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09.06.07 / Alles in Butter mit Attac, Herr Geißler?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-07 vom 09. Juni 2007

"Moment mal!"
Alles in Butter mit Attac, Herr Geißler?
von Klaus Rainer Röhl

Ist Heiner Geißler Terrorist? Oder ehemaliger CDU-Generalsekretär und noch immer CDU-Mitglied? Kann man beides zugleich sein? Im Prinzip nein. Aber Heiner Geißler ist immerhin seit Mai dieses Jahres Mitglied bei Attac, einem Netzwerk, das eine Hauptrolle bei der Organisation der blutigen Massenkrawalle von Rostock, Greifswald und Heiligendamm spielte.

Was ist Attac? Zunächst einmal ein guter Titel. In allen europäischen Sprachen und in Südamerika leicht zu verstehen. Attac ist eine weltweite Bewegung mit ultralinken Initiatoren und Anhängern aus sehr unterschiedlichen Lagern. Wie bei der "Außerparlamentarischen Opposition in Deutschland" (heute 68er genannt) sind die Drahtzieher knallharte Profis, ihre Anhänger blauäugig. In Europa rekrutieren sich die Anhänger im wesentlichen aus studentischen Schwarmgeistern (Gutmenschen), in Asien und Südamerika sind es Menschen weit unter der Armutsgrenze, die von einem besseren Leben träumen. Vor 1998 gab es Hunderte von Einzelorganisationen, die sich selber Non Government Organisations (NGO) nannten. NGOs, das sind Organisationen, die nicht zu einer Regierung gehören oder ihr nahestehen. Die sehr heterogene Bewegung wurde auch unter dem mißverständlichen, vielleicht mit Absicht mißverständlichen Sammelbegriff Civil Society vorgestellt. In Deutschland wurde das als "Zivilgesellschaft" endgültig mißverstanden, von den linksliberalen Medien, ohne lange hinzusehen, als eine besonders verdienstvolle Sache dargestellt und von Bundeskanzler Schröder ausdrücklich gelobt. Man stellte sich unter Zivilgesellschaft entweder gar nichts (Gebrauch als reine Satzfüllmasse) oder etwas ähnliches wie Zivilcourage oder zivilen Ungehorsam vor. Offenbar hatten die liberalen Journalisten und auch die Redenschreiber des Bundeskanzlers nur allzu flüchtig ins Internet geschaut, so daß ihnen das Umfeld der NGOs und dessen, was sich weltweit Civil Society nannte, schlicht verborgen blieb.

Sehr unterschiedlich war und ist die Zusammensetzung dieser Bewegung, die sich bis 1998 verharmlosend Zivilgesellschaft nannte. Da waren diese unzähligen kleinen Grüppchen von NGOs. Unter einer solchen Nicht-Regierungs-Organisation konnte man damals alles verstehen: gewaltfreie Gutmenschen aus der alten Friedensbewegung, die nach dem Krieg in Afghanistan und im Irak wieder Zulauf erhielten und deren Vorbilder Gandhi und Martin Luther King sind. Aber auch mitgliederstarke sogenannte und selbsternannte Befreiungsbewegungen aus Lateinamerika und Afrika, deren Mitglieder den bewaffneten Kampf praktizieren, die mexikanische Bauernbewegung Zapata, diverse militante Rebellen unter wechselnden Namen in Südamerika, von denen der "Leuchtende Pfad" (Sendero luminoso) die blutigste Spur hinterließ, die neuen philippinischen Moslem-Guerillas, deren Spezialität die Entführung von Ausländern zum Zwecke der Beschaffung großer Geldsummen ist, ebenso wie die gewaltlose, aber sehr mitgliederstarke chinesische Massensekte Falun Gong.

1998 gründeten Mitglieder solcher Gruppen in Paris einen Verein mit dem etwas harmlos klingenden Titel "Association pour une Taxation des Transactions Financieres pour l'aide aux Citoyens (= Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürger)". Die Abkürzung ist deutlicher: Attac. Nach eigenen Angaben hat Attac weltweit in 50 Ländern rund 90000 Mitglieder. Attac steht für Attacke = Angriff. Wen will Attac angreifen? Eigentlich alle. Vor allem aber den "übermächtigen internationalen Banken" will Attac als ebenfalls globale Gegen-Bewegung an die Gurgel. Was will Attac? Die weltweite soziale Ungleichheit beseitigen. Als Mittel dazu empfehlen ihre Mitglieder die Entschuldung der Entwicklungsländer, die in den letzten 40 Jahren riesige Milliardenbeträge von den westlichen Nationen als Kredite erhalten haben, die aber selten effizient genutzt wurden und zum großen Teil in den Taschen der Machthaber dieser Länder verschwanden, während die wirtschaftliche Lage der Staaten immer schlechter wurde und das Elend seiner Bewohner sich bis heute steigerte. Die Rückzahlung dieser vielen Milliarden-Kredite soll der Westen den armen Ländern schlicht erlassen, fordert Attac. Natürlich kann niemand die Schulden erlassen, kein Staat und keine Bank. Das wissen die Demonstranten natürlich auch. Jeder wäre bei so einem Aderlaß pleite. Deshalb argumentiert Attac heute differenzierter. Und fordert eine weltweite Devisen-Umsatzsteuer zur Abschöpfung der Globalisierungs-Gewinne - praktisch also das Ende des Börsenhandels, der ja den Handel der globalisierten Welt organisiert. Wie es ohne den Treibsatz Eigennutz und Gewinn geht, hatte die Ostblock-Wirtschafts-Gemeinschaft COMECON jahrelang Zeit zu beweisen. Das Ergebnis war Konkurs. Mit Konkursverschleppung. Über 35 Jahre.

