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05.05.07 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-07 vom 05. Mai 2007

Bis zum Hals / Woher nimmt Roth nur soviel Blödsinn? Wer holt Beck aus dem Modder? Und warum sollte Merkel denn Politik machen?
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Wer berät eigentlich Claudia Roth? Die Grünen-Chefin strahlt zwar eine ungeheure Begabung für öffentliche Eseleien aus und ist daher verdientermaßen Stammgast in diesem Teil der PAZ. Sie hat es einfach drauf, ist eine Künstlerin in ihrer Rolle. Durch eine Reihe von Zufällen und Kompromissen konnte sie Bundesvorsitzende werden und hat dennoch nie den Charme der Basis verloren. Sie benimmt sich auch an der Spitze angelangt noch immer wie die dauernd übertemperierte Anführerin einer hysterischen Bürgerinitiative.

Ja, Talent hat sie, wenn auch ein recht bizarres. Und dennoch mag man das kaum für die ganze Wahrheit nehmen. Die Summe der Rothschen Tapsigkeiten, ihr ganzer Auftritt gehen über das hinaus, was einer alleine sich ausdenken kann. Es muß phantasievolle Hintermänner geben, die ihre burlesken Darbietungen aushecken.

Jüngstes Glanzstück war ihr lautes Eintreten für den islamistischen türkischen Präsidentenanwärter Abdullah Gül. Ein gemäßigter Mann sei das, trällerte Claudia Roth, dem sie alles Gute wünscht. Die Grüne hat sich damit als einzige deutsche Unterstützerin des Kandidaten der islamistische AKP präsentiert. Was für Berater sind das, die ihrer Parteichefin so etwas ins Ohr flüstern? Wer hockt mit Frau Roth morgens am Sitzungstisch? Stefan Raab? Osama bin Laden? Mister Bean?

Claudia Roth darf sich immerhin auf einen entscheidenden Vorteil verlassen, der ihr über allerlei Desaster hinweghilft: Im Grunde ist es den Deutschen herzlich egal, was sie zu sagen hat. Wir haben uns daran gewöhnt, daß sie mehr für die Unterhaltungsbeilage der Berliner Politik zuständig ist. Die Bundesbürger sind untergründig überzeugt: Bevor die Roth ernsten Schaden anrichten könnte, werden ihr die Erwachsenen schon den Taktstock wegnehmen.

Da hat es die Roth besser als andere Parteichefs. Kurt Beck sagt auch immerzu irgendwas, doch hat seine SPD nur noch wenig Freude an ihrem Vorsitzenden und fürchtet anders als die Grünen, daß der Chef sie wirklich noch in die Tiefe ziehen könnte.

Der Pfälzer hatte sich alles so schön ausgemalt, als sie ihn zum Ersten der Sozialdemokraten wählten: Die Partei repräsentieren, die Genossen "zusammenführen" und das alles in betont entspannter und gemütlicher Manier, wie es seiner Art entspricht. Das würde sicher wunderbar werden, dachte sich der Mainzer Regierungschef. Auf den stacheligen Kabinettsbänken in Berlin sollten sich Franz Müntefering und Co. die Splitter einreißen, während der übellaunige Peter Struck die Fraktion zuchtmeistert.

Die gemütliche Rechnung hatte Beck ohne die gerissene Wirtin Angela Merkel und ihren Kanzlerbonus gemacht. Das ist ihm nun auch aufgefallen. Seit Ostern versucht Beck, das Image des netten Parteibären loszuwerden, und versucht, den Eindruck zu erwecken, als ritte er ab sofort nur noch gestiefelt und gespornt gegen den schwarzen Koalitionspartner, mit Kriegsgeschrei und allem Pipapo.

Gelernt hat er das nicht unbedingt, seine Ritte landen mehr oder minder regelmäßig im Bockshorn statt im Herzen des Feindes.

So schmiß sich Kurt Beck wie ausgehungert auf ein paar ungeordnete Vorschläge aus Unionskreisen zur Erbschaftsteuer. Was heißt: "Vorschläge"? Soweit waren die Unionisten ja noch nicht einmal gekommen, einige lose Gedanken kursierten, mehr nicht. Beck aber fluchte und fuchtelte herum wie einer, dem das Wasser bis zum Hals steht.

