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19.05.07 / Jantar hatte schon mal schlechtere Zeiten / Die ehemalige Schichau-Werft in Königsberg baut seit Putin wieder eifrig Kriegs-, aber auch zivile Schiffe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-07 vom 19. Mai 2007

Jantar hatte schon mal schlechtere Zeiten
Die ehemalige Schichau-Werft in Königsberg baut seit Putin wieder eifrig Kriegs-, aber auch zivile Schiffe
von Klaus Gröbig

Wenn das Telefon auf dem Schreibtisch von Nikolaj Wolow klingelt, dann hofft er darauf, daß am anderen Ende der Leitung ein Gesprächsteilnehmer aus dem Ausland ist. Das könnte einen neuen Exportauftrag für sein Unternehmen bedeuten. Der Mann leitet die Königsberger Jantar-Werft, die bis 1990 dank großzügig sprudelnder staatlicher Kriegsschiffsaufträge keine Sorgen hatte. Später waren die Arbeitsplätze und die ganze Werft in Gefahr.

Hinter dem Namen "Jantar-Kalingrad" verbirgt sich die frühere Schichau-Werft in Königsberg, die erst 1931 als Zweigbetrieb des Elbinger Mutterbetriebes gegründet worden war und anders als der Danziger Zweigbetrieb nur geringe Bedeutung erlangte. Schichau-Königsberg baute bis Kriegsende gerade einmal sechs Minensuchboote für die Kriegsmarine.

Das änderte sich nach der deutschen Niederlage, als die Pregelmetropole, nicht aber Elbing und Danzig unter sowjetische Verwaltung geriet. Rußland war zu allen Zeiten über jeden eisfreien Hafen froh und begann am Standort Königsberg einen der wichtigsten Schiffbaustandorte der damaligen Sowjetunion aufzubauen - und das obwohl die beengten Gewässer des Hafens und die geringe Wassertiefe der Größe der zu bauenden Schiffe enge Grenzen setzten.

"In der Nachkriegsperiode", so Wolow, "baute die Werft rund 500 Schiffe und Fahrzeuge und reparierte oder modernisierte weitere 600." Schwerpunkt des Schiffsbaus waren bis 1990 mittelgroße Kriegsschiffe. Schon beim Bau der 64 Nachkriegs-Fregatten des Typs "Riga" war Jantar maßgeblich beteiligt. Der zu Beginn der 60er Jahre gebaute Nachfolgetyp "Petja" wurde insgesamt 86mal gebaut. 54 Einheiten liefen bei Jantar vom Stapel. Dieser kleine Fregattentyp war auch international erfolgreich. Es konnten 22 Schiffe exportiert werden. Größter Abnehmer war Indien mit elf "Petjas", aber auch Vietnam, Syrien und Äthiopien beschafften diese Fregatten.

Ende der 60er Jahre machte der sowjetische Kriegsschiffsbau einen qualitativen Sprung nach vorn. Waren bisher U-Boote und Raketenträger gebaut worden, um die US-Seeherrschaft zu stören, so wollte die Sowjetmarine jetzt Schiffe bauen, mit denen sie selbst in einigen Seegebieten versuchen konnte, Seeherrschaft auszuüben. Mitte der 70er Jahre tauchten die überschweren Raketenkreuzer der "Kirow"-Klasse und die neuen Flugzeugträger der "Kiew"-Klasse auf und beeindruckten die Printmedien des Westens. Hysterische Schlagzeilen der Sensationspresse waren die Folge. Die Marinestäbe des Westens waren keineswegs überrascht, waren aber handlungsunfähig, weil ihre Verteidigungsminister bei den Finanzministern auf taube Ohren stießen. Als Begleitschiffe der neuen sowjetischen Überwassereinheiten wurden zwei moderne kampfstarke Zerstörer- und eine Hochseefregattenklasse entwickelt. Einer der beiden neuen Zerstörertypen und auch der neue Fregattentyp wurde in Königsberg gebaut. Da auch noch die neuen Docklandungsschiffe von 10000 Tonnen hier entstehen sollten, standen die Zeichen in der Stadt auf Expansion.

