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12.05.07 / Kanzlerin ohne Reibungsflächen / Angela Merkel bietet ihrem Koalitionspartner kaum Angriffspunkte und profitiert da

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-07 vom 12. Mai 2007

Kanzlerin ohne Reibungsflächen
Angela Merkel bietet ihrem Koalitionspartner kaum Angriffspunkte und profitiert davon
von Hans Heckel

Am 14. Mai gehe über Schwarz-Rot ein "gewaltiges Gewitter" nieder, drohte unlängst SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler. Dann treffen sich die Spitzen von Union und SPD im Koalitionsausschuß. Auch andere führende Sozialdemokraten wie Fraktionsvorsitzender Peter Struck, Generalsekretär Hubertus Heil und der glücklose Parteichef Kurt Beck bemühen sich nach Kräften, sich von der Union abzusetzen.

Grund für den roten Groll sind die chronisch schlechten Umfragewerte der SPD. Was die Sozialdemokraten besonders auf die Palme bringt, ist die Art und Weise, in der die Kanzlerin ihre Anwürfe kontert - oder genauer gesagt: eigentlich nicht kontert.

Angela Merkel läßt die nervösen Sozialdemokraten auf die selbe Weise ins Leere laufen, in der sie auch ihre innerparteilichen Widersacher mürbe gemacht hat: Sie springt einfach nicht an auf die Attacken, scheint sie zu ignorieren oder weicht ihnen geschmeidig aus. Zum unmittelbaren Schlagabtausch läßt sie es nicht kommen. So erscheint die Kanzlerin den Deutschen wie der ruhende Pol in einer zänkischen Koalition. Umfragen belegen den Erfolg ihrer Strategie: Während die Popularität der schwarz-roten Regierung sackt und sackt, erfreut sich die Regierungschefin einer robusten Beliebtheit, die von der Enttäuschung über die Große Koalition offenbar unbeeinträchtigt bleibt. Nach einer jüngsten Umfrage sind nur noch 35 Prozent der Bundesbürger mit der Koalition zufrieden, aber 56 Prozent würden sich bei der Möglichkeit einer Direktwahl des Kanzlers für Merkel entscheiden, SPD-Chef Beck kommt demnach bloß auf magere 23 Prozent. Sogar die Hälfte der Grünen-Wähler hätte Angela Merkel hinter sich.

Die Kanzlerin verfolgt ihre Strategie bereits seit dem Beginn ihrer politischen Karriere während der Revolution 1989: offenen Konfrontation ausweichen, scharf umrissene Positionen vermeiden. Nur einmal wich sie davon ab und stellte sich dem offenen Schlagabtausch: Auf dem Höhepunkt der Spendenaffäre um Helmut Kohl griff sie, die damalige CDU-Generalsekretärin, ihren vormaligen Gönner und Förderer mit einem Artikel in der "Frankfurter Allgemeinen" frontal an. Mit Erfolg - die öffentliche Abrechnung mit dem Altkanzler geriet für Merkel zum Durchbruch an die Spitze der CDU.

Daß Merkels Strategie nicht ohne taktische Risiken ist, sollte sich indes 2005 zeigen. Als der von ihr selbst ins Wahlkampfteam geholte Steuerfachmann Paul Kirchhof das Konzept einer radikalen Steuerreform vorlegte und dafür von seiten der SPD wie aus den eigenen Reihen zerrissen wurde, ließ Merkel den renommierten Spezialisten im Regen stehen. Wie üblich folgte sie ihrem Instinkt, der befahl, jeder heftigen Frontalauseinandersetzung auszuweichen.

Folge war die massive Verunsicherung des bürgerlichen Lagers und ein Auftrumpfen der schon besiegt geglaubten Sozialdemokraten. Nur um Haaresbreite konnte die Union, nach Schröders Neuwahlankündigung im Frühsommer 2005 noch haushohe Favoritin, die SPD bei den Wahlen überflügeln - Voraussetzung für Merkels Anspruch auf das Kanzleramt.

Seither indes blieb das Glück auf ihrer Seite. Merkels innerparteiliche Rivalen scheinen schlichtweg erlahmt zu sein. Vizekanzler Franz Müntefering von der SPD sah diese Entwicklung bislang mit Wohlwollen. Wie bei der Gesundheitsreform erlebt, sorgte Merkels Art, ihre CDU-internen Widersacher auflaufen zu lassen, dafür, daß SPD-Ministerin Ulla Schmidt die sozialdemokratischen Vorstellungen weitgehend durchsetzen konnte. Ähnlich günstig wirkte sich aus SPD-Sicht Merkels Verhalten bei der Durchsetzung des "Antidiskriminierungsgesetzes" aus. Die scharfe Kritik an dem Gesetz aus den Reihen der Union versandete, weil die Kanzlerin keine Anstalten machte, sich in die Schlacht zu werfen und zur Sachwalterin von Anliegen des bürgerlichen Lagers zu werden.

Das neuerliche Unbehagen der Sozialdemokraten an der Kanzlerin rührt daher, daß sie die Strategie des Totlaufenlassens nunmehr auch gegen die SPD anwendet. Der rote Koalitionspartner ringt verzweifelt um sein politisches Profil. Wie soll er es schärfen, wenn Merkel als CDU-Chefin keine Reibungsflächen bietet? Die überzogenen Reaktionen auf bloße unionsinterne Gedankenspiele zur Erbschaftsteuer verfangen sich ebenso in den unscharfen Äußerungen der Kanzlerin wie zuvor die Unionskritik an Gesundheitsreform oder Antidiskriminierungsgesetz.

So geschickt der Kurs der Kanzlerin aus dem Blickwinkel ihres Machterhalts ist, so dürftig indes könnten die politischen Ergebnisse ausfallen. Wirtschaftsexperten erinnern daran, daß der unter Schröder eingeschlagene Reformprozeß nicht vollendet sei: Gesundheit, Pflege, Arbeitsmarkt, Staatsschulden, Demographie - verdeckt von der konjunkturellen Erholung träten die ungelösten strukturellen Probleme des Landes nur vorübergehend in den Hintergrund.

Es fehlt eine Kanzlerin, die die nötige inhaltliche Kampfbereitschaft aufbringt, dennoch weiter auf langfristig haltbare Lösungen zu drängen. Denn was langfristig halten soll, muß in der Regel mit kurzfristigen Einschnitten erarbeitet werden. Doch die sorgen für offenen Streit, weshalb Merkel lieber die Finger davon läßt. Fachleute warnen daher, daß wir uns einer Scheinblüte erfreuen, auf welche das um so bösere Erwachen folgen werde wegen der vielen Hausaufgaben, die derzeit liegen bleiben.

Die Bürger nehmen Merkel das offensichtlich nicht übel, denn sie hat die etwas zynische Grundregel der kurzatmigen Mediendemokratie tief verinnerlicht, die lautet: Wichtig ist nicht, was einer macht oder versäumt, wichtig ist vielmehr, wie er dabei aussieht.

Deshalb werden die beiden Monate Mai und Juni der Sommer der Angela Merkel schlechthin sein. Kaum jemand erwartet vom pompösen Gipfel der EU-Regierungschefs oder jenem der G8-Staaten in Deutschland irgendwelche tiefgreifenden Fortschritte. Es wird wieder Floskeln regnen, beim G8-Treffen wohl auch Streit geben mit Rußland. Gastgeberin Merkel wird die glanzvollen Fototermine mit den Großen der Welt und ihr in der Mitte aber zu nutzen wissen, um das zu tun, was sie inzwischen am besten kann: eine gute Figur machen.

Foto: Läßt sich feiern: Merkel mit BDI-Präsident Thumann (r.) und EU-Kommissionspräsident Barroso (l.)


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