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12.05.07 / Gut gedacht, aber schlecht gemacht / Der Energieausweis kommt: Milliardengeschäft für Energieberater, Bauingenieure und Architekten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-07 vom 12. Mai 2007

Gut gedacht, aber schlecht gemacht
Der Energieausweis kommt: Milliardengeschäft für Energieberater, Bauingenieure und Architekten
von Mariano Albrecht

Auf die Branche der Energieberater, Bauingenieure und Architekten rollt ab 2008 ein Milliardengeschäft zu. Auch Freiberufler und Hochschulabsolventen mit Öko- oder "baunaher" Ausbildung können von dem Kuchen profitieren. Wer einen kurzen Lehrgang zum Energieberater absolviert, darf ab 2008 den Energieausweis ausstellen. Mit der Umsetzung der Energiesparverordnung wird der sogenannte Energieausweis für Wohngebäude eingeführt.

Jeder Vermieter oder Eigentümer von Wohnungen oder Häusern muß für seine Immobilie einen sogenannten bedarfsorientierten oder verbrauchsorientierten Energieausweis ausfertigen lassen. Pro Ausweis werden 100 bis 400 Euro fällig. Bei zirka 20 Millionen betroffenen Bauten ein Geldsegen für die Branche.

Mit der neuen Energiesparverordnung setzt die Bundesregierung eine EU-Richtlinie um, die schon im Jahr 2002 von deutscher Seite angeregt worden war. Regierung und Umweltschützer erhoffen sich, damit in Zukunft Eigentümer und Vermieter von Gebäuden zum ökonomischen und ökologischen Betrieb ihrer Immobilien zu motivieren. Was bisher nur für den Neubau von Häusern Pflicht war, wird nun auch auf sogenannte Bestandsimmobilien ausgedehnt. Das soll den Wettbewerb auf dem Immobilienmarkt anstoßen sowie Käufer und Mieter zu mehr Energiebewußtsein anregen. Mit Sanierungs- oder Modernisierungsempfehlungen sollen Eigentümer zu Investitionen motiviert werden. Gut gemeint, was die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2002 zur Reduzierung von Energieverlusten im Wohnbereich angedacht hatte, um den Kohlendioxidausstoß und den Energieverbrauch durch alte Heizungen, stromfressende Warmwasser- und Klimaanlagen zu vermindern. Doch sieht man sich die geplante Umsetzung der Richtlinie genau an, so kommt man schnell zu dem Schluß, daß dem Verbraucher hier nur Flickwerk verkauft wird.

Ab dem 1. Januar 2008 müssen Eigentümer dem Miet- oder Kaufinteressenten "nur auf Verlangen" einen Energieausweis "zugänglich machen". Sie sind jedoch nicht verpflichtet, den Energieausweis von sich aus in das Verkaufs- oder Vermietgespräch einzubringen. Dabei gibt es zwei Arten von Energieausweisen, die ähnlich wie beim Kauf eines Elektrogerätes über den zu erwartenden Energieverbrauch der Immobilie informieren sollen.

Der ersten Variante des verbrauchsorientierten Ausweises ist nur zu entnehmen, wieviel Energie die Immobilie in den letzten drei Jahren verbraucht hat. Das ist dann für den Vermieter auch die günstige Version (rund 100 Euro), um dem Gesetz gerecht zu werden. Für den Mieter oder Käufer ergibt sich aber daraus nichts über den selbst zu erwartenden Verbrauch, da er natürlich nichts über die Heizgewohnheiten, die Häufigkeit von Dusch-Orgien oder die Beleuchtungsvorlieben des Vormieters erfährt. Diesen Energieausweis "light" soll dann auch jeder Energieberater oder Schornsteinfeger ausstellen dürfen. Dafür muß dieser nicht einmal vor Ort erscheinen. Per Telefon kann er sich vom Vermieter das Blaue vom Himmel ins Ohr flüstern lassen und attestiert dann, daß in dem Gebäude Energie in einer bestimmten Größenordnung verbraucht worden sei. Ob der von einer Person oder einer fünfköpfigen Familie verursacht wurde, bleibt offen. Mißbrauch und Irreführung des Verbrauchers durch windige Eigentümer und Vermieter, die sich zum Beispiel durch falsche Angaben eine gute Energieeffizienz attestieren lassen, um den Miet- oder Kaufpreis in die Höhe zu treiben, kann man sich im zuständigen Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung nicht vorstellen. "Wir wollten eine unbürokratische und preiswerte Variante schaffen", so ein Sprecher.

Die Deutsche Energie-Agentur (dena) hat im Vorfeld des Gesetzentwurfes im Auftrag der Bundesregierung verschiedene Arten von Energieausweisen in einem Modellprojekt getestet. Wie ein Sprecher des Unternehmens, das zu 50 Prozent dem Bund gehört, mitteilte, halte man die verbrauchsorientierte Variante wegen ihrer mangelnden Aussagefähigkeit und Manipulierbarkeit für unbrauchbar, um eine Auskunft über die Energieeffizienz eines Hauses zu geben. Die dena selbst stelle nur sogenannte Bedarfsorientierte Ausweise aus, die durch qualifiziertes Personal, in der Regel Ingenieure, nach einem Vororttermin erstellt würden. Kosten: zirka 400 Euro. Hierzu wird wie bei einem Neubau die energietechnische Gesamtsituation des Gebäudes an Hand von Meßdaten ermittelt. Das Ergebnis richtet sich nach Fassaden- und Fensterisolation, der Art der Heizanlage und aller Faktoren, welche den Energieverbrauch eines Hauses oder einer Wohnung ausmachen. Der Haken: Auflagen zur Mängelbeseitigung ergeben sich für Eigentümer oder Vermieter auch hier nicht. Weder das zuständige Ministerium für Wirtschaft und Technologie noch das Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung konnten Auskünfte über zugrundeliegende Richtwerte machen. Gänzlich ungeklärt bleibt auch die Frage der Haftung von Ausstellern und Hauseigentümern bei erheblichen Abweichungen vom bescheinigten Energieverbrauch.

Sollte das Gesetz wie erwartet vom Bundesrat abgesegnet werden, wird mit dem Energieausweis ein Papiertiger ohne Zähne losgelassen.


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