24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
28.04.07 / Fundierte Arbeit / Die Geschichte der Juden in München

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-07 vom 28. April 2007

Fundierte Arbeit
Die Geschichte der Juden in München

Zwölf Autoren haben an dieser fundierten Geschichte der Juden in München mitgewirkt und damit eine Forschungs-Lücke geschlossen, da es bisher Vergleichbares nicht gegeben hat. Die einzelnen Kapitel sind streng chronologisch geordnet.

1229 tauchen die ersten Zeugnisse auf, nach denen bereits Juden in dem 1157 gegründeten Ort München lebten. Schon 1285 kam es zum Vorwurf des Ritualmords an ihre Adresse, der eine Verfolgung auslöste. Daß die Juden der Stadt im 14. Jahrhundert unter dem Schutz des wittelsbachischen Landesherrn standen und Privilegien genossen, wird ausführlich geschildert.

Das Auf und Ab, eben schon angedeutet, durchzieht die Jahrhunderte und erreicht seinen Höhepunkt im 20. Mit Blick auf die Jahre 1892 bis 1918 ist von einer "selbstbewußten Minderheit" die Rede und einer "Blütezeit des jüdischen Lebens in München", mit den meist assimilierten Juden als "Musterschülern von Bürgerlichkeit und Bildung".

"Revolution, Räterepublik, Reaktion" als Folgen des Ersten Weltkrieges trübten das bislang insgesamt eher freundliche Bild. Thomas Mann notierte am 7. November 1918 in sein Tagebuch: "München, wie Bayern, regiert von jüdischen Literaten. Wie lange wird es sich das gefallen lassen?" Doch Juden standen auf beiden Seiten der Barrikaden, und die Revolutionäre waren durch die Bank vom Glauben abgefallen. Ihre rasche Niederlage wurde von den anderen begrüßt. Aber die bolschewistische Episode befleckte das Ansehen der Juden nachhaltig, zumal jüdische Literaten, unter ihnen der Münchner Lion Feuchtwanger, mit Stalin sympathisierten, eine Tatsache, die das Buch unerwähnt läßt. Daß Hitler und seine Anhänger München zur Hauptstadt ihrer Bewegung machten (offiziell erst 1935), wurde jüdischerseits zudem als belastend empfunden. Hinzu kamen antisemitische Ausschreitungen. Doch von derlei waren nicht nur Synagogen betroffen, sondern auch Kirchen, wovon im Text nicht die Rede ist.

Die Jahre 1933 bis 1945 brachten Verfolgung und Vernichtung. Die Münchner NS-Führung war bestrebt, Hitlers Judenpolitik vorbildlich abzuwickeln. Aber das Gros der Bevölkerung beteiligte sich nicht. "Wie aus diversen Studien hervorgeht, waren viele damit einverstanden, daß die Rechte der Juden eingeschränkt ... werden sollten. Mit Mord und Totschlag liebäugelten allerdings die wenigsten." Wenn es im Text heißt: "Nicht nur staatliche Institutionen und Parteidienststellen, sondern auch der normale Bürger entwickelte sich zum ‚Schnäppchenjäger'", so fehlt jeder Nachweis, daß "der normale Bürger" die Regel war. Wie wenig das Merkmal "Jude" vor 1933 als Makel empfunden wurde, zeigt die Tatsache, daß sich der deutsche Fußballmeister F. C. Bayern München einen Juden als Präsidenten leisten konnte. Der trat zwar im März 1933 zurück, übernahm aber schon 1947 wieder sein Amt. Während des Asyls kam es anläßlich eines Spiels in der Schweiz zu einer Begegnung zwischen den Spielern und dem amtlich Verfemten, wovon das Buch nicht berichtet.

Die Auflösung des Ostblocks führte dazu, daß heute in München wieder ebenso viele Juden leben wie Ende der Weimarer Zeit, rund 9000. Am 9. November 2006 fand die Einweihung der neuen Hauptsynagoge der Israelitischen Kultusgemeine am St.-Jakobs-Platz statt.

Dem Rezensenten, gebürtiger Münchner, dessen Mutter unweit des Marienplatzes geboren wurde, seien abschließend einige kritische Anmerkungen gestattet: Bereits oben wurden Lücken angesprochen, deren Erheblichkeit der Leser selbst beurteilen mag.

Nicht nachvollziehbar ist der Vorwurf des Antisemitismus gegen einen Tierschutzverein, weil er gegen das Schächten Front machte.

Mit Revolverschüssen gewinnt man keine Mitstreiter. Die Genötigten, so Staatskommissar von Kahr (November 1923), wurden nur dem Anschein nach zu Hitlers Kollaborateuren.

"Kaum jemand protestierte gegen die schamlose Beraubung der jüdischen Münchner." Wenn das ein Vorwurf sein soll, richtet er sich auch gegen die Juden. Das wäre absurd. Aber auch den Nichtjuden war ein äußerst gefährlicher Protest nicht zumutbar, zumal er keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.

"Auch die beiden Kirchen ... hüllten sich in ein fatales Schweigen." Diese Anklage läßt unberücksichtigt, daß allein in München anläßlich der Reichspogromnacht "20 Massenkundgebungen ... gegen das Weltjudentum und seine schwarzen und roten Bundesgenossen" stattfanden. Der NS-Vandalismus in München machte nicht einmal vor dem Sitz des Bischofs halt. Die Kirchen, insbesondere die katholische, galten als Feinde des Reiches. Tausende Priester und Laien vegetierten in den Konzentrationslagern. Konrad Löw

Richard Bauer und Michael Brenner (Hrsg.): "Jüdisches München - Vom Mittelalter bis zur Gegenwart", München 2006, 287 Seiten mit 44 Abbildungen und vier Karten, 19,90 Euro, Best.-Nr. 6151


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren