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02.06.07 / Heimat der Gott-Könige / Guatemala hat sich seine Ursprünglichkeit bewahrt und entdeckt die Indianer wieder

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-07 vom 02. Juni 2007

Heimat der Gott-Könige
Guatemala hat sich seine Ursprünglichkeit bewahrt und entdeckt die Indianer wieder
von Elke Gersmann

Der Dschungel in Petén im Norden Guatemalas erwacht lautstark. Überall zirpt, zwitschert und flötet es in den Bäumen. Auch zwei Brüllaffen-Familien machen ihrem Namen alle Ehre, und ein Schwarm Papageien landet kreischend in einem der immergrünen Urwaldriesen. Über den Pyramiden von Tikal, dem "Ort an dem Geisterstimmen ertönen", geht die Sonne auf und läßt den aufsteigenden Dunst bald verdampfen. Jetzt, am frühen Morgen, ist die beste Zeit, um die mystische Atmosphäre dieser monumentalsten Stätte der Maya-Kultur zu erleben.

Erst im Jahr 1840 wurde sie wiederentdeckt, nachdem sie fast 1000 Jahre lang in Vergessenheit geraten war. Der Urwald hatte sich alles zurückgeholt und die Pyramiden und Tempel unter dichtem Grün begraben. In den 1960er Jahren wurde ein Großteil der Anlage ausgegraben und restauriert. Doch auch heute befinden sich unter vermeintlichen Hügeln noch unzählige Bauwerke, die auf ihre Freilegung warten.

Wie stumme Zeugen längst vergangener Zeiten stehen sich die beiden Tempel auf der Plaza Mayor, dem Herzstück Tikals, gegenüber: der Tempel der Masken und das Wahrzeichen der Maya-Kultur, der Große Jaguar. Hier oben haben die Gott-Könige dem Volk da unten damals ihre Macht gezeigt. Einige der Pyramiden Tikals dürfen Besucher heute noch erklimmen - allerdings sollte man dafür schwindelfrei sein und nicht unter Höhenangst leiden.

Den eindruckvollsten Blick gibt es jedoch vom Tempel IV, dessen luftige Höhen über eine angebaute Holztreppe zu erreichen sind. Unendlich scheint sich der Urwald vor dem Betrachter auszubreiten, dazwischen nur die Pyramiden als Zeugnisse der großartigen Maya-Architektur. Auch wenn die alte Maya-Kultur verschwunden ist, die Nachfahren der Mayas leben noch immer in Guatemala. Etwa 60 Prozent der rund zwölf Millionen Einwohner sind Indigénas, Ureinwohner, wie sie sich selbst auch nennen. Trotzdem werden sie in der guatemaltekischen Gesellschaft benachteiligt und ausgegrenzt. Vor allem in den ländlichen Gebieten, in den abgeschiedenen Dörfern, haben es die Menschen schwer.

Aber immer mehr Maya-Nachfahren bekennen sich wieder zu ihrer Kultur, ein neues Selbstbewußtsein entsteht, und an vielen Orten im Land vollziehen sie wieder ihre Costumbres, Rituale und Bräuche. Auch in Tikal. Einblick in die Kultur der Indigénas bekommt man im südlichen Hochland. Im Altiplano, sagt man, herrsche ewiger Frühling. Die Höhenlage zwischen 1500 und 3000 Metern sorgt das ganze Jahr über für angenehme Temperaturen.

Auf den Stufen der Kirche San Tomás, die 1540 auf einem alten Maya-Tempel erbaut worden ist, raucht es immerfort aus kleinen Altären, Frauen bieten Blumen an, die als Opfergaben verbrannt werden. In der Kirche wartet ein Schamane in einer dunklen Kammer auf Aufträge, ein anderer vollzieht ein Ritual für eine gute Ernte.

Nur 15 Kilometer von Chichicastenango entfernt befindet sich der Atitlán-See. Er ist fast unwirklich schön, und wenn sich morgens die Vulkane Tomilán, Atitlán und San Pedro in der glatten Oberfläche des Sees spiegeln, könnte man sich als Bestandteil einer Postkarte fühlen. Die Vulkane zu besteigen, erfordert Kondition und Erfahrung.

Wer die nicht hat, sollte lieber nur das Panorama genießen. Und durch die weißen Dörfer am Seeufer schlendern. Denn die Gelegenheit, einem aktiven Vulkan nahe zu kommen, gibt es nicht weit entfernt an anderer Stelle.

Gleich vier Vulkane erheben sich wenige Kilometer südlich von Guatemala Stadt. Auf der Fahrt hinauf in die Dörfer San Vicente de Pacaya und San Francisco gibt die kurvenreiche Piste den Blick frei auf perfekte Vulkankegel und die Wolke aus Rauch und Asche, die aus dem Inneren des Fuego emporsteigt. Die Hitze brennt im Gesicht, und wenn man sich umdreht, fällt der Blick auf die Hochebene, aus der sich majestätisch der erloschene Vulkan Agua erhebt.

An seinem Fuß liegt ein besonderes Kulturdenkmal aus einer anderen Zeit: Antigua Guatemala. Die wunderschön restaurierte Kolonialstadt ist eine Hinterlassenschaft der Spanier und Unesco-Weltkulturerbe. Ein lebendiges Museum, in dem Kirchen, Klöster, Plätze und Paläste zum Entdecken einladen. Verlaufen kann man sich nicht: Die Straßen sind wie ein Gitternetz angelegt. Und wer sonst bei den Hotelzimmern eher gespart hat, bettet sein müdes Haupt hier vielleicht mal ganz stilgerecht in einem der restaurierten kolonialen Palacios. Allerdings: In Guatemala ist die Kriminalitätsrate hoch. An vielen touristisch interessanten Punkten patrouilliert daher inzwischen die Touristenpolizei.

Foto: Versunkene Kultur: Stätten im Dschungel erinnern an die Maya-Kultur.


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