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05.05.07 / Zwischen Patriotismus und Stagnation / Japan erfreut sich eines leichten Wirtschaftswachstums, doch Reformen werden verschleppt und die Bevölkerung fürchtet Altersarmut

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-07 vom 05. Mai 2007

Zwischen Patriotismus und Stagnation
Japan erfreut sich eines leichten Wirtschaftswachstums, doch Reformen werden verschleppt und die Bevölkerung fürchtet Altersarmut
von Albrecht Rothacher

Nach den für die LDP erfolgreichen Regionalwahlen Anfang April, bei denen liberaldemokratische Amtsinhaber wie der nationalkonservative Schriftsteller Shintaro Ishihara als Gouverneur von Tokio oder die tüchtige Harumi Takahashi Gouverneurin der Nordinsel Hokkaido mit großen Mehrheiten wiedergewählt wurden, sitzt die liberaldemokratische Regierungspartei in Japan weiter fest im Sattel. Die Aussichten für die Oberhauswahlen im Juli sind daher für Shinzo Abe, der im letzten September den Medienstar Junichiro Koizumi als Premier abgelöst hat, nicht schlecht, obwohl seine Zustimmungsraten in der Bevölkerung seither von 70 Prozent auf derzeit 40 Prozent stark gefallen sind. Dem Premier wird vorgehalten, sich zu stark um seine Lieblingsthemen, die Außenpolitik und patriotische Fragen, zu kümmern und an den wirtschaftlichen Alltagssorgen seiner Wähler desinteressiert zu sein. Die guten Wahlaussichten der LDP sind also weniger Abes Regierungsgeschick geschuldet als dem Fehlen einer glaubwürdigen Alternative, denn die noch unpopulärere Oppositionspartei, die zentristischen Demokraten, drohen einmal mehr in öffentlich ausgetragenen Fraktionskämpfen zu zerfallen.

Seit fünf Jahren wächst die japanische Wirtschaft wieder um zwei Prozent jährlich. Die Arbeitslosigkeit sank auf vier Prozent. Auch wurde die Deflation und Nullzinspolitik offiziell für beendet erklärt. Laut Nationalbank beträgt die Inflation jetzt 0,1 Prozent und der Mindestzinssatz 0,5 Prozent. Die meisten Großunternehmen schreiben wieder schwarze Zahlen und die erfolgreichsten unter ihnen - Honda, Toyota, Canon und Yamaha - sogar Rekordgewinne. Dennoch stagniert die Binnennachfrage in Japan weiter. Das ganze Wachstum beruht ausschließlich auf den Exporten in die USA, nach China und Europa, die von dem künstlich unterbewerteten Yen beflügelt werden. Ein Konjunktureinbruch in den Zielmärkten oder ein Ende des Währungsdumpings würde dem zarten Wachstumspflänzchen in Japan schnell den Garaus machen.

Japans Krisenjahrzehnt hat nach dem Platzen der Immobilien- und Aktienspekulationsblase ab 1992 zu hohen sozialen Ungleichheiten in der einstigen Mittelstandsgesellschaft geführt. Nach massenhaften Entlassungen, Konkursen und dem Ende der früher üblichen lebenslangen Beschäftigungen arbeitet ein Drittel aller Japaner jetzt in schlecht bezahlten prekären Teilzeitjobs. Für die anderen sind seit Jahren die Löhne eingefroren. Überstunden- und Bonuszahlungen wurden gekürzt, Sparkonten nicht mehr verzinst. Dazu wächst die Zahl der Rentner und Frührentner mit knappen und weiter gekürzten Pensionen. Mit den seit 1997 rückläufigen Haushaltseinkommen stagniert die Binnennachfrage, zumal die Japaner für schlechte Zeiten und ihre Altersversorgung sparen.

Nur mit steigenden Realeinkommen, einem festeren sozialen Netz und mehr Dauerbeschäftigungen könnte die Binnennachfrage wieder in Gang kommen. Dazu machen Regierung und Wirtschaft jedoch keine Anstalten.

Seit drei Jahren sinkt die Zahl der Erwerbstätigen, seit dem letzten Jahr auch die Bevölkerungszahl von derzeit noch 127 Millionen Japanern. Im Jahre 2050 wird die 100 Millionenzahl unterschritten und um 3200 das japanische Volk beim Anhalten des weiter rückläufigen Geburtentrends ausgestorben sein. Und weil auch das dritte Fünfjahresprogramm zur Steigerung der Geburtenraten nicht mehr Kinder bringt, muß wenigstens die Produktivität der verbleibenden Arbeitskräfte gesteigert werden, um den Lebensstandard zu halten. Produktivitätsreserven sind offenkundig in den geschützten Sektoren der japanischen Wirtschaft: bei Banken und Versicherungen, im Handel und Baugewerbe, im Transportwesen sowie in der Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie. Gerade im Finanzsektor ist mehr Wettbewerb nötig, will Tokio mit Hongkong, Schanghai und Singapur als führendes Finanzzentrum im Fernen Osten mithalten. Von den nötigen Reformen ist jedoch wenig zu spüren.

Bekanntlich haben die gescheiterten Ausgabenprogramme, mit denen die Regierung in den 90er Jahren verzweifelt versucht hatte, die Konjunktur anzukurbeln, die japanische Landschaft mit Betonbauten zugepflastert und die früher soliden Staatsfinanzen ruiniert. So beträgt der öffentliche Schuldenstand astronomische 5500 Milliarden Euro, die 180 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) entsprechen. Die aktuelle Neuverschuldung beträgt noch 6,5 Prozent des BIP. Von einer Sanierung der Haushalte ist Japan also weit entfernt, auch wenn das Finanzministerium gern die Mehrwertsteuer auf zehn Prozent verdoppeln und die Renten weiter kürzen möchte. Dies ist jedoch auch in Japan erst nach gewonnenen Wahlen, also ab Juli, möglich. Die verheerendste Niederlage erlitten die Reformer, als Abe bei ihrem Versuch, die Zweckbindung der Straßensteuern aufzuheben, vor der Baulobby einknickte: In dem mit leeren Autobahnen vollgepflasterten Land wird gnadenlos weiter asphaltiert.

Was Abe als patriotischem Politiker der dritten Generation umtreibt, ist die nationalbewußte Schulerziehung und die Revision der von den Amerikanern 1946 diktierten pazifistischen Verfassung. Die Mehrheit der Japaner ist damit einverstanden, nur haben Abes Lieblingsthemen für sie keine Dringlichkeit. Braucht doch ein neuer Verfassungsentwurf Jahre an Debatten und Einigungsversuchen, um mit der Opposition zusammen mit einer Zweidrittelmehrheit verabschiedet zu werden. Statt dessen bewegen die japanischen Wähler soziale und wirtschaftliche Brot-, Butter- und Zukunftsthemen mehr, wie die ungesicherten Pensionen, die Kosten der Gesundheitsversorgung, die wachsende soziale Ungleichheit, die rückläufigen Familieneinkommen, die Verödung der Provinzen und die sich abzeichnende demographische Katastrophe. Themen, an denen Abe außer Lippenbekenntnissen kein erkennbares Interesse zeigt.

Für die Oberhauswahlen im Juli haben die spektakulären Wahlsiege Koizumis die Latte für Abe sehr hochgelegt. Bei einem schwachen Wahlergebnis könnten neben dem Reformflämmchen auch die zarten Bemühungen um eine Sanierung der Haushalte erlöschen.


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