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19.05.07 / Rom schließt mit Wien und Berlin den Dreibund / Vor 125 Jahren wurde das Bündnis geschmiedet, das im Ersten Weltkrieg am "heiligen Egoismus" Italiens zerbrach

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-07 vom 19. Mai 2007

Rom schließt mit Wien und Berlin den Dreibund
Vor 125 Jahren wurde das Bündnis geschmiedet, das im Ersten Weltkrieg am "heiligen Egoismus" Italiens zerbrach
von Manuel Ruoff

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, sah sich Italien vor der Qual der Wahl zwischen den Mittelmächten Deutsches Reich und Österreich-Ungarn auf der einen Seite sowie der Entente aus Frankreich, Großbritannien und Rußland auf der anderen. Die sechste Großmacht machte die Entscheidung ganz egoistisch von den eigenen Interessen abhängig. Das tun andere Staaten in einer vergleichbaren Situation auch, doch das Königreich Italien dürfte wohl der einzige Staat sein, der den Egoismus zur nationalen Staatsmaxime erhoben und als "sacro egoismo" (heiliger Egoismus) religiös überhöht hat.

Italien war im Gegensatz zum Deutschen Reich nicht saturiert. Gebietsansprüche erhob es vor allem auf österreichisches Territorium, auf die sogenannten unerlösten Gebiete um Trient und Triest. Verständlicherweise waren Österreichs Kriegsgegner eher bereit, diese Ansprüche Italiens anzuerkennen als Österreich und dessen deutscher Kriegsalliierter. Zudem war Italiens Einigung gegen Österreichs Widerstand und mit Frankreichs Unterstützung zustande gekommen. Auch versuchte Italien immer im Einvernehmen mit Großbritannien zu handeln, da es sich wegen seiner langen Küste die mit Abstand größte Seemacht der Welt nicht zum Feind machen zu können glaubte. Insofern ist Italiens Entscheidung für einen Kriegseintritt auf Seiten der Entente nachvollziehbar.

Als Italien diese Entscheidung traf, war es allerdings nicht mit Frankreich, England und Rußland, sondern mit Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich verbündet. Und dieses Bündnis, der sogenannte Dreibund, war Italien nicht etwa aufgezwungen worden, sondern vielmehr auf dessen eigene Initiative hin entstanden. Dieses scheinbare Paradox ist nur zu erklären mit der besonderen Situation Italiens vor 125 Jahren.

Nach seiner Einigung hatte Italien eine sogenannte Politik der freien Hand verfolgt. Wenn es auch glaubte, auf feste Verbündete verzichten zu können, so hatte es doch seit der Annexion des Kirchenstaates im Windschatten des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 einen festen Gegner. Der Heilige Stuhl war nicht bereit, sich mit dem Verlust seines Staates abzufinden und sann auf Restauration des Status quo ante. Gelegenheit hierzu schien eine Eskalation zu bieten. In der Nacht vom 12. auf den 13. Juli 1881 wurde der Leichenzug Papst Pius IX. von antiklerikalen Demonstranten angegriffen. Da dieser Vorfall auf italienischem Territorium geschah, machte Pius' Nachfolger Leo XIII. Italien für den Vorfall verantwortlich und international gegen den jungen Nationalstaat Stimmung. Wäre es dem Heiligen Vater gelungen, auch nur eine katholische Großmacht auf seine Seite zu ziehen, hätte es um Italien schlecht gestanden. Das Königreich war zwar selber Großmacht, aber unbestritten die kleinste.

Italien gab deshalb seine Politik der freien Hand auf und suchte nach einem Bündnis mit einer der Großmächte. Aufgrund der französischen Unterstützung bei der Einigung Italiens hätte sich Frankreich als Verbündeter angeboten, doch der westliche Nachbar hatte einem nur wenige Monate zuvor die sogenannte tunesische Ohrfeige verpaßt. Obwohl die Italiener die größte europäische Minderheit in Tunesien stellten und sie an diesem ihrer Halbinsel gegenüberliegenden Teil Afrikas interessiert waren, waren ihnen die Franzosen im Frühjahr 1881 zuvorgekommen. Entgegen anderslautender Versprechungen waren sie in das Land einmarschiert und hatten es sich unterworfen.

Italiens Blick fiel deshalb auf das Deutsche Reich. Die bilateralen Beziehungen waren unproblematisch und unbelastet. Zudem hatte man mit Preußen im Deutschen Krieg von 1866 gut und erfolgreich kooperiert. Damals war Venetien als Beute abgefallen. Das Reich war protestantisch geprägt und hatte wie Italien mit Österreich und Frankreich eine gemeinsame Grenze. Wäre es dem Vatikan gelungen, entweder Frankreich oder Österreich gegen Italien aufzuhetzen, hätte das Reich sowohl auf den einen als auch auf den anderen der beiden katholischen Nachbarn Druck ausüben können.

Der deutsche Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck stand der von Italien vorgeschlagenen Erweiterung seines Bündnissystems um eine deutsch-italienische Komponente grundsätzlich positiv gegenüber. Er war aber nicht bereit, einem Bündnis mit Italien den Zweibund mit Österreich von 1879 zu opfern, und machte deshalb den Italienern klar, daß der Weg nach Berlin über Wien führe, sprich ein deutsch-italienisches Bündnis eine italienisch-österreichische Verständigung voraussetze. Die Südeuropäer waren bereit, diesen Weg zu gehen. In Wien wurden Verhandlungen aufgenommen, die schließlich am 20. Mai 1882 zur Unterzeichnung des Dreibundvertrages zwischen Italien, Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich führten.

Italien war dadurch um ein großes Stück sicherer. Abgesehen davon, daß die eine benachbarte Großmacht nun Bündnispartner war, war auch von der anderen kein unprovozierter Angriff mehr zu befürchten, da in diesem Falle beide Bündnispartner zur Unterstützung verpflichtet waren. Darüber hinaus gingen die drei Vertragspartner die grundsätzliche Verpflichtung ein, im Falle eines Krieges mit einer Großmacht zumindest wohlwollende Neutralität zu üben.

Daß die Italiener dieser Verpflichtung im Ersten Weltkrieg nicht nachgekommen sind, haben sie außer mit der auf ihren Wunsch dem Vertrag angehängten sogenannten Mancini-Deklaration, der zufolge sich das Bündnis nicht gegen England richten dürfe, vor allem mit dem Vorwurf an ihre beiden Vertragspartner gerechtfertigt, sie vor dem Kriegsausbruch nicht konsultiert und damit gegen Artikel 1 verstoßen zu haben, der zu gegenseitiger Konsultation in politischen und wirtschaftlichen Fragen verpflichtete.


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