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05.05.07 / Rechtsfreier Raum für Christen / In der Türkei werden die Islamisten stärker und setzen auf Unterdrückung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-07 vom 05. Mai 2007

Rechtsfreier Raum für Christen
In der Türkei werden die Islamisten stärker und setzen auf Unterdrückung
von Mariano Albrecht

Um zynische Äußerungen über die Lage von Minderheiten und geistigen Abweichlern in der Türkei ist Ministerpräsident Recep Tayip Erdogan nicht verlegen. Während der 53jährige in einem Interview mit dem "Spiegel" im Brustton der Überzeugung erklärte: "In der Türkei haben die religiösen Minderheiten mehr Rechte als in Europa. Reißen wir etwa ihre Kirchen ab?", hatten die Mörder des deutschen Tilman Geske und seiner Kollegen des christlichen Zirve Verlages in Malatya den Tod ihrer Opfer bereits geplant. Zwei Tage nachdem Erdogan dem Magazin seine Sicht der Lage in seinem Land erläutert hatte, schlugen die Mörder auf bestialische Weise zu.

Seit dem Machtantritt von Erdogans Partei (AKP) im Jahre 2002 ist in der türkischen Gesellschaft eine zunehmende Islamisierung zu beobachten. Die säkularen, nationalistisch geprägten Kreise in Armeespitze und Regierung antworten ihrerseits mit verstärkter Präsenz in der Öffentlichkeit.

Im Feld zwischen den islamistischen Machthabern und nationalistischen Laizismus-Bewahrern erstarkt eine bisher kaum in Erscheinung getretene Strömung mit religiös-islamistischem Brandstifterpotential. Die Mörder des armenischen Journalisten Hrant Dink kamen aus der Nähe der Großen Einheitspartei (BBP). In deren Parteiprogramm heißt es: "Das in der Türkei gebräuchliche Laizismusverständnis lehnen wir ab, weil wir es als das Mittel der herrschenden Minderheit betrachten, das muslimische Volk von der politischen Macht fernzuhalten ..." Allen Strömungen gemeinsam ist, daß sie in der ständigen Paranoia agieren, die Einheit der Türkei sei in Gefahr. Das erfordert Feindbilder, um in der Bevölkerung Rückhalt zu erlangen. Im Fadenkreuz der muslimisch-nationalistischen Eiferer stehen besonders die evangelischen Freikirchen und türkischen Konvertitengemeinden wie die in Malatya. Agitatorisch von höchsten Regierungskreisen unterstützt, wird seit 2002 gegen alles nicht Muslimische zur Jagd geblasen. Der Nationale Sicherheitsrat, der sich immer dann einschaltet, wenn Gefahr durch innere Zersetzer droht, befand, daß die missionarische Tätigkeit im Lande die nationale Sicherheit bedrohe. Somit nahm sich das Amt für Religiöse Angelegenheiten des Problems an. Die 100000 Beamte starke Behörde mit einem Jahresetat von 471 Millionen Euro (2000) wurde eigentlich durch Atatürk gegründet, um den Einfluß der Religion auf den Staat zu unterbinden. Doch das Gegenteil ist der Fall. Mit der Behörde steuert der Staat den politischen Islam nach seinen Bedürfnissen. Die Hetzkampagne gegen Christen gipfelte im Jahr 2005 in einer verordneten Predigt in den Moscheen, in der Christen und Pfarrer als Spione und westliche Agenten dargestellt werden. "Sie haben versucht den Islam und die Muslime mit der Methode der Kreuzzüge aus der Welt zu schaffen ... Sie versuchen unserer Jugend den Glauben zu stehlen."

Behördenchef Bardakoglu streute im TV-Interview Verschwörungstheorien unter das Volk, die Missionare seien "ein Mittel internationaler Pläne und Berechnungen". Der Caritas wurde vorgeworfen, missionarisch tätig zu sein und mit den "Atheisten der PKK" unter einer Decke zu stecken. Alles deutet darauf hin, daß hier islamistisch-nationalistische Kreise versuchen, eine Art Pogromstimmung zu entfachen. In den deutschen Gemeinden von Istanbul ist man entsetzt über die zunehmende Gewalt gegen Christen, sieht sich selbst aber nicht im Fokus der Fanatiker, weil man sich ausschließlich an die in der Türkei lebenden Deutschen wendet. Der rechtliche Status der Gemeinden ist trotz der EU-Harmonisierungsgesetze unklar und unsicher. Der Terror findet hier mit bürokratischen Waffen statt. Die Kirchen sind nicht als Religionsgemeinschaften anerkannt und müssen über Trägervereine betrieben werden. Christliche Geistliche bekommen in der Türkei nach wie vor keine Arbeitsgenehmigung. So genießt der katholische Pfarrer der Istanbuler St.-Pauls-Gemeinde den Status eines Konsularischen Seelsorgers, die Immobilie im Istanbuler Stadtteil Nisantase wird von einer Aktiengesellschaft gehalten. Im Jahr 2005 hätte die Gemeinde um ein Haar ihre Kirche verloren, als der türkische Anwalt der Aktiengesellschaft in einer Nacht- und Nebelaktion das Gelände an der Deutschen Bischofskonferenz und dem Vorstand vorbei an ein Bauunternehmen veräußern wollte. Auch die evangelische Gemeinde muß mit Blockaden und Behinderungen durch Behörden kämpfen. Als in den Räumen der Gemeinde eine Gasleitung erneuert werden mußte, half erst eine Schenkungsurkunde aus dem Jahr 1857, die erforderliche Genehmigung zu bekommen. Da christliche Gemeinden nicht als juristische Person anerkannt werden, sind sie quasi auch nicht geschäftsfähig. Das griechisch-orthodoxe Patriarchat kämpft für die Wiedereröffnung des 1971 geschlossenen Priesterseminars. Weil Patriarch und Bischöfe türkische Staatsbürger sein müssen, fehlt der Nachwuchs, doch der kann ohne Priesterseminar nicht ausgebildet werden. Der türkische Staat verfolgt eine perfide Taktik, wenn es um die Unterdrückung der christlichen Minderheit geht. Es herrscht eine Atmosphäre aus Angst und Unsicherheit in einem rechtsfreiem Raum.

Foto: Kampf der Systeme - Atatürk oder Erdogan: Kemalisten demonstrieren in Istanbul.


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