Nun hofft der SPD-Chef auf die Wahl in Bremen. Dort steht es um die Chancen der SPD nicht schlecht, und sollten die Weser-Sozis den Sieg davontragen, will Kurt Beck im Glanze ihres Ruhms zu neuem Ansehen gelangen. Bremen soll es reißen. Nun ja, hübsche Stadt, aber als Bundesland doch recht klein. Die Aussicht, daß ein Sieg dort einen Bundesvorsitzenden der SPD wieder aus dem Keller holen kann, klingt so erfolgversprechend wie der Versuch, einen abgesoffenen Dreimaster mit einer Pinzette aus dem Fluß zu ziehen. Und Beck sitzt tief im Modder. Mittlerweile würden bei einer Direktwahl des Kanzlers sogar unter den SPD-Anhängern genauso viele für Merkel stimmen wie für den eigenen Chef.

Angesichts der öden Beck-Vorstellung haben Kenner der SPD eine merkwürdige Nostalgiewelle bei den Blaßroten ausgemacht: "Wir woll'n unsern alten Gerhard Schröder wiederha'm!" ist zum neuen Parteischlager aufgestiegen. Ja, wirklich: Sie sehnen sich bereits nach dem Altkanzler, dem Agenda-Gerd, Flasche-Bier-Chaos-Spaß-und-Gas-Schröder!

Da muß die Niedergeschlagenheit schon beträchtlich sein bei den Sozialdemokraten und entsprechend glänzend die Stimmung im Hause Merkel. Die Kanzlerin muß ihre Rivalen gar nicht in aufreibenden Schlachten vom Feld drängen, die zerlegen sich alle selbst. Der einst mächtige "Andenpakt" hochrangiger CDU-Politiker wie Christian Wulff, Roland Koch oder Friedrich Merz hat gerade sein Ableben bekanntgegeben. Von dort droht keine Gefahr mehr. Über die Sozis haben wir schon gesprochen und die CSU ... ach, was soll's.

Auch draußen in der Welt sind sie alle am Wackeln: Chirac ist schon fast weg, Blair folgt ihm sicher bald, Bush hat mächtig Ärger mit dem Kongreß wegen Irak, und Putin macht sich zumindest ordentlich unbeliebt.

Das ist wirklich die Zeit der Angela Merkel. Die deutsche Regierungschefin aber bleibt bescheiden und macht so gut wie gar nichts aus ihrer herausragenden Stellung. Sie hat herausgefunden, daß man auf diese Weise am längsten oben bleibt. Und von "Reformen" will ja sowieso keiner mehr was wissen bis auf die unsäglichen "Wirtschaftsweisen", die behaupten, uns könne die sogenannte "Wirklichkeit" böse heimsuchen, wenn der Aufschwung der Weltwirtschaft, der Deutschland mit nur dreijähriger Verspätung erfaßt hat, wieder abflaut. Die Wirtschaftsfachleute reden noch immer mit Tränen der Rührung vom CDU-Wahlprogramm 2005. Aber das hat Angela Merkel, klug, wie sie ist, längst in der Kammer des Schreckens ganz tief unten im Kanzleramt einmauern lassen. Und da bleibt es auch!

Viel lieber redet die Regierungschefin von Europa, dem sie "neuen Schwung" verleihen und das sie den "Menschen wieder näherbringen" möchte. Klingt sehr sanft - mit solchen Sätzen sammelt man Sympathiepunkte.

Und es kann ja auch niemand behaupten, daß sich in Europa nichts bewegt. Die EU-Kommission bringt gerade das "Interact-II-Programm" auf den Weg. Es geht um EU-Förderprogramme für Projekte und Regionen.

Wer nun meint, über "Interact II" Geld in Brüssel beantragen zu können, wird enttäuscht. Das Programm ist lediglich dazu da, drei bereits bestehende Förderprogramme verständlich zu machen. Die sind nämlich dermaßen kompliziert, daß kein Mensch sie kapiert. Also mußte ein Zusatzprogramm zur Erklärung dieser Förderprogramme aufgesetzt werden, für 40 Millionen Euro.

Ausgerechnet aus dem sonst so europabraven Berlin kamen säuerliche Reaktionen. Wenn die EU-Programme so verschwurbelt seien, daß sie keiner versteht, solle man sie doch durchforsten, statt ein weiteres oben draufzupacken, das nur dem einzigen Zweck dient, die anderen zu erklären. In der deutschen Hauptstadt war sogar von einer "Lachnummer" der Eurokraten die spitze Rede.

Was die sich denken? Seit Jahrzehnten besteht Einigkeit darüber, daß das Zusammenwachsen Europas zu messen ist am Auswuchern seiner Bürokratie und ihrer immer neuen Richtlinien und Programme. Davon kann es gar nicht genug geben, zumal ihre stete Ausbreitung Lebensraum schafft für immer mehr EU-Beamte, -Angestellte und -Forschungsaufträge. Da ist ein ganz eigener, gewaltiger Gewerbezweig entstanden, der sich fern der Zumutungen nationaler Parlamente völlig frei entfalten kann.


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