So werden die Schulden der von ihren Diktatoren ausgesaugten Länder fast nie erlassen, es sei denn sie sind bereits im Konkurs. Und die afrikanischen oder südamerikanischen Machthaber bringen weiter einen Löwenanteil der Kredite auf ihre Konten in der Schweiz, und Attac wird weiter bei jeder weltweiten Zusammenkunft der Wirtschaft und Politik seine Forderungen erheben, unterstützt von hunderttausend friedfertigen jungen Demonstranten - und 1000 Radikalen.

Wenn irgendwo eine Weltwirtschaftskonferenz stattfindet oder die Großen Acht tagen, sind die durch Internet mobilisierten Anhänger von Attac dabei. Eine Übermacht junger gutaussehender Männer und Frauen. Gut gelaunt, bunt in Hautfarbe und Kleidung, ketten sie sich an Brückengeländer, werfen sich vor Autokolonnen, klettern auf Kirchtürme und Hochhäuser und halten ihre farbigen Transparente in vielen Sprachen hoch, kleine Kunstwerke oft, tanzen zu Musik, von exotischen Instrumenten gespielt, kamerawirksam und einprägsam wie Greenpeace. Ist das Interesse der Kameraleute und Fotografen nach ihrer Ansicht einmal nicht ausreichend groß, versuchen sie in die Veranstaltungsräume zu gelangen, zu den abgeschirmten Politikern und Wirtschaftsbossen durchzustoßen und dabei - das ist der Unterschied zu Greenpeace - greifen sie schon mal die Polizei an, hauen auch schon mal was in Klump (Gewalt gegen Sachen!). Die Polizei greift ein. Auf diesen Augenblick haben die schwarzvermummten ,,Autonomen" nur gewartet, der schwarze Block tritt in Aktion, der selbsternannte "Saalschutz" der Demonstration, die SS der Bewegung. Attac hat die schwarze Garde nicht geholt, kann sich aber auf ihr Eingreifen verlassen. Von 35000 Demonstranten in Rostock waren es gerade mal 1000, das genügte. Die sportlich trainierten "Fighter" aus Deutschland sind immer dabei. Sie wissen auch, was zu tun ist, wenn die Polizei, manchmal zusammen mit den kirchlichen Veranstaltern, eine "Deeskalation" versucht, also bemüht ist, die "Demonstranten mit Lautsprechern vollzulabern" und den Aufruhr in eine bloße "Latschdemo" (= Demonstration ohne Gewalt) zu verwandeln. Dann helfen die schwarzen Kolonnen ein bißchen nach, und das klappt immer. Feuer unterm Arsch verkürzt den langen Marsch. Brandbomben, gefüllt mit Benzin und Brandbeschleunigern, zärtlich Mollys (Molotow Cocktails) genannt, fliegen im Massenwurf wie einst in Frankfurt 1976, Müllcontainer, Steine, Holzbalken werden zu Wurfgeschossen oder Rammböcken, Autos werden umgestoßen, in Brand gesetzt, Barrikaden gebaut, die Polizei greift massiv ein. Die Autonomen tauchen in diesem Augenblick ab! Die Polizei kämpft also jetzt gegen friedliche Demonstranten, setzt Wasserwerfer ein, Gummiknüppel, es fließt Blut - in diesem Augenblick, keine Minute früher, fangen die Kamera-Leute aus aller Welt an zu filmen, gehen bei allen Filmkameras die roten On-Lämpchen an, die Blitzlichter der Fotografen wetterleuchten. Der Fernsehzuschauer am Abend sieht weltweit, von Paris bis Peking, Polizisten auf junge Zivilisten einschlagen, sogar auf hübsche junge Frauen. Wenn der Kameramann Glück hat, kommen Kinder mit ins Bild, schreiende, blutüberströmte Mütter. Diese Aufnahmen kann er später "exklusiv" verkaufen, blutende Demonstranten hat ja jeder seiner Kollegen im Kasten. Gegenöffentlichkeit nennt man das bei Attac. Aufmerksamkeit herstellen. Notfalls mit Gewalt.

In Deutschland sind die größte deutsche Einzelgewerkschaft ver.di und Attac seit April 2004 enger zusammengerückt. Attac darf schon seit langer Zeit seine Veranstaltungen in Gewerkschaftsräumen abhalten, und beim ersten "Perspektiv-Kongreß" in Berlin wollten beide Organisationen ein Bündnis mit Sozialverbänden, anderen Gewerkschaften, kirchlichen Gruppen sowie Personen aus der Frauen-, Umwelt- und Friedensbewegung schmieden. Doch die Veranstaltung fand kein Presse-Echo: Kein Krawall, keine Zusammenstöße, keine Verletzten oder gar Tote = keine Meldung. Attac funktioniert immer nur gegen etwas. Beim nächsten Weltwirtschaftsgipfel werde man mehr von Attac hören, schwor man sich. Gesagt, getan.

Interessant wäre zu hören, was Heiner Geißler zu den Vorfällen von Rostock und Heiligendamm sagt. War ihm nicht bewußt, was Attac beabsichtigt? War er ahnungslos in eine Falle geschliddert, als er der deutschen Sektion von Attac beitrat? Das würden wir gerne von ihm selbst hören und auch, was seine Parteichefin dazu zu sagen hat. Maulkorb für Hohmann, aber Narrenfreiheit für Geißler?

Letzte Meldung: Attac erklärt, sie wolle die Gewalttätigen nicht mehr in ihren Reihen dulden.

Foto: G8-Gipfel-Gegner reisen an: Die meisten von ihnen sind friedlich, aber eben nicht alle.


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