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16.06.07 / Ein Leben im Einklang mit der Natur / Der Dichter Ernst Wiechert und die preußischen Tugenden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-07 vom 16. Juni 2007

Ein Leben im Einklang mit der Natur
Der Dichter Ernst Wiechert und die preußischen Tugenden
von Bärbel Beutner

Aber da er in seiner Jugend und Armut ganz schnell daran dachte, daß seine Eltern nun jeden Tag Weißbrot essen würden, fiel die Reinheit von ihm ab, und die Wölfe zerrissen ihn." So geschieht es dem Jüngsten von drei Jünglingen in dem Märchen "Die Königsmühle" von Ernst Wiechert. Sie sollen das Volk von einer blutigen Tyrannenherrschaft befreien und müssen dafür reinen Herzens sein. "Denn das letzte Böse auf dieser Erde wird nicht durch das Schwert bezwungen, sondern durch das reine Herz." Der Jüngling ist vom Volk wegen seines reinen Herzens auserwählt worden, wie seine beiden Vorgänger auch, aber alle drei trüben, ja zerstören die Reinheit ihres Herzens durch einen Gedanken an irgendwelchen Nutzen und verlieren dafür ihr Leben.

Ernst Wiechert schrieb die Märchen im Winter 1944 / 45 für die Kinder, "daß ihre Herzen wieder einmal leuchten sollen", wie es im Vorwort heißt. In den Märchen begegnen wir, wie auch sonst im Werk des Dichters aus Masuren, einem absoluten moralischen Gesetz, der "letzten Gerechtigkeit, von der die Kinder und Völker aller Zeitalter geträumt haben". Den Grundstein zu dieser Haltung legte die Erziehung der Mutter, über die Wiechert in seinen Jugend-

erinnerungen "Wälder und Menschen" schreibt: "... der Sinn für Pflicht, Zucht und Ehre, den meine Mutter sehr früh und mit niemals nachlassender Kraft in mir geweckt hat." Was sich hier auftut, ist der Katalog der preußischen Tugenden. Wiechert schildert sie in positiven und negativen Beispielen: ein ordentlicher Lebenswandel, ehrliches, redliches Geschäftsgebaren, Zuverlässigkeit, Erfüllung auch der kleinsten Vorschriften, Fleiß, Sparsamkeit, vor allem aber Achtung vor der Würde eines jeden Mitmenschen. Er schildert ein Kindheitserlebnis, als die Mutter ihn straft, weil er vor einem alten Waldarbeiter nicht die Mütze gezogen hat, er schildert mit unnachsichtiger Schärfe "das Böse", das sich in Jungenstreichen ebenso zeigt wie in dem Schneidemühlenbesitzer Trilljam, der den Vater zum Trunk verführt und der eine Verkörperung des Teufels zu sein scheint. Das moralische Gesetz, die Gerechtigkeit ist uneingeschränkt gültig und zu befolgen.

Der Kategorische Imperativ Kants klingt durch, der eine hohe Anforderung an den Menschen stellt: Er soll verantworten können, daß sein Handeln zum allgemeinen Gesetz werden kann. Wiechert lädt dem Menschen noch die zusätzliche Pflicht auf, dem moralischen Verfall und dem Bösen entgegentreten zu müssen. Tut der Mensch das nicht, so macht er sich schuldig. Doch zeigt er zugleich den Weg auf, diese Forderungen erfüllen zu können. Es ist möglich mit der Reinheit des Herzens und im Einklang mit der Natur.

Der Einklang mit der Natur ist bei Wiechert die Basis des Sittengesetzes, aus dem Gerechtigkeit, Menschlichkeit, Schutz der Schwachen, Ehrfurcht vor den Alten, Weisen und Kranken und vor dem Göttlichen erwachsen. Die Grundlage aber ist die Liebe, wie er sie in seinen Reden definiert hat, die Liebe, welche die Welt braucht.

"Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest", lautet der praktische Imperativ Kants aus seiner "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten", eine Grundlage der preußischen Tugenden, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Die Schändung des Menschen erlebte Wiechert während seines Aufenthaltes im Lager Buchenwald 1938. "Die ganze Menschheit war geschändet worden", heißt es in dem Bericht "Der Totenwald". Den Weg aus dieser Verstrickung aus Gewalt und Schuld weist Wiechert in seiner "Rede an die deutsche Jugend 1945". Es ist die Liebe. "Laßt uns dann denken, daß zwölf Jahre lang nichts mit solchem Haß verfolgt und gekreuzigt worden ist wie die Liebe." Und er stellt den Münchner Studenten ihre Aufgabe für ihr Volk vor Augen. "... ihr sollt die Liebe ausgraben unter den Trümmern des Hasses."


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