© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-07 vom 16. Juni 2007

Spur führt nach Afghanistan
Spanndender Thriller um ein geplantes El-Kaida Attentat

"Wenn es um Spionage und internationale Verwicklungen geht, ist Frederick Forsyth ein Meister der Spannung", meint nicht nur die "Washington Post", doch möglicherweise ist der 1938 geborene Altmeister schon zu routiniert bei der Arbeit, um mit "Der Afghane" wirklich überraschen zu können.

"Wenn der junge Talib-Leibwächter gewußt hätte, daß ihm dieser Handyanruf den Tod bringen würde, hätte er es nicht getan. Aber er wußte es nicht, und so tat er es, und es geschah." Dem eigentlich vielversprechenden Anfang wird gleich zu Beginn schon die Spannung genommen, da Forsyth damit beginnt, seinem Leser zahlreiche Grundinformationen zum Aufbau verschiedener Terrorgruppen und weltweiter Geheimdienste zu geben. Das hilft dem Leser zwar, sich zurechtzufinden, doch es dauert einige Seiten, bis der Autor mit seiner Geschichte fortfährt. "Der Leichnam auf der Straße wurde von den Soldaten eingekreist und zugedeckt ... Noch immer hatte niemand die leiseste Ahnung, wer er war. Klar war nur, daß ihm der Tod lieber gewesen war als die liebevolle Aufmerksamkeit der Amerikaner im Lager von Bagram in Afghanistan, wohin Islamabad ihn nach einer kurzen Verhandlung mit dem CIA-Chef in Pakistan sicher überstellt hätte."

Nach einigen verwirrenden Szenenwechseln, die wohl Atmosphäre schaffen sollen, kommt er dann auf die eigentliche Handlung zu sprechen. Bei jenem Talib-Leibwächter fand sich ein Hinweis auf einen geplanten Anschlag, der unter dem Geheimnamen "El Isra", die Reise Mohammeds zum wahren Glauben, geplant wird. Doch was ist "El Isra"? US-amerikanische Koranforscher werden zur Hilfe gerufen, doch außer wagen Theorien, die sich auch noch widersprechen, können sie nicht weiterhelfen. Stattdessen gibt der eine Wissenschaftler den Hinweis, daß sein in England lebender Bruder Mike Martin schon unter Moslems gelebt hat und als britischer Soldat für Spezialeinsätze dazu in der Lage wäre, sich unter die vermeidlichen Attentäter zu mischen. Erstaunlicherweise gibt es auch gleich einen Gefangenen in Guantanamo, dessen Identität er annehmen kann. "Der Afghane" hat in seinem Land einen Ruf als überzeugter Taliban-Kämpfer, zumal er die Amerikaner haßt, da seine Familie bei einem Luftangriff 2002 ums Leben gekommen ist. Überraschenderweise kennt Mike Martin den Afghanen Izmet Khan sogar persönlich, was ihm hilft dessen Identität anzunehmen. Genauso überraschend findet Khan alias Martin sofort Anschluß an den Kreis der Attentäter, kaum daß er die Landesgrenzen von Afghanistan überschritten hat. Wer sich aber an derartigen "Überraschungen", aufgrund derer alles wie geschmiert läuft, nicht stört, der wird von hier an gut unterhalten werden. Schiffsentführungen, El-Kaida-Schläfer, Mord, fanatische Selbstmordattentäter, brenzlige Situationen, in denen Mike Martin fast enttarnt wird; Forsyth erzählt durchaus eine spannende Geschichte. Ständige Orts- und Szenenwechsel verstärken zudem das Tempo der Entwicklungen. Außerdem erfährt der Leser, an welchen Krisenherden Martin zuvor eingesetzt worden ist und was er dort erlebt hat und wie Izmet Khan zu dem geworden ist, als der er nun in Guantanamo einsitzt. Trotz bewegender Schicksalsschläge bleiben die Charaktere jedoch eindimensional.

Erst auf den letzten 30 Seiten erfährt Mike Martin, was die eigentlichen Attentatspläne sind. Der G8-Gipfel in den USA, ziemlich große Schiffe und eine mörderische Hitze sind hier der Schlüssel. Und natürlich wird die Welt gerettet - wenn auch unter der Bedingung, daß es keine Fortsetzung der Abenteuer Mike Martins mehr geben kann. R. Bellano

Frederick Forsyth: "Der Afghane", C. Bertelsmann, München 2006, geb., 249 Seiten, 19,95 Euro, Best.-Nr. 6213