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28.04.07 / Die SED lebt / Hubertus Knabe über die Fehler beim Umgang mit der DDR

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-07 vom 28. April 2007

Die SED lebt
Hubertus Knabe über die Fehler beim Umgang mit der DDR

Er ist verdammt hartnäckig und besticht durch unwiderlegbare Fakten - trotzdem haben seine Worte keine Folgen und die Bagatellisierung der SED-Verbrechen geht weiter. "Die Täter sind unter uns - Über das Schönreden der SED-Diktatur" heißt die neueste Veröffentlichung von Hubertus Knabe. Der Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen versucht zu verstehen, wie es sein kann, daß in Deutschland NS-Verbrechen und NS-Opfern mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit geschenkt wird als SED-Verbrechen und SED-Opfern.

Erstaunt stellt er fest, daß die DDR-Identität, die viele Bewohner der neuen Länder zu einen scheint, erst nach dem Ende der SED-Herrschaft entstanden ist. Während zu DDR-Zeiten die meisten die Sehnsucht nach dem Westen einte, so gewannen nach 1990 "Bücher oder Filme, die man im Westen nicht kannte, einen Kultstatus, da sie ein Gefühl exklusiver Vertrautheit" vermittelten. Knabe kann nicht nachvollziehen, wie die friedlich ertrotzte Öffnung der Grenzübergänge am 9. November 1989 nicht zum "Bindemittel für die Nation" wurde. In Frankreich sei ein solcher Epochenwechsel noch 200 Jahre nach dem Ereignis ein Identifikationspunkt.

Den Widersinn, mit dem die Deutschen die DDR-Vergangenheit aufarbeiten oder eben auch nicht, belegt der ehemalige Historiker des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen anhand zahlreicher Beispiele. So gäbe es im ganzen Land zahlreiche Straßen und Plätze die namentlich an Karl Marx, Friedrich Engels, Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Ernst Thälmann, Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl und Otto Arndt erinnern, während der "Widerstand gegen das Regime auf Straßen und Plätzen so gut wie keine Rolle" spielt.

Die DDR und ihr Regime würde in vielen Aspekten verharmlost werden, zudem würde das Wissen um diesen deutschen Teilstaat in Vergessenheit geraten, und kaum eine Universität würde ihre Studenten umfassend mit Informationen hierüber versorgen.

Sehr ausführlich geht Knabe auf die Stasi- und SED-Vergangenheit zahlreicher noch heute aktiver Politiker ein. Da er als ehemalige Mitarbeiter der Gauck-Birthler-Behörde sich schon von Berufs wegen acht Jahre mit dem Thema befaßt hat, ist dieser Teil des Buches umfassend informativ.

Jeder Verharmlosung der SED versucht Knabe mit Argumenten entgegenzutreten: "Tatsächlich war die Partei Meister der Tarnung und Täuschung. Gegen ihre illegalen Geldverschiebungen nimmt sich die Spendenaffäre der CDU geradezu harmlos aus."

Auch auf die PDS geht der Historiker ausführlich ein. "Während mehr als die Hälfte der 61500 Mitglieder älter als 65 Jahre ist, suggerierte sie der Öffentlichkeit mit jungen, unbelasteten Kadern ein ganz anderes Bild ... Hinter der bunten Fassade sieht die PDS ganz anders aus, dort hat die Welt der SED fast bruchlos überdauert."

Daß die SED die DDR überlebt hat, klagt Knabe an. "Anders als nach dem Ende des Nationalsozialismus gab es nach dem Sturz der SED-Diktatur keinerlei Konzept, wie man die Verantwortlichen für das politische Unrecht zur Rechenschaft ziehen sollte." Und so seien die Täter überwiegend unbestraft davongekommen - und erhielten auch noch von dem Staat, den sie Jahrzehnte unerbittlich bekämpft haben, deutlich höhere Renten als ihre Opfer. Während die DDR-Justiz gleich nach dem Fall des Regimes gegen die einstigen Machthaber vorgegangen sei, habe die Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung die Bestrafungen gegen die meisten Täter eingestellt oder sei zumindest sehr milde mit ihnen ins Gericht gegangen. Zudem seien auch viele Richter, die einst im Dienst der DDR standen, noch heute in der Justiz tätig, und Stasi-Mitarbeiter wurden bei der Gauck-Behörde eingestellt.

Faszinierend sei auch, wie gering das Interesse bei Bund und Ländern sei, ehemalige Stasi-Mitarbeiter in ihren Reihen zu enttarnen. Die zahlreichen Beispiele über direkten oder indirekten Täter-Schutz bei gleichzeitiger Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der meisten ihrer Opfer, lassen den braven Bürger an dem Willen seines Staates, für Gerechtigkeit einzutreten, zweifeln. Fassungslos nimmt der Leser zur Kenntnis, daß Häftlinge, die in ein und demselben Lager gesessen haben, unterschiedliche Wiedergutmachung und Anerkennung erfahren, je nachdem, ob sie vor oder nach 1945 verhaftet wurden. Kommunistische Opfer sind laut dieser Regel unserer Gesellschaft und unseres Rechtsstaates also weniger bedauernswert als nationalsozialistische.

Hubertus Knabe argumentiert stets klar und deutlich. Warum man ihn trotzdem nicht anhören will, erklärt er größtenteils selber - Erkenntnisse, die den Leser vollkommen desillusioniert zurücklassen. Rebecca Bellano

Hubertus Knabe: "Die Täter sind unter uns - Über das Schönreden der SED-Diktatur", Propyläen, Berlin 2007, geb., 382 Seiten, 22 Euro, Best.-Nr. 6125


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