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16.06.07 / An die Arbeit / Sarkozy führt Frankreich aus der Stagnation

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-07 vom 16. Juni 2007

An die Arbeit
Sarkozy führt Frankreich aus der Stagnation
von Jean-Paul Picaper

Als Heinrich von Pierer sich vor einigen Jahren anmaßte, den französischen Alstom-Konzern für Siemens kassieren zu wollen, zeigte der damalige Finanz- und Wirtschaftsminister Nicolas Sarkozy die Zähne. Hinter seinem Schreibtisch stellte er symbolisch und provokativ auf dem Kamin eine Modelleisenbahn, den französischen Schnellzug TGV, auf, und verhinderte die Übernahme dieses Juwels französischer Technologie durch den Deutschen. Pierer mußte sich mit dem Kauf der Turbinensparte zufriedenstellen. Brüssel hätte ohnehin verhindert, daß Siemens seine Herrschaft vom ICE auf den TGV erweitert, aber Sarkozy wurde während seines Wahlkampfes nicht müde, immer wieder auf diese patriotische Glanzleistung seiner Zeit als Minister hinzuweisen.

Auch ein Politiker muß Fortune haben. Staatspräsident Sarkozy war kaum im Amt, da bewiesen die Deutsche Bahn (DB) und die französische Staatsbahn SNCF, daß ungeachtet aller Querelen der deutsch-französische Motor läuft. Vom 10. Juni an wird die DB Paris und Frankfurt und die SNCF Paris und Stuttgart verbinden und vom Dezember an werden diese Verbindungen auf München erweitert. Dabei haben beide Zugtypen ein unterschiedliches Profil: Der TGV setzt auf Geschwindigkeit, der ICE auf Komfort, was aber nicht heißt, daß der ICE langsam und der TGV unbequem wäre. So ergänzen sich beide Stile, französischer Käse auf deutschem Brot. Die Trikolore hängt jetzt im Frankfurter Hauptbahnhof und Schwarz-Rot-Gold in Paris.

Das hat die Wellen geglättet, die während des Wahlkampfes Sarkozys Anspruch auf eine französische Mehrheit beziehungsweise auf den Alleinvorsitz im gemeinsamen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS geschlagen hatte. Und siehe da: Der flügellahm gesagte Airbus macht wieder Kasse. Qatar zeichnet zum Preis von 11,9 Milliarden Euro 80 Exemplare der verbesserten Version vom A 350 XWB. Es geht wieder aufwärts, was die Suche nach einer Lösung für EADS erleichtern wird. Zu diesem Zweck hat Sarkozy, Frau Merkel nach Toulouse eingeladen.

Sarkozy wird Sektoren wie Kernenergie, Luftfahrt, Telekommunikation, Eisenbahn, Landwirtschaft, Medizin und Dienstleistungen vorantreiben, wo Frankreich sich seiner Überlegenheit sicher sei, während die deutsche Industrie mit Rekordexporten auftrumpft, die die Franzosen vor Neid erblassen lassen. Die industrielle Basis Frankreichs ist nicht so breit. So setzt das Land auf Exzellenz in einigen Spitzensektoren, die der Staat wie seinen Augapfel bewacht. Daher divergieren die deutschen und die französischen Wirtschaftslehren. Frankreich betreibt schon lange keine Staatswirtschaft mehr, wie es nach dem Krieg der Fall war und wonach sich die Linken noch sehnen. Stark ausgeprägt ist aber beim wirtschaftsliberalen Sarkozy der Hang zur staatlichen Lenkung, ja sogar zur Preisbindung zwecks Erhaltung des Lebensstandards, während die deutschen Ordoliberalen den Staatsdirigismus als Sünde betrachten. Dabei will Sarkozys Regierung die Mittel- und Kleinbetriebe unterstützen, die wie in Deutschland über drei Viertel der Arbeitsplätze beschaffen.

Er ist aber auch mit der Geldelite befreundet. Zwei Bilder aus seinem Leben zeigen es. 1982 heiratete er als einfaches Gemeinderatsmitglied von Neuilly zum ersten Mal. Seine Trauzeugen waren sein Mentor Charles Pasqua und sein rechter Arm Brice Hortefeux. Eine politische Hochzeit! 1996 heiratete er zum zweiten Mal als bekannter Geschäftsanwalt und ehemaliger Haushaltsminister. Die Trauzeugen waren Martin Bouygues und Bernard Arnault, zwei Großindustrielle. Den Kurzurlaub nach seiner Wahl verbrachte er auf der Yacht des Großindustriellen Vincent Bolloré. Das hatte seine Frau Cecilia eingefädelt. Sarkozy wird die Interessen der französischen Industrie, aber auch der französischen Bürger bestimmt verteidigen. Freilich auch zur Not gegen Brüssel, spätestens, wenn er sich wie versprochen weigert, die Mehrwertsteuer für die Gastwirte auf europäisches Niveau zu heben und französische Landwirte nicht weniger nachdrücklich als sein Vorgänger verteidigt. Aber er wird auch europäische Interessen verteidigen, wenn er eine europäische Wirtschaftsregierung zu bilden versucht, die aus dem derzeit überbewerteten Euro einen Exportfaktor macht. Sicherlich hält er sich an das seit Adenauers Zeiten gültige Credo, daß die soziale Marktwirtschaft Europas Anker sei.

Sarko hält sich an "la préférence européenne", was heißt, daß europäische Produkte bevorzugt werden sollen und daß Nationen, die Währungs-, Steuer- und Sozialdumping machen, durch die europäische Außengrenze kaum durchkommen werden. Da braut sich Konfliktstoff mit Brüssel und mit den Radikalglobalisierern in Europa zusammen. Seiner Ankündigung folgend, daß er auch das tut, was er sagte, macht er sich mit seinem Team, an der Spitze Regierungschef François Fillon, in Eilschritten an die Arbeit. Unvorstellbar, was diese Regierung kurz nach der Präsidentenwahl und vor den Parlamentswahlen in die Wege geleitet hat. Augenblicklich kümmert sich dort niemand um die Haushaltsdefizite. Es wird "keynesianisch" angekurbelt. Die Steuerfreiheit für Überstunden wird auf die leitenden Angestellten und auf die Zeitarbeiter, die Steuerentlastung der Baukredite auf Altverträge erweitert. Sarkozy meint: Arbeit wie Reichtum kann man kaum teilen. Nur mehr Reichtum und mehr Kaufkraft schaffen Wachstum, mehr Arbeitsstunden schaffen neue Arbeitsplätze. Das steht in krassem Gegensatz zur vorherrschenden linken Ideologie.

Sarko eröffnet bereits die großen Baustellen der neuen Ära. Nichts geschieht ohne Konsultation mit den Sozialpartnern, insbesondere den Gewerkschaften. Fillons Rentenreform, die die Renten bis 2020 sicher gemacht hat, muß vervollständigt werden. Die Zuwanderung wird im Herbst durch ein neues Gesetz eingedämmt. Die Jugend aus den schwierigen Vierteln wird in den Lern- und Arbeitsprozeß integriert. Um diejenigen, die straffällig werden, kümmert sich Rachida Dati, die Justizministerin maghrebinischer Abstammung. Schulen und Hochschulen werden um Bestergebnisse wetteifern. "Ich will die Schlacht der Klugheit gewinnen", äußerte Premierminister Fillon kürzlich. Insgesamt gerät das gelähmte Frankreich wieder in Bewegung. Die Franzosen gehen wieder an die Arbeit.

Foto: Sarkozy geht voran: Nach dem Sieg bei den Parlamentswahlen werden ihm Reformen leichter fallen.


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