1990 war dann alles erst einmal vorbei. Die Schiffe der Flotte wurden nicht mehr überholt, und halbfertige Neubauten rosteten auf den Werften vor sich hin. Schon halb fertig wurden Mitte der 90er Jahre auf der Jantar-Werft die beiden letzen Baunummern der "Udaloj"-Zerstörer verschrottet.

Mit der Regierungsübernahme durch Wladimir Putin endeten die Jahre des Schlendrians auch bei der russischen Marine. Steigende Öl- und Gaspreise sorgten des weiteren für eine besser gefüllte Staatskasse. Damit war es nun möglich, den Marineetat zu erhöhen. Nun sollen einige der halbfertig gebliebenen Kriegsschiffe, die noch nicht verschrottet wurden, doch noch vollendet werden. Das betrifft auch die seit 1988 im Bau befindliche Fregatte "Jaroslaw Mudryj" bei Yantar in Königsberg. Dabei ist fraglich, ob Schiffe mit einer 15 Jahre alten Technik und einem entsprechenden Design eine wesentliche Verstärkung für die Seemacht unter dem Andreaskreuz darstellen.

Dennoch sind solche Konstruktionen für Mächte wie die Volksrepublik China oder Indien, die nach einer eigenen Hochseeflotte streben, durchaus noch interessant, wie einige entsprechende Exportaufträge zeigen. So profitiert die Zandow-Werft in St. Petersburg von chinesischen Zerstörer-Aufträgen, während Jantar zwei lukrative indische Auftäge hereinholen konnte.

Drei Fregatten der "Krivak III"-Klasse wurden bis 2004 an Indien geliefert, seit 2006 sind drei weitere Fregatten von einer etwas verbesserten Ausführung mit Tarnkappeneigenschaften bei Yantar im Bau. Im Juli 2006 wurde unter großem Interesse der Medien in Indien der Vertrag unterzeichnet und im Dezember des Jahres besuchte eine indische Delegation unter Leitung des Schiffsbaudirektors Mishra Königsberg, um sich von der Planung und Vorbereitung zu überzeugen. Die Kiellegung der ersten Fregatte soll im Juni 2007 erfolgen. Der Auftrag hat ein Volumen von 1,56 Milliarden US-Dollar. Zwischen 2010 und 2011 sollen die drei Fregatten fertig sein. Warum Indien, einer der größten Empfänger deutscher Entwicklungshilfe, weiter unterstützt werden muß, obwohl das Land gleichzeitig milliardenschwere Rüstungsaufträge ins Ausland vergeben kann, mögen die deutschen Steuerzahler ihre Bundeskanzlerin fragen, Russen wie Indern kann es egal sein. Neben dem indischen Auftrag und dem Weiterbau der "Jaroslav Mudrj" baut Yantar seit 2005 ein neues Docklandungsschiff für die russische Marine, so daß der Bestand der Werft einstweilen gesichert ist.

Aber auch im Bereich der Zivilschiffahrt hat sich bei Yantar einiges getan. Bereits 1993 ging der erste ausländische Zivilauftrag ein - er kam aus der Bundesrepublik Deutschland. Bereits seit zehn Jahren kooperiert die Werft mit dem deutschen Unternehmen Abeking & Rasmussen. Dieses vermarktet die Königsberger Produkte. Aber sie baut auch von Yantar angelieferte Schiffsrümpfe fertig. Deutsche, wie die Fehn Bereederungs GmbH & Co. KG aus Leer im Emsland, und niederländische Reedereien haben bei Yantar Küsten- und Flußtransporter bestellt und nach Norwegen konnten einige Fischereifahrzeuge verkauft werden. Ein US-Millionär kreuzt gar jetzt mit einer von Yantar gebauten Yacht auf dem Meer umher. Direktor Volov berichtet, daß sein Unternehmen jährlich 50 bis 60 Handelsschiffe oder -fahrzeuge überholt. Zur besseren internationalen Präsenz besucht die Werft zahlreiche internationale Marineausstellungen, um dort für ihre Produkte zu werben. Trotz der niedrigen Löhne sind ostasiatische Billigwerften immer noch eine übermächtige Konkurrenz. Deswegen will Präsident Putin nun den Schiffsbau noch mehr als bisher subventionieren.

Foto: Zerstörer der "Udaloy"-Klasse: Eines der vielen Kriegsschiffe, die auf der Yantar-Werft vom Stapel liefen


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