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16.06.07 / Neue Visaregelung in Kraft / Für die Bewohner des Königsberger Gebietes ist das Verlassen der Exklave schwieriger geworden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-07 vom 16. Juni 2007

Neue Visaregelung in Kraft
Für die Bewohner des Königsberger Gebietes ist das Verlassen der Exklave schwieriger geworden
von Jurij Tschernyschew

Die Bewohner des Königsberger Gebiets bekommen einmