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28.04.07 / Die Drei Gleichen / Märchenhaftes Thüringen: Vom Burgen-Trio, das der Blitz traf, und vom doppelbeweibten Grafen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-07 vom 28. April 2007

Die Drei Gleichen
Märchenhaftes Thüringen: Vom Burgen-Trio, das der Blitz traf, und vom doppelbeweibten Grafen
von Cornelia Höhling

Gestützt auf einen Schäferstab steht er plötzlich in der Runde. Die goldenen Knöpfe an der Jacke glänzen im Sonnenlicht. Der breitkrempige Hut, tief ins Gesicht gezogen, schützt vor Sonne und Regen gleichermaßen. Auch das rote Halstuch gehört zur Tracht eines Thüringer Schäfers aus dem 17. Jahrhundert. Doch Andreas vom Rothenbarth, wie er sich vorstellt, ist kein Schäfer. Er arbeitet als Märchenerzähler. Und seine Schäfchen sind Familien mit Kindern, Wanderer und Touristen. Auch sein Rauschebart ist alles andere als rot, wie man bei dem Namen vermutet, sondern eindeutig grau.

Eine Geschichte nach der anderen fesselt die Zuhörer auf der Wanderung durch die reizvolle Landschaft mit den weiten Wäldern. Denn seine Heimat Thüringen, das grüne Herz Deutschlands, ist voll von Feen, Elfen und Kobolden. Steinerne Zeugen, wenngleich mitunter nur noch ruinenhaft, erzählen von der wechselvollen Geschichte unter der Herrschaft von Kaisern oder Landgrafen.

Nordwestlich von Arnstadt, der ältesten Stadt Thüringens und Tor zum Thüringer Wald, fällt beiderseits der Autobahn das Ensemble der sogenannten Drei Gleichen ins Auge.

Die älteste der Burgen ist die 704 erstmals erwähnte Mühlburg, deren runder Bergfried aus dem 13. Jahrhundert stammt. Der weithin sichtbare Hohenloheturm dominiert die Silhouette der Wachsenburg, die auf einem steilen kegelförmigen Berg liegt. Eine bedeutende Nord-Süd-Verbindung von Erfurt nach Nürnberg führte einst unterhalb des Burgberges entlang, was sie um 1450 zum geeigneten Schlupfwinkel eines Raubritters werden ließ. Die dritte im Bunde und Namensgeber ist die Ruine der sagenumwobenen Burg Gleichen, in deren Burgfried sich ein kleines Museum befindet.

Ein blau-weiß markierter Wanderweg führt über rund 17 Kilometer durch die geschützte Hügellandschaft des Drei-Gleichen-Gebietes. Der Name bezieht sich vermutlich auf die Ähnlichkeit der topografischen Lage der benachbarten Burgen oder auf ihr gemeinsames Schicksal. Denn 1231 brannten sie vom Blitz getroffen nieder, wurden danach aber wieder aufgebaut. Wenn sich Sponsoren finden, sorgt die Kunst der Pyrotechniker heute gelegentlich dafür, daß der Blitz zum Vergnügen der Gäste erneut einschlägt.

Manchmal kommt Schäfer Rothenbarth nach Apfelstädt am gleichnamigen Fluß im Gebiet der Drei Gleichen. Dann unterhält er die Gäste beim Menü im Hotel-Restaurant, von dessen Fenstern die Wachsenburg, heute ebenfalls Hotel, zu sehen ist. Gern erzählt er vom mittelalterlichen Anti-Aging-Programm. Der Sage nach pilgerten zahnlose und faltige Weiber scharenweise zur Alte-Weiber-Mühle und kamen als junge Mädchen zurück. "Der Preis für die Verjüngungskur", lacht der Schäfer schadenfroh in seinen Bart, "war die Verpflichtung, alle Dummheiten der Jugend zu wiederholen". Gemeint ist nicht die nahe gelegene Mühle auf der Fahner Höhe, die mit dem größten Obstgarten Thüringens und der weiten Sicht in das Thüringer Becken heute als beliebtes Ausflugsziel gilt. Die Alte-Weiber-Mühle lag vielmehr weiter östlich bei Apolda.

Spätestens wenn Rothenbarth von "de Dreje" erzählt, werden auch die Männer hellwach. "Das ist so etwas wie eine Ehe, nur daß drei im Spiel sind", dolmetscht er den mundartlichen Begriff. Daß es das tatsächlich im Thüringischen gegeben haben soll, beweist die Burg Gleichen, die durch die Sage vom doppeltbeweibten Grafen von Gleichen berühmt wurde. Seine Grabplatte mit einer Frau zur Rechten und einer zur Linken befindet sich im Erfurter Dom. Der Überlieferung nach wurde ein verheirateter Graf von Gleichen auf einem Kreuzzug gefangengenommen und nur gegen das Versprechen, die Sultanstochter zu heiraten, freigelassen. Daraufhin habe er sich beim Papst in Rom den Segen für die Doppelehe geholt.

Die Sage wurde variantenreich ausgeschmückt und mehrfach literarisch bearbeitet, darunter von Goethe. Im Sommermonat Juli können Besucher in Mühlberg die unterhaltsame Geschichte des Grafen von Gleichen als Musical vor der echten Kulisse der Burgengruppe erleben. Ein Spaziergang durch den Ort lohnt sich nicht nur wegen der Mühlburg. Verträumte Gassen, Fachwerkhäuser, Kulturscheune und die von der Karstquelle Spring gespeiste Mühle sind eine Entdeckungstour wert.

Lange galt ein dreischläfriges Bettgestell in der Junkerkammer des Herrenhauses als Beweisstück für die Echtheit der Überlieferung. Ein Splitter davon im Mieder sollte gegen quälende Eifersucht helfen, berichtet der Schäfer. Doch nach der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 verbrannten auf dem Rückzug befindliche französische Soldaten neben Türen, Treppen und Fenstern auch das berühmte Bett. "Danach hielt die Eifersucht wieder Einzug im Land", behauptet Rothenbarth. Aber der Wunsch, zwei Weiber zu besitzen, sei erhalten geblieben.

Foto: Die Ruine der Burg Gleichen: Ein kleines Museum lockt hier Touristen an.


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