Schauspieler, der mit 80 noch einmal geheiratet hat - eine 20jährige.

Die nächste Gewalttat an der Schule kommt bestimmt. Regelmäßig treten dann auch Experten auf, die von einem "rätselhaften" Anstieg der Gewalt unter Jugendlichen berichten und den Grund für den Massenmord in den Killerspielen suchen: in Filmen oder Videospielen, in denen die Gewalt verherrlicht wird. Diese "gewaltbeherrschten" oder sogar die Gewalt verherrlichenden Video-Spiele, die die Ministerin von der Leyen am liebsten alle verbieten will. Besonders dieses eine, das der Massenmörder an der Schule von Erfurt so gern gespielt hatte und das das Töten von Mitmenschen besonders anschaulich und plastisch darstellt: "Counterstrike" (Gegenschlag). Auch der Selbstmordattentäter von Blacksburg fühlte sich von der Gesellschaft verfolgt. "Ihr habt mein Herz zerstört und meine Seele vergewaltigt", beklagt er

in einem an das Fernsehen geschickten Brief und erhebt wütende Vorwürfe gegen seine Umwelt, die "Brut, der Luxuswagen, goldene Halsketten, Investmentfonds, Wodka und Cognac nicht genügten und die Orgien feierten".

Die Sache scheint ziemlich einfach gewesen zu sein. Der Sohn südkoreanischer Einwanderer erschoß zunächst die 19jährige Weiße Emily Hilscher, der er lange nachgestellt und die einen anderen Studenten vorgezogen hatte, offenbar war er der Mann mit dem goldenen Halskettchen und den Investmentfonds, mit dem sie sicherlich auch mal eine oder zwei Partys gefeiert hatte (das wären die "Orgien"). Vielleicht haben sie den unauffälligen, unattraktiven Liebhaber Cho wegen seiner Anträge an das Mädchen verspottet, und dabei "seine Seele vergewaltigt", vielleicht sagt man das in Südkorea so.

Gleich nach Emily erschoß er einen anderen, unbeteiligten Studenten, der dem Mädchen zu Hilfe kommen wollte, und ging dann seelenruhig zur Post, um ein Paket an den Fernsehsender NBC aufzugeben. Es enthielt 28 Videoclips, 40 Fotos und ein Schreiben an den Sender, in dem er seine Aktion kommentiert. Danach betrat er das Vorlesungsgebäude der Ingenieurwissenschaftlichen Fakultät, verschloß den Haupteingang mit einer Kette und wanderte dann von Hörsaal zu Hörsaal, um weitere 30 Menschen zu erschießen. Die letzte Kugel gab er sich selbst.

Werthers Leiden mit anschließendem Amoklauf.

Sind die Killer-Spiele schuld an den Morden von Blacksburg und Erfurt? Oder die Gesellschaft? Oder vielleicht doch die Mörder? Wo ist die Grenze? An sich sind ja Video-Spiele, wie schon der Name sagen will, nur Spiele. Sie fordern nicht zum Erschießen von Menschen auf. Sonst müßte man alle Kasperle-Spiele verbieten, in denen fast immer der Zauberer, die Hexe, der Teufel, vor allem aber das Krokodil verprügelt und getötet werden. Mit der Latte auf die Platte. Peng. Jetzt ist der Zauberer mausetot. Aber auch "Struwwelpeter" wird neuerdings wieder aufgelegt und ist in jedem Supermarkt zu erhalten, wo dem Daumenlutscher die Daumen abgeschnitten werden, ab - als ob Papier es wäre. Aber noch niemand hat je versucht, anderen die Daumen abzuschneiden. War doch auch nur ein Spaß, das wissen sogar die Kinder. Der Struwwelpeter, geschrieben 1835, ist übrigens ein frühes Zeugnis für deutschen Antirassismus und politische Korrektheit. Als die bösen Straßenbuben, die es also auch um 1835 schon gab, einen kleinen Andersfarbigen (Mohr) wegen seiner Hautfarbe necken, werden sie in ein riesiges Tintenfaß gesteckt und selber schwarz gefärbt. Denn, so mahnt das Buch: "Was kann denn dieser Mohr dafür, daß er so weiß nicht ist wie ihr!" Wie wahr.

Also, Omas und Opas! Nichts wie hin zu Rewe und Plus und einen "Struwwelpeter" für die Enkel kaufen. Die Killerspiele kaufen Sie bitte nicht. Wissen Sie, was Ihr Kind mit seinem Gameboy und seiner Playstation macht? Wissen Sie, was es in seinem Internet herunterlädt ("downloaden")? Wissen Sie vor allen Dingen, was es mit dem teuren Video-Handy, das Sie ihm zu Weihnachten geschenkt haben, filmt und weitergibt an andere, also an alle?

Auch wir haben vielleicht mal in der Schule mit Kreide geworfen oder den Stuhl bekleckert, auf den der Lehrer sich gesetzt hat. Haben Karikaturen an die Tafel gemalt und den Lehrer verspottet. Aber uns wurden Grenzen gesetzt. Seit 1968 aber ist es an Deutschlands Schulen verpönt, Grenzen zu setzen. Ebenso verpönt, wie es ist, Gedichte zu lernen, Daten zu kennen und zu schweigen, wenn ein anderer redet. Wissen Sie, was das bedeutet, alles zu dürfen und nirgends ist jemand, der sagt: Jetzt ist Schluß?

Wissen Sie, daß es inzwischen an fast allen deutschen Großstädten Schulen gibt, Hauptschulen ebenso wie Gymnasien, in denen es Mode ist, die Lehrer und Mitschülerinnen und Lehrerinnen sexuell zu beleidigen oder zu demütigen, Mitschüler oder Lehrer zu belästigen und anzugreifen, das Ganze unter Gejohle mit dem Video-Handy aufzunehmen und diese Aufnahmen weiter auf andere Geräte, unter Umständen sogar aufs weltweite Internet zu laden?

Sie ahnen nicht, was Ihr Kind oder Enkelkind da schon alles erlebt hat, wieviel Porno- oder Gewaltvideos es zumindest schon mal gesehen hat. Wie es darauf reagiert, hängt einzig davon ab, wie Sie es erzogen haben, wie sie es darauf vorbereitet haben. Dagegen Widerstand zu leisten lernt es nicht in der Krippe, der Kita oder der Ganztagsschule. Das kann es nur von Ihnen, den Eltern und Großeltern und Verwandten, lernen. Die müssen vorhanden sein für das Kind.

Nehmen Sie sich die Zeit, die dafür nötig ist, immer eher als einen Theaterbesuch, Ausgehen mit Freunden oder ein Wellness-Wochenende. Wenn Ihr Kind nach der Schule niedergeschlagen oder verheult nach Hause kommt und Ihnen erklärt, daß es seine neuen Turnschuhe, sein Geld oder sein Handy "verloren" hat, forschen Sie nach, bis Sie die Wahrheit wissen. In der Regel sind diese Gegenstände Ihrem Kind "abgezogen", das heißt geraubt, worden von Mitschülern oder Jugendlichen, die bereits nicht mehr die Schule besuchen.

Für einen solchen aus der Norm gefallenen Heranwachsenden, der bereits auf den gesellschaftlichen Ausstieg zusteuert, ist das brutale Zusammenschlagen seiner Mitschüler, das Demütigen und Niedermachen der anderen und die davon mit dem Handy gefilmten Videos das einzige, was ihm Freude macht, ihn aufregt, ihm den letzten "Kick" verschafft. Nur die wenigsten Jugendlichen sind heute finanziell in der Lage, sich ihren "Kick" in kostspieligen Extremsportarten zu holen. Noch weniger gehen zu Greenepeace, um sich (nach sorgfältigem Training) da ihren Ultrakick zu holen beim verbotenen Erklettern von Riesenschornsteinen oder Schiffskränen, dem Anketten an Eisenbahnschienen oder dem Andocken mit dem Schlauchboot an Walfängerschiffe oder dem illegalen Freilassen eingesperrter Tiere aus Gatter und Käfig. Aber der "Kick", einem Schwächeren oder Wehrlosen Schmerz zuzufügen und ihn unter Umständen für sein Leben seelisch zu verletzen oder körperlich zu entstellen, ist am leichtesten zu erreichen. Ultraleicht, dank der Ultra-Toleranz der Gesellschaft.

Seien Sie nulltolerant. Das Strafgesetz unterstützt Sie. Glauben sie nicht an die immer wieder gebetsmühlenartig in Fernsehsendungen vorgebrachte Legende von der zerrütteten Familie, der sozialen Notlage oder dem psycho-sozialen Elend. Die schlimmsten sadistischen Schläger und Treter kommen genausogut aus gebildeten Elternhäusern, scheinbar intakten Familien und besten Wohnvierteln. Aus deutschen ebenso wie aus türkischen Familien, obwohl die Anzahl der später kriminell werdenden Jugendlichen mit "Migrations-Hintergrund" mehr als doppelt so hoch ist wie die aus deutschen Familien. Schlimm genug für das Gastgeberland.

Lassen Sie sich nicht darauf ein, die soziale oder psychische Befindlichkeit des Schlägers in endlosen Debatten zu diskutieren und damit am Ende zu tolerieren. Schützen Sie zu allererst Ihr eigenes Kind. Machen Sie den Anfang, und sprechen Sie es offen in der Elternversammlung aus. Sie werden sehen, daß die meisten denken wie Sie.

Beweinen wir und betrauern wir nicht nur die Opfer von Blacksburg und Erfurt, zünden wir nicht nur Kerzen an und warten auf die nächste Eruption des Zeitgeistes. Betrauern wir heute schon die heimtückisch gemobbten und gequälten Kinder unseres Landes und bewahren wir sie vor Wiederholungstaten.

Foto: Spielszene aus "Counterstrike": Animieren derartige Computerspiele Jugendliche zur Gewalt?


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren