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05.05.07 / Problemschulen geschockt / Berlins Senat kürzt Deutschkurse für Ausländerkinder in Brennpunkten dramatisch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-07 vom 05. Mai 2007

Problemschulen geschockt
Berlins Senat kürzt Deutschkurse für Ausländerkinder in Brennpunkten dramatisch
von Peter Westphal

Zu heftigen Protesten und weitverbreitetem Kopfschütteln hat vergangene Woche eine Ankündigung der Berliner Senatsverwaltung für Bildung geführt. Einem Planungspapier zufolge wollen die Bildungs-Administratoren ab kommenden Schuljahr den Deutsch-Förderunterricht für Ausländerkinder deutlich kürzen und insbesondere die Unterrichtsstunden an Problemschulen drastisch reduzieren.

Der Senat will einigen Schulen, gerade in Problemgebieten mit hohem Anteil von Ausländern mit "bildungsfernem Hintergrund" wie Kreuzberg, weit über die Hälfte ihrer Förderstunden streichen. Die Begründung für den Schritt können betroffene Schulleiter kaum begreifen. "Erschreckt" sei er, so der Leiter der Kreuzberger Hunsrück-Grundschule, Mario Dobe, andere geben sich "erschüttert", so die Reaktion an der Otto-Wels-Grundschule.

Kenneth Frisse, Sprecher der Bildungsverwaltung, behauptet nebulös, die alte Zuteilung der Förderstunden habe "zu Ungerechtigkeiten" geführt. Bezirke, in denen der Anteil von ausländischen Kindern erst in jüngster Zeit gestiegen sei, bekämen eine zu geringe Förderung. Deshalb sollten nun alle Bezirke gleich bedacht werden.

"Gleich bedacht" heißt, daß künftig die betroffenen Schulen ihre zusätzlichen Unterrichtseinheiten zur Deutsch-Förderung nicht mehr danach zugeteilt bekommen, wie viele ihrer Kinder eine Förderung nötig haben. Ausschlaggebend ist statt dessen nur noch die Anzahl von Kindern nichtdeutscher Muttersprache. Grundsätzlich würden also in Berlin lebende holländische Akademikerkinder ebenso "gefördert" wie andere, deren anatolische Eltern selbst auf türkisch kaum Schulbildung erhalten haben.

Hinzu kommt, daß Grundschulen fortan in gleichem Maße bedacht werden sollen wie Oberschulen. Geradezu grotesk wird dies am Beispiel des Robert-Koch-Gymnasiums in Friedrichshain-Kreuzberg. Der Schule würden künftig die meisten Förderstunden im Bezirk zustehen, weil 603 von den insgesamt 680 Schülern Deutsch nicht als Muttersprache haben. Da mag folgende Frage erlaubt sein: Was haben diese Schüler auf einem Gymnasium verloren, wenn sie noch in großem Stil Deutsch-Stunden nachholen müßten?

Eine solche "Verteilung nach dem Gießkannenprinzip" ist auch für Erhard Laube von der GEW-Schulleitervereinigung ein Unding. Ganz eindeutig, so sein Credo, müsse sich die Förderung auf jüngere Schüler und auf soziale Brennpunkte konzentrieren. Gerade dort gehen nun die Alarmsirenen an. Der Hunsrück-Grundschule (Kreuzberg) werden statt bislang 111 Förderstunden pro Woche künftig nur 52 zugebilligt, die Nürtingen-Grundschule soll anstelle von 108 Stunden künftig mit 45 auskommen, an der Jens-Nydahl-Grundschule am Kottbusser Tor (92 Prozent Einwanderer) wird die Stundenzahl sogar von 203 auf 87 gekürzt. Bislang wurden die rund 750 Lehrerstellen für "DaZ" (Deutsch als Zweitsprache) von den jeweiligen Schulräten vor Ort zugeteilt, sie stützten sich dabei unter anderem auf das Abschneiden der Schulen im Test "Deutsch Plus". So erhielt die berüchtigte Eberhard-Klein-Hauptschule, die zu 100 Prozent von Zuwandererkindern besucht wird, 136 "DaZ"-Stunden. Hier sollen es nach den Sommerferien nur noch 57 sein.

Die Bildungsverwaltung verharrt indessen auf ihrer Behauptung, daß die Stellen nicht gekürzt, sondern nur "gerechter" verteilt würden. Eine "historisch gewachsene" Ungleichverteilung, so Abteilungsleiter Ludger Pieper, solle beseitigt werden.

Die aufgebrachten Kritiker wenden demgegenüber ein, die Neuverteilung würde vor allem die Grundlagen für eine solide Schulbildung und Integration unterminieren. Schließlich seien die Grundschulen "das Fundament", so Marion Berningk, Grundschulleiterin in Neukölln. Denn die "Reparaturkosten" bei nicht geleisteter Förderung in der Grundschule seien viel höher als eine rechtzeitige Unterstützung. Vernachlässigt werde durch die Senatspläne auch der Umstand, daß die Migrantenquote an den Grundschulen wesentlich höher ist als an den Oberschulen.

Zusätzlich verschärft hat sich die Situation in den vergangenen Tagen. Entgegen den ersten Behauptungen der Senatsverwaltung für Bildung, wonach die Mittel nicht gekürzt, sondern nur anders verteilt würden, kam jetzt heraus, daß doch Lehrerstellen wegfallen werden. So sollen im kommenden Jahr nur noch 575 "DaZ"-Stellen übrigbleiben. Begründet wird dies nun mit weiteren Verpflichtungen. So müßten aus dem "DaZ-Pool" künftig auch die Deutsch-Pflichtkurse der Vorschüler ebenso finanziert werden wie die höhere Zahl von regulären Lehrerstellen, die durch die Verkleinerung der dritten Klassen mit hohem Migrantenanteil geschaffen werden mußten. Zudem werden "DaZ"-Stellen zweckentfremdet für sogenannte "Moderatorenaufgaben".

Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) ließ, aufgeschreckt durch die Proteste, in letzter Minute ausrichten, es handele sich bei den "DaZ"-Plänen nur um "verwaltungsinterne Überlegungen". Immerhin waren die aber schon so weit gediehen, daß nun panisch eine "Projektgruppe" eingeschaltet werden soll.

Und es ist nicht der einzige Herd, an dem es brennt. Zu gleicher Zeit nämlich mußte Zöllner auf eine kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Bilkay Öney Rede und Antwort stehen. Demnach scheitert jeder zweite Teilnehmer an Integrationskursen, nur 46 Prozent erreichen das Abschlußzertifikat. Die Kurse sind kostenlos und werden hauptsächlich von den Volkshochschulen angeboten. Auch hier wird eine Nachbesserung der Integrationskurse angemahnt, und auch hier gibt es kein Geld.

Foto: Kreuzberger Schulen sollen über die Hälfte ihrer Deutsch-Förderstunden verlieren: Ausländerkinder lernen die deutsche Sprache oft erst nach der Einschulung.


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