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05.05.07 / Zwei Welten prallen aufeinander / Vielen Universitäten wurden nach dem Vorbild der Wirtschaft Aufsichtsräte übergeordnet, doch effizienter wurde so nichts

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-07 vom 05. Mai 2007

Zwei Welten prallen aufeinander
Vielen Universitäten wurden nach dem Vorbild der Wirtschaft Aufsichtsräte übergeordnet, doch effizienter wurde so nichts
von George Turner

Der Vorwurf, Universitäten arbeiteten nicht effektiv, wird oft mit der Forderung verbunden, es müßten, um Abhilfe zu schaffen, die Leitungsprinzipien aus der privaten Wirtschaft übernommen werden. Die Suche nach der geeigneten Form der Leitung von Hochschulen hat nahezu flächendeckend dazu geführt, daß neben den Rektoraten oder Präsidien Hochschul- oder Universitätsräte eingeführt worden sind, gelegentlich auch Aufsichtsrat oder Kuratorium genannt. Bezüglich der Zusammensetzung und Aufgabenstellung gibt es, abhängig von den Vorgaben in den Ländern oder den Satzungen der Hochschulen, unterschiedliche Konstruktionen mit Beratungs-, Kontroll- oder Entscheidungskompetenzen; zum Teil weisen sie eine Vermischung von Funktionen auf. Solche Gremien können mit Vertretern aus den Reihen der betroffenen Universität und Dritten, aber auch ausschließlich mit hochschulfremden Personen besetzt sein. Den Hochschulräten sind Aufgaben übertragen worden, die bisher entweder den zuständigen Landesministerien oder den Hochschulen, und dort in der Regel den Senaten, vorbehalten waren.

Immer wieder hört man davon, daß es zwischen den Hochschulräten und den Senaten "knirscht". Das liegt einmal an den zum Teil unausgereiften rechtlichen Regelungen. Hier fehlt es oft an klaren Abgrenzungen der Zuständigkeiten. Die strategische Führung muß bei der Leitung, also dem Präsidium oder Rektorat liegen. Da die hochschulfremden Mitglieder der Hochschulräte nebenberuflich tätig sind und das Gremium im allgemeinen nur in jedem Quartal einmal tagt, können hier nicht Einzelentscheidungen im Sinn der Erledigung laufender Geschäfte erfolgen. Eine Vermengung von Aufsichtsfunktionen und operativem Geschäft führt zwangsläufig zu Konflikten. Im übrigen besteht die Gefahr, daß der Hochschulrat sich "verzettelt". Es kann auch nicht gut gehen, wenn der Hochschulrat einen Rektor auswählt und der Senat nur noch "abnicken" kann. So hat es zum Beispiel in Baden-Württemberg mehrere Pannen gegeben. Die von den Hochschulräten vorgesehenen Präsidenten beziehungsweise Rektoren wurden von den Senaten nicht akzeptiert. Damit kamen sie nicht ins Amt. Sie, die betreffende Hochschule und auch der jeweilige Hochschulrat waren beschädigt. Es widerspricht in der Tat dem jahrhundertealten Selbstverständnis, daß die Universitäten ihren Repräsentanten selbst bestimmen, wenn sie hier nur noch ein Veto haben. Hält man daran fest, kommt es zu einer weiteren Entfremdung vor allem der Professoren von "ihrer" Universität. Durch die Entmachtung der Senate und die Verlagerung von Aufgaben auf Gremien, die außerhalb ihrer Einflußsphäre liegen, kann die Entsolidarisierung, die bereits in der sogenannte Gruppenuniversität zu beobachten war, noch zunehmen. Förderlich für die Entwicklung einer eigenen Identität ist das nicht. Und der Stärkung der oft beschworenen Autonomie der Universitäten dient es auch nicht. Denn diese setzt voraus, daß die Angehörigen der Körperschaft sich in möglichst großem Umfang mit ihrer Institution identifizieren. Sonst bewegt man sich auf eine Anstalt zu, die Benutzer, aber keine Mitglieder hat.

Ebenso ist es keine gute Lösung, wenn dem Hochschulrat Vertreter der zu beaufsichtigenden Hochschule angehören, und zwar nach dem Prinzip der Gruppenrepräsentanz. Die Gefahr, daß die in den Gremien der Institution geführten Auseinandersetzungen hier wiederholt werden, liegt nahe. Eine Besetzung nur durch Dritte würde solche Gefahren vermeiden und eine klare Trennung von Leitung und Aufsicht unterstreichen. Die Mitglieder sollten anteilig von der Hochschule und dem zuständigen Landesministerium gewählt beziehungsweise bestellt werden.

Wundern darf man sich im Übrigen über die Schwierigkeiten im Zusammenspiel schon deshalb nicht, weil unterschiedliche "Kulturen" aufeinandertreffen. Auf der einen Seite Repräsentanten der Wirtschaft, die es gewohnt sind, daß Anweisungen zügig umgesetzt werden, auf der anderen Seite Hochschulmitglieder, die jahrzehntelang eine mitbestimmte, durch sogenannte Transparenz und Demokratisierung gelegentlich arg politisierte Bildungseinrichtung erlebt haben.

Manche Vorurteile bei universitätsfremden Vertretern über angebliches Versagen der Hochschulen werden sich bei näherem Zusehen nicht aufrechterhalten lassen. Es ist nicht immer die Unfähigkeit solcher Institutionen, die sie schwerfällig und ineffizient erscheinen läßt, sondern das sie einschnürende Regelwerk staatlicher Gesetze und Verordnungen. Umgekehrt erkennen Hochschulvertreter, daß Repräsentanten der Wirtschaft oft auch nur "mit Wasser kochen".

Der wechselseitige Erkenntnisprozeß ist eine erste, wichtige Voraussetzung für eine gedeihliche Zusammenarbeit.

Hinzukommen muß aber bei den hochschulfremden Mitgliedern die Einsicht, daß Maßnahmen gegen den Senat, selbst wenn dies rechtlich möglich ist, nicht den gewünschten Erfolg bringen.

Wenn also Hochschulräte die Leistungsfähigkeit der ihnen anvertrauten Institutionen verbessern wollen, müssen sie sich auf einen auch Kompromisse einschließenden Dialog mit den Hochschulgremien einlassen. Sonst scheitern beide: die Hochschule, aber auch der Hochschulrat.


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