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09.06.07 / Wie kamen die Juwelen in die Schweiz? / In Schloß Paretz bei Potsdam kann jetzt ein Paar juwelenbesetzter Ohrringe der Königin Luise bestaunt werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-07 vom 09. Juni 2007

Wie kamen die Juwelen in die Schweiz?
In Schloß Paretz bei Potsdam kann jetzt ein Paar juwelenbesetzter Ohrringe der Königin Luise bestaunt werden
von Heinrich Lange

Im Schloß Paretz bei Potsdam, der einstigen Sommerresidenz des preußischen Königspaares vor der Flucht vor Napoleon nach Ostpreußen 1806, ist "als neue Attraktion ein Paar juwelenbesetzter Ohrringe" aus dem ehemaligen Besitz der Königin Luise zu bewundern. Der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) ist der Ohrschmuck im September 2006 aus Privatbesitz vermacht worden. Die dreiteiligen Ohrgehänge bestehen aus je einem Zierknopf in Form einer Diamantrose, einem schleifenähnlich angelegten Mittelstück aus teilweise vergoldetem Silberfiligran, besetzt mit Diamantsplittern, und einem tropfenförmigen, von Diamantrosen eingefaßten Aquamarin, einem meerblauen Edelstein, der nach alter Überlieferung eine glückliche Heirat sowie Vertiefung von Liebe und Treue in der Ehe versprach.

Die Diamanten stammen wahrscheinlich noch aus dem Nachlaß der Königin Elisabeth Christine, der Gemahlin Friedrichs des Großen. König Friedrich Wilhelm II. hatte die in ihrem Privatbesitz befindlichen Edelsteine nach dem Vermächtnis und Tod seiner Tante 1797 erhalten. Im "Nachlaß der Königin Luise an Perlen und Juwelen, der nicht an den Kronschatz fällt", sind unter anderem aufgeführt: "1 großes Collier von 6 Aquamarinen mit Brillanten und einem Aquamarin mit Brillanten als Medaillon daran hängend ... 4000 Rthlr." und eben das "Paar Girandole Ohrringe von Brillanten und Aquamarinen ... 1200 Rthlr."

Vom einstigen Juwelenschatz des Krontresors - seit 1888 Königlicher Hausschatz - ist nur noch wenig vorhanden. Schon in der Zeit der Befreiungskriege gegen Napoleon kam es zu Einschmelzungen von Gold- und Silberinventar. Der Krontresor, der damals zugleich der Staatsschatz war, wurde bei der Flucht der königlichen Familie, des Hofstaats und der Regierung nach Königsberg und Memel in den äußersten Nordosten Preußens mitgenommen. Wegen der Not des Vaterlandes und der ungeheuren Anforderungen an die Finanzkräfte des Staates - nicht zuletzt zur Deckung der Kriegskontributionen an Frankreich - beabsichtigte Friedrich Wilhelm III., 1809 auch die Kronjuwelen zu verkaufen. Die Edelsteine wurden zur Taxierung an die Preußische Seehandlung in Berlin gesandt. Nur der Umstand, daß ihr Wert in diesen Notzeiten auf etwa ein Viertel des früher geschätzten gefallen war, hat den Verkauf verhindert.

Während Königin Luise vor dem Kriegsausbruch 1806 bei höfischen Festlichkeiten in funkelndem Brillantenschmuck in Erscheinung trat, trug sie bei ihrem - sich in diesem Jahr zum 200. Mal jährenden - "Bittgang" am 6. Juli 1807 zu Napoleon in Tilsit, wo sie vergeb-lich versuchte, den französischen Kaiser zu milderen Friedensbedingungen für Preußen zu bewegen, nicht die brillantenbesetzten Aquamarin-Ohrgehänge. Ihre Hofdame Lysinka Gräfin Tauentzien schreibt: "Die Königin trug einen weißen Crêpe mit Silber gestickt, ihren Perlenschmuck und ein Diadem von Perlen im Haar."

Anläßlich der nunmehrigen Schenkung des Ohrschmucks wurde darauf verwiesen, daß er noch 1913 zum Hausschatz zählte. Dies bezieht sich auf Paul Seidels Abhandlung "Die Insignien und Juwelen der Preußischen Krone" im Hohenzollern-Jahrbuch jenes Jahres, in der die Ohrgehänge und weiterer Aquamarinschmuck verzeichnet und abgebildet sind. Hier schreibt der Direktor des Hohenzollern-Museums im Schloß Monbijou: "Kollier, Broschen und Ohrgehänge aus Aquamarin mit Brillanten, wahrscheinlich aus dem Besitze der Königin Luise stammend" und: "Besondere Vorliebe scheint Königin Luise für Amethyst- und Aquamarinschmuck gehabt zu haben, und stammt ein heute beim Kronschatz befindlicher Aquamarinschmuck nach der Tradition von ihr her." Die Ohrgehänge stammen aber sicher aus dem Besitz der Königin, da sie ihre Initialen tragen. "Danach verliert sich die Spur", so der Berliner "Tagesspiegel" in seiner Neujahrsausgabe 2007: "Es bleibt rätselhaft, wie die Ohrringe zur Auktion gelangt waren." Ein Berliner Bauunternehmer hatte sie 1993 bei Christie's in der Schweiz für etwa 15000 Franken ersteigert und seiner Frau geschenkt. Diese erfüllte nach dem Tod ihres Mannes seinen letzten Willen und übergab sie im Schloß Paretz. Auch die Schlösserstiftung selbst bemerkt zu den Ohrgehängen: "Auf welchen Wegen sie schließlich 1993 in der Schweiz zur Auktion gelangten, ist ungeklärt." Da kann nun der Verfasser dieser Zeilen ein wenig weiterhelfen.

Die Akte "Verzeichnis des Kronschmucks" der Generalverwaltung des vormals regierenden Preußischen Königshauses im Geheimen Staatsarchiv Berlin enthält ein "Im März 1936 neuaufgestelltes Verzeichnis des Kronschatzes". Angefertigt und am 1. April 1936 unterzeichnet hat es Exzellenz Major

a. D. Louis Müldner von Mülnheim, der Persönliche Referent der Generalverwaltung, Kabinettchef und Chef der Hofverwaltung Seiner Kaiserlichen Hoheit des Kronprinzen. "Sein besonderes Arbeitsgebiet umfaßt", heißt es in einem Dokument, "die persönlichen Angelegenheiten der Mitglieder des Königlichen Hauses, die Verwaltung und das Inventar der Schlösser, den Kronschmuck und die Kunstwerte." Sitz der Generalverwaltung war das Palais Kaiser Wilhelms I. Unter den Linden in Berlin, in dessen Tresor der Kronschatz gesichert war. Wie nun aus dem genannten maschinenschriftlichen Verzeichnis des Kronschatzes von 1936 durch handschriftliche Eintragungen hervorgeht, wurden die "2 Ohrgehänge mit Aquamarin und Brillanten" und weiterer Aquamarinschmuck, aber auch etwa die bis heute verschollene sogenannte Prinzessinnen-Krone, am 20. März 1943 "zur Aufbewahrung auf Burg Hohenzollern entnommen". Die Spuren des Juwelenschmucks verlieren sich allerdings im Dunkeln.

Die 1993 in der Schweiz aufgetauchten Ohrgehänge der Königin Luise sind aber ein Hinweis auf das Schicksal und den Verbleib dieser Kostbarkeiten. Nach den Akten und den Recherchen des Verfassers ist es kein Geheimnis mehr, daß der letzte, 1951 verstorbene Kronprinz Wilhelm von Preußen im und nach dem Zweiten Weltkrieg Teile des Hausschatzes, darunter sogar den Juwelenbesatz der Königskrone seines Vaters nach der Rückgabe der Insignie durch die britische Besatzungsmacht 1948, in die Schweiz verkauft hat. Nun heißt es allerdings zumindest zu den Eigentumsverhältnissen der Ohrgehänge und anderen Schmucks im Nachlaßverzeichnis der Königin Luise von 1810: "Diese Stücke wurden am 25. März 1811 von den zu Regulirung des Nachlasses der höchstseeligen Königin Louise Majestät Allerhöchst beauftragten Commissarien, auf Allerhöchsten mündlichen Befehl, an die unterzeichneten Tresoriers abgeliefert, um selbige beim Kronschatz aufzubewahren, sollen aber keineswegs als zum Kron und Hausschatz gehörig angesehen, sondern dergestalt notirt werden, daß Seine Majestät der König zu jeder Zeit nach Wohlgefallen darüber disponiren, schalten und walten können, weil diese Stücke Privat Eigenthum Seiner Majestät des Königs sind."

In der Akte "Schriftwechsel und Verzeichnisse der verlagerten Gegenstände" findet sich ein Schreiben der Fürstlichen Hofkammer in Bückeburg bei Minden an die Generalverwaltung in Berlin vom 23. Februar 1945, in dem bestätigt wird, daß Freiherr von Plettenberg unter anderem ein "Kouvert" übergeben hat, das "eine Niederschrift, zwei Verzeichnisse, ein(en) Schlüssel (und) eine Skizze über die auf der Burg Hohenzollern untergebrachten Kronjuwelen" enthielt. Major d. R. Kurt Freiherr von Plettenberg war der Hofkammerpräsident der Verwaltung des vormals regierenden Fürstlich Schaumburg-Lippeschen Hauses in Bückeburg und seit 1942 der Generalbevollmächtigte und Leiter der Generalverwaltung des vormaligen Königshauses in Berlin. Nach seiner Verhaftung im März 1945 wählte der Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 den Freitod, um nicht unter der Folter die Namen ihm bekannter Mitverschworener preiszugeben. Der Inhalt dieses Couverts, das "im Kautionsschrank des Sitzungszimmers unter Doppelverschluß untergebracht" wurde und dessen Verbleib dem Verfasser nicht bekannt ist, könnte zur weiteren Aufklärung der im Zweiten Weltkrieg von Berlin auf die Hohenzollern-Burg ausgelagerten Preußenschätze beitragen.

Foto: Erlesene Kostbarkeit: Ohrgehänge der Königin Luise


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