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19.05.07 / Schmutzig und voller Haß / Zwei Jamaikaner suchen im London der Nachkriegszeit ihr Glück

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-07 vom 19. Mai 2007

Schmutzig und voller Haß
Zwei Jamaikaner suchen im London der Nachkriegszeit ihr Glück

Wie ein guter Wein, so ist die Lektüre des neuen Romans von Andrea Levy. "Eine englische Art von Glück" heißt ihre nun vierte Publikation, die in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts spielt.

Aus Sicht der beiden Jamaikaner Gilbert und Hortense sowie der beiden Engländer Bernard und Queenie werden in verschiedenen Zeitsprüngen die Beziehungen untereinander offenbart.

Hortense ist die uneheliche Tochter eines hochrangigen jamaikanischen Regierungsbeamten und wächst bei dessen Bruder auf. Obwohl eindeutig unterpriviligiert, bildet Hortense sich auf ihre Herkunft und ihre hellbraune Haut, die sich vom Schwarz der restlichen Jamaikaner absetzt, etwas ein. Sie erhält eine Lehrerinnenausbildung, doch aufgrund ihrer unehelichen Abstammung wird sie trotz guter Noten an besseren Schulen nicht eingestellt. Hortense zieht es nach England, zumal der Mann, in den sie jahrelang heimlich verliebt war, während des Zweiten Weltkrieges dorthin versetzt wurde. Ohne große Skrupel spannt Hortense ihrer besten Freundin den Verlobten aus, da er für sie eine Chance darstellt, nach England zu kommen, wo sie ihre Zukunft sieht.

"Gilbert stürzte voran, um eine Decke über das ungemachte Bett zu breiten ... ,Dies ist das Zimmer', sagte er. Alles, was ich sehen konnte, waren braune Wände. Einen Stuhl, der sein kürzeres Bein auf der Heiligen Bibel abstützte. Ein Fenster, und an einer Stange an der Wand hingen ein zerrissener Vorhang und Gilberts Anzug, der doppelreihige."

Aber nicht nur Hortense ist von England und ihrem aus ihrer Sicht primitiven Mann Gilbert schockiert, auch Gilbert kann mit der arroganten, stets lange weiße Handschuhe tragenden Landsmännin nicht viel anfangen. Dabei muß auch er feststellen, daß er mit Ende des Zweiten Weltkrieges von den Engländern nicht mehr wohlwollend, sondern als Störenfried betrachtet wird. Ihm, dem man versprach, nach seinem Dienst in der Royal Air Force ein Studium finanziert zu bekommen, bleiben trotz seiner Bildung nur Hilfstätigkeiten. "Für einen Jamaikaner ist eine Stelle als Fahrer ein großes Glück - wenn auch eine englische Art von Glück."

Die einzige Engländerin, auf die das ungleiche jamaikanische Paar setzen kann, ist seine emanzipierte Vermieterin Queenie. Doch als ihr Mann Bernard, den sie nur geheiratet hat, um nicht in der Metzgerei ihres Vaters helfen zu müssen, aus dem Krieg heimkehrt, brechen gleich mehrere Konflikte offen aus.

Die Autorin Andrea Levy, selbst jamaikanischer Herkunft, gelingt es einfach fabelhaft, die Verwunderung der beiden Jamaikaner über das für sie teilweise primitiv anmutende englische Alltagsleben und ihre Diskriminierung als Schwarze zu schildern. "Er räusperte sich und spuckte auf den Boden, ehe er den nächsten Zug nahm. Er sah jemanden, den er kannte, lächelte, winkte und rief ,Alles klar?' Im selben Augenblick wäre ich gern wieder in Jamaika gewesen. Ich sehnte mich nach meiner Heimat wie ein Betrunkener nach einem Whiskey."

Auch der Konflikt zwischen dem das alte Vorkriegsengland zurück ersehnenden Bernard und seiner selbstbewußten Frau ist brillant geschildert. Und obwohl die sprachlichen Eigenheiten der englischen Fassung verlorengegangen sind - Hortense stößt mit ihrem Shakespeare-Schulenglisch in London auf zahlreiche Verständigungsprobleme -, sind es noch die feinen Spitzen in den Beschreibungen der vier tief verletzlichen Ich-Erzähler, die "Eine englische Art von Glück" zum einmaligen Leseerlebnis machen. Rebecca Bellano

Andrea Levy: "Eine englische Art von Glück", Eichborn, Frankfurt / M. 2007, geb., 553 Seiten, 22,90 Euro, Best.-Nr. 6169


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