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05.05.07 / "Wir können 500 Jahre pendeln" / Debatte um den Komplett-Umzug aller Ministerien von Bonn nach Berlin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-07 vom 05. Mai 2007

"Wir können 500 Jahre pendeln"
Debatte um den Komplett-Umzug aller Ministerien von Bonn nach Berlin
von Ansgar Lange

In der Literatur ist Bonn nicht immer gut weggekommen. Als die rheinische Universitätsstadt noch Sitz von Regierung und Parlament war, veröffentlichte der britische Romancier John Le Carré seinen Thriller "Eine kleine Stadt in Deutschland". Bonn sei nur ein "nebliger, beschissener Ort", von Verkehrslärm erfüllt.

Mittlerweile ist Berlin Hauptstadt und Bonn Bundesstadt. Doch noch immer sind einige Bundesministerien in Bonn angesiedelt. Diese Arbeitsteilung ist Grund genug für Bundestagsvizepräsident Thierse (SPD), ganz schwere Geschütze aufzufahren. Die gegenwärtige Situation sei "eine einmalige Absurdität auf der Welt" und eine "Fortsetzung der Teilung Deutschlands". Von einem Germanisten könnte man mehr Sprachgefühl erwarten, und von einem Politiker mehr Sachlichkeit.

Günter Bannas hat in der "FAZ" daran erinnert, daß die Aufteilung der Regierungsfunktionen zwischen der Bundeshauptstadt und der Bundesstadt eine Voraussetzung dafür war, daß 1991 der Berlin-Antrag im Bundestag eine knappe Mehrheit erhielt. Es sei politisch gewollt gewesen, daß Bundesministerien ihren Sitz in Bonn haben. Außerdem habe es sich historisch bewährt, daß Deutschland kein Zentralstaat, sondern ein Bundesstaat sei, so Bannas.

Wie ist die derzeitige Situation? Ein Bericht des Bundesfinanzministeriums listet für 2006 insgesamt 66000 Dienstreisen zwischen Bonn und Berlin auf. Die Bundesregierung beschäftigte an der Spree 33750 Bedienstete, im Großraum Bonn noch 30500. "Das Bonn-Berlin-Gesetz sieht vor, daß sechs Politikbereiche in Bonn angesiedelt sind. Das entspricht nach dem derzeitigen Organisationsplan der Bundesregierung dem ersten Dienstsitz von sechs Ministerien: Umwelt, Bildung und Forschung; Gesundheit, Verbraucherschutz und Landwirtschaft, Verteidigung, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Dort sind gut 9000 Mitarbeiter beschäftigt. Diese ,Bonn-Ministerien' haben einen zweiten Dienstsitz in Berlin. Alle anderen Ministerien haben ihren ersten Dienstsitz in Berlin und einen zweiten in Bonn", erläutert Monika Hörig, stellvertretende Pressesprecherin der Bundesstadt Bonn. Was spricht aus Bonner Sicht für die Beibehaltung des Status quo? Das wichtigste Argument sei die Einhaltung des Berlin-Bonn-Gesetzes, betont Hörig: "Nach unseren Erkenntnissen, die auf wiederholten Aussagen der Bundesregierung beruhen, funktioniert die Arbeitsteilung zwischen beiden Städten; in Zeiten moderner Kommunikationstechnik kann das auch kaum anders sein. Die jährlichen Reisekosten, die durch die Aufteilung der Ministerien entstehen, hat der Bundesrechnungshof mit rund zehn Millionen Euro beziffert, bei fallender Tendenz. Der Umzug der Bonner Ministerien nach Berlin wurde vor einigen Jahren vom Bundesbauministerium mit - bis heute unwidersprochenen - fünf Milliarden Euro angesetzt. Fazit: Wir könnten 500 Jahre pendeln. Allein die jährlichen Finanzierungskosten dieser Summe wäre ein Vielfaches der zehn Millionen, die tatsächlich anfallen. Die Einhaltung des Gesetzes ist somit für den Steuerzahler die bei weitem günstigste Lösung."

Doch selbst die "Kölnische Rundschau" schreibt vom "Gegenwind" für Bonn. Nur auf den ersten Blick könne die Debatte des Haushaltsausschusses über das Bonn-Berlin-Gesetz das Rheinland beruhigen. Zwar gibt es mit Ausnahme der Linkspartei keine Fraktion, die einen - rechtlich zur Zeit nicht möglichen - Komplettumzug an die Spree befürwortet. Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag lassen sich jedoch nicht genau einschätzen. Es mehren sich die Anzeichen, daß eine Gesetzänderung immer mehr Befürworter findet.

Die Abgeordneten aus NRW halten dagegen, daß bei einem Abzug der Ministerien 15000 Arbeitsplätze und 220 Millionen Euro Kaufkraft verlorengingen. Auch die EU-Einrichtungen in Bonn seien dann gefährdet. Der ökonomische Erfolg Bonns (zweitniedrigste Arbeitslosenquote in ganz NRW) ist kein Argument für einen Komplettumzug. Vielleicht haben sich die Bonner in den vergangenen Jahren einfach ein bißchen mehr angestrengt als die Berliner. Preußen reichte bekanntlich mal bis nach Koblenz. Unter dem Regierenden Bürgermeister Wowereit sind die preußischen Tugenden, insbesondere die Sparsamkeit, heute jedoch nicht mehr gefragt.


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