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09.06.07 / Freiwillig in die moderne Sklaverei / Dubai: Hunderttausende Asiaten bauen den Arabern eine glitzernde Luxuswelt mitten in die Wüste

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-07 vom 09. Juni 2007

Freiwillig in die moderne Sklaverei
Dubai: Hunderttausende Asiaten bauen den Arabern eine glitzernde Luxuswelt mitten in die Wüste
von Rebecca Bellano

Es ist eine Art moderne Sklaverei." Der 38jährige Sushil zeigt während der Autofahrt immer wieder auf die Horden von Indern und Pakistanern, die in der gleißenden Sonne Dubais Straßen und Häuser bauen. Sushil hat heute, am Sonntag, seinen freien Tag im Hotel. An diesem Tag arbeitet der Küchengehilfe immer als Taxifahrer - illegal versteht sich. Engagiert beklagt der Inder und Vater zweier in seiner Heimat bei ihrer Mutter aufwachsenden Kinder das Schicksal "seiner Leute" (Inder, Pakistani, Bangladeshi), die inzwischen 50 Prozent der 1,4 Millionen Einwohner Dubais stellen. Nur wer einen Arbeitsvertrag hat, bekommt ein Visum, um ins für sie geheiligte Land einreisen zu dürfen. Von da an beginnt die Sklavenarbeit. Unfälle sind an der Tagesordnung, doch da Dubai das Armenhaus Asiens fast vor der Tür hat, gibt es genügend Arbeitswillige. Ihnen steht schwerste körperliche Arbeit für umgerechnet 300 Euro im Monat bevor. Unterkunft wird zwar meistens gestellt, aber die liegt im Komfort - je nach Arbeitgeber und Tätigkeitsfeld - irgendwo zwischen Rattenloch und schlichtem Studentenwohnheim.

Da geht es der 30jährigen Aian schon besser. Die junge Inderin arbeitet im Spa-Bereich einer Fünf-Sterne-Hotel-Kette als Masseurin. Ihr Arbeitsplatz ist klimatisiert und das Essen in der Kantine für die 700 Hotelangestellten sogar nach ihrem asiatischen Geschmack. Doch ihre Wohnsituation ist, obwohl sauber und erst vor drei Jahren erbaut, nicht optimal: Sie teilt sich ein Zimmer mit einer Äthiopierin in einer Sechser-Wohn-Gemeinschaft. Streit zwischen den sechs jungen Frauen aus den verschiedenen Kulturkreisen ist an der Tagesordnung. Da das Wohngelände, das nur für die Mitarbeiter der drei in Dubai ansässigen Hotels dieser Kette ist, 25 Kilometer außerhalb der Stadt liegt, gibt es auch kaum Ausweichmöglichkeiten. Immerhin gibt es einen kleinen Supermarkt, ein Bistro und ein Internetcafé für die Bewohner des Sahari Village, doch hier, mitten in der Wüste, schwebt trotz hübscher Buxbäume im Garten über allem Lageratmosphäre. Zwar fahren jede Stunde Busse zu den Hotels, doch die sind nur für die Fahrt zu Arbeit. Die illegalen Taxis, die sich hier raus quälen, nehmen für eine Fahrt bis zu 50 Dirham - bei 2000 Dirham (400 Euro) Monatslohn und Preisen wie in Deutschland, überlegt man sich das gründlich.

Farhad, seit vier Jahren in Dubai, profitiert von den Hotel-Mitarbeitern, hier im Umland gibt es nicht so häufig Fahrzeugkontrollen, und so nutzt er ebenfalls seinen freien Tag zum Taxifahren. Der 28jährige Afghane will weiter nach Europa. Im Juli hat er genug gespart, da geht es in die Türkei und von da aus nach Griechenland, da kennt er jemanden - alles illegal versteht sich. Farhad will mal eine Familie gründen, doch in Dubai geht das nicht. Nur knapp 300000 der 1,4 Millionen Einwohner sind Frauen, die meisten davon gehören zu den "locals", den 20 Prozent Einheimischen. Die anderen sind Gastarbeiterinnen und auch nur auf begrenzte Zeit da. Nach Afghanistan will er nicht. "Ich wurde geboren, als in Afghanistan Krieg war, jetzt ist immer noch Krieg. An Frieden in meiner Heimat glaube ich inzwischen nicht mehr", meint er desillusioniert, während er sich durch die überfüllten Straßen der Stadt kämpft. Öffentliche Verkehrsmittel gibt es kaum, daher bewegen sich die "locals" und die fünf Millionen Touristen, die jährlich Dubai besuchen, nur mit Auto beziehungsweise Taxi fort. Die wenigen öffentlichen Buslinien befahren nur die Gastarbeiter. Zu Fuß geht bei der Hitze kaum jemand, daher ist Stau auf den Straßen an der Tagesordnung. Um das zu ändern wird jetzt eine U-Bahn gebaut. 9000 Inder und Pakistani sind allein an diesem Projekt beteiligt, das 2009 fertig sein soll. Doch 9000 Bauarbeiter sind in Dubai nichts.

In der Stadt in der Mitte der Welt helfen hunderttausende Asiaten die gigantischen Bauvorhaben der arabischen Öl-Millionäre aus dem Boden zu stampfen. Das weltgrößte Hotel, das weltgrößte Einkaufszentrum, das weltgrößte Vergnügungszentrum und das weltgrößte Hochhaus sind hier im Bau - und sie sind dabei nur vier von unzähligen gigantischen Bauprojekten. Wer eines Tages in den vielen Hotels und den freien, sündhaft teuren Wohnungen leben wird, ist noch ungewiß, aber daran denkt in der Euphorie derzeit keiner. Alle bauen und da will keiner das Nachsehen haben. Außerdem ist Geld da, denn nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zogen arabische Investoren geschätzte 70 Milliarden Euro aus dem Westen ab und parkten sie in Dubai. Reiche Iraner retten ihr Vermögen in das sichere Dubai, Russen waschen Schwarzgeld mit Immobilien, europäische, asiatische und amerikanische Firmen investieren in Großprojekte.

So viel Gigantismus und so viel Moderne in der Architektur ist unheimlich. Doch die "locals" - knapp 50000 von den 250000 einheimischen Arabern gelten als Dollar-Millionäre - scheint das nicht zu ängstigen. Die Frauen gehen mit Gucci-Tasche und von Kopf bis Fuß in ihre schwarze Designer-Abaja gehüllt durch die klimatisierten Einkaufspaläste, kaufen Dessous, zu Preisen, die uns Deutschen die Tränen in die Augen treiben, und lächeln kokett an den vielen westlichen Touristen vorbei. Für die meisten dieser Frauen ist die Abaja Statussymbol. Sie gehören zu dem privilegierten Teil der Einheimischen. Nur ihnen zahlt der Scheich Bildung, Familiengründung und Gesundheitsversorgung.

Deswegen ist Martina auch in Deutschland privat krankenversichert, denn auch ihr Arbeitgeber ist gegenüber der Deutschen nicht freigiebig. Doch das stört die 46jährige nicht. Sie hat sich in Dubai verliebt und will nicht wieder weg - trotz der feuchten Hitze von über 40 Grad im Sommer. Nah ja, manchmal haßt die Operation-Managerin bei einem Wüsten-Safari-Veranstalter Dubai auch. "Was, der Jeep hat sich überschlagen? Gibt es Verletzte", fragt sie entsetzt ins Handy. Nein, die Touristen seien unverletzt, nur die Fahrerlaubnis des pakistanischen Fahrers sei abgelaufen und wenn das die Polizei raus bekäme, würde er ausgewiesen und die Firma müßte Strafe zahlen. Jemand anders soll an seiner statt angeben, gefahren zu sein, bestimmt Martina.

Atheer, gebürtiger Iraker, fährt seit sieben Jahren Touristen durch die Wüste, doch der redegewandte junge Mann denkt nicht im Traum daran, Fehler seiner Kollegen auszubügeln. Er haßt mangelnde Organisation, deswegen wird er auch total grantig, als seine Kollegen ihn erst zum falschen Hotel schicken und er zu spät die Gäste in Empfang nimmt. Wenn er doch in Deutschland wäre, da gebe es derartigen Pfusch nicht, so der arabische Optimist.

Von diesem Vorurteil profitiert Markus. Den Oberfranken, Konditor von Beruf, hat es nach Dubai verschlagen. Doch auch wenn man seine deutsche Wertarbeit schätzt, will man ihm hier nicht den gewünschten Lohn zahlen. Gehaltsmäßig geht es in Dubai auch für Europäer nicht üppig zu. 1200 Euro bei Kost und Logis bei vollem Streß in einem Fünf-Sterne-Hotel sind für den 34jährigen keine Option. Also geht es gleich weiter nach Manila, wo die Konditionen besser sind.

Assif fährt ihn zum Flughafen. Doch der sonst redewillige Pakistaner ist schlecht gelaunt. Kurz zuvor hat einer der Stammgäste des illegalen Taxifahrers eine Geschäftsidee von ihm abgetan. Er hatte der Polin vorgeschlagen Scheinehen mit ihm zu arrangieren. 50/50 wollte er mit ihr teilen. Er besorgt die Inder, sie die Polinnen.

Während Markus den Flughafen betritt, um Dubai zu verlassen, versammeln sich rund 20 Mitarbeiter eines US-Pharmakonzerns vor dem Terminal. Gleich werden sie abgeholt, um im Hyatt mit weiteren Mitarbeitern ihres Unternehmens ein Seminar abzuhalten. Ihre Kollegen haben sie jedoch nie gesehen, denn sie stammen aus allen Teilen der Welt. Da Dubai in der Mitte der Welt liegt, ist die aufstrebende Stadt der ideale Veranstaltungsort für ein global agierendes Unternehmen. Abgeholt werden die Amerikaner vom Fahrer Umar, der wehmütig einem Flugzeug hinterherschaut. Er hat seinen Jahresurlaub erst im August - dann fliegt er heim zu seiner Familie.

Foto: Einmal über den Creek: Hauptsächlich Inder und Pakistani nutzen die Wasser-Taxis, um zur Arbeit zu kommen.


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