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02.06.07 / Millionen verplempert / Trotz Haushaltssanierung: Rechnungshof rügt Geldverschwendung in der Hauptstadt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-07 vom 02. Juni 2007

Millionen verplempert
Trotz Haushaltssanierung: Rechnungshof rügt Geldverschwendung in der Hauptstadt
von Patrick O'Brian

Die guten Haushaltszahlen und der laut Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) bald ausgeglichene Landeshaushalt der Hauptstadt machen eines vergessen: Berlin verpulvert noch immer jede Menge Geld. Eigentlich kann die Stadt sich eine unseriöse Finanzbuchhaltung gar nicht leisten, schließlich hat sie eben noch in Karlsruhe auf Bundesbeihilfen geklagt. Und doch sitzt der Euro recht locker. Zu locker, meint der Landesrechnungshof.

Im vergangenen Jahr - zu diesem Ergebnis kam die Behörde in ihrem Bericht für 2007 - wurden in Berlin mindestens 114 Millionen Euro vergeudet. Da das Gremium nach eigener Aussage nur stichprobenartig vorgehen kann, vermittelt der Bericht auch "kein vollständiges Bild der Qualität des Verwaltungshandelns". Mit anderen Worten: Die Mißstände sind unter Umständen noch viel größer.

Es beginnt mit dem Regierungsapparat an sich: Berlin leistet sich mehr Staatssekretäre als jedes andere Bundesland. Erst im Dezember kamen zwei weitere hinzu, als der neue Wowereit-Senat die Arbeit aufnahm. Berlin hat jetzt 18 Staatssekretäre. Zum Vergleich: In NRW sind es 15, in Hamburg 13, in Sachsen neun und in Bayern sechs.

Die Berliner Personalausgaben für neun Regierungsmitglieder, 18 Staatssekretäre und das ihnen zustehende Personal betragen 9,3 Millionen Euro jährlich. Die zusätzlichen zwei Staatssekretäre schlagen alleine mit 422000 Euro zu Buche, wobei die weiteren Kosten für den Dienstwagen, den Fahrer und dessen Pensionsansprüche noch nicht einmal berücksichtigt sind.

Thilo Sarrazin sagte dazu im "Tagesspiegel", man könne sich zwar darüber unterhalten, "ob Staatssekretäre nützlich sind": "Aber die meisten sind es, und als Kostenfaktor spielen sie eher eine untergeordnete Rolle."

Ein anderer Kritikpunkt des Landesrechnungshofs ist die Vielzahl öffentlicher Bibliotheken. Zu diesem Zweck haben die Autoren ihrem 205seitigen Bericht sogar eine Grafik beigefügt. Diese zeigt, wie überversorgt die Stadt mit ihren 91 öffentlichen Bücherhallen ist.

Da die meisten Innenstadtbibliotheken einen ähnlichen Bestand aufweisen, schlußfolgert der Rechnungshof, daß die Standortplanung an den Grenzen der zwölf Bezirke einfach aufhört - eine Absprache findet nicht statt. Der Rechnungshof sieht ein Einsparpotential von 15 Millionen Euro.

Verschwenderisch ist die Senatsverwaltung auch beim Anmieten von Immobilien. So wurden mehrere Grundstücke angemietet, um dann Dritten umsonst zur Nutzung überlassen zu werden, die damit Geld machen. Teilweise haben öffentliche Stiftungen die Grundstücke kostenlos erhalten und dann wieder gegen Entgelt weitervermietet. Da ist der Stadt ein Geschäft durch die Lappen gegangen.

Schon seit 2001 etwa zahlt Berlin die Miete für Büroräume und zwei Pkw-Stellplätze, welche von einer nicht näher benannten Stiftung genutzt werden. Berlin kostet das 105000 Euro im Jahr. Der Rechnungshof drängt seit geraumer Zeit, diesen Zustand abzustellen. Aber: "Dem ist die Senatsverwaltung auch nach Jahren nicht nachgekommen."

Ein anderes Thema sind die Zahlungen an die Jüdische Gemeinde. Auf zwei Seiten faßt der Rechungshof in gedrechseltem Sozialversicherungsdeutsch folgendes zusammen: Die Jüdische Gemeinde erhält Geld vom Land für die Altersversorgung ihrer Ex-Mitarbeiter. In diesem Zusammenhang hat der Senat aber jahrelang 1,2 Millionen Euro jährlich zuviel gezahlt, fürchtet nun der Rechnungshof. Jedenfalls müsse von der Gemeinde ein entsprechender Nachweis erbracht werden. Auf den wartet die Senatsverwaltung aber schon seit zwei Jahren vergeblich. Der Rechnungshof schlägt nun vor, die laufenden Zahlungen an die Gemeinde um 50 Prozent zu kürzen und später gegebenenfalls zurückzufordern. Ein brisantes Thema, über das in der Berliner Tagespresse nichts zu lesen war.

Um so größer war die Aufregung - insbesondere in der Boulevardpresse - über die Zwangsumzüge, die der Rechnungshof einfordert. Das Hartz-IV-Gesetz werde nämlich nicht mit der notwendigen Konsequenz umgesetzt (O-Ton: "erhebliche Kontrolldefizite").

2005 mußte nur eine Handvoll Berliner die Wohnung räumen, weil die Miete (die ja vom "Jobcenter" kommt) zu hoch war. 2006 wuchs diese Zahl auf 410 Haushalte, was immer noch sehr niedrig ist in einer Stadt, in der 570000 Menschen von Hartz IV leben.

Auch der Verwaltungsdschungel aus Jobcentern, der Arbeitsagentur und kommunalen Arbeitsgemeinschaften birgt unüberschaubare Kostenrisiken in sich. Die Senatsverwaltung teilt übrigens die Auffassung des Rechnungshofes, daß die von "Hartz IV" geschaffene Behördenmißgeburt "beispiellos und rechtlich bedenklich" sei.

Anders als bei den anderen Ausgaben kann das Land aber gegen diese Regelung nicht viel unternehmen - Hartz IV ist Bundesrecht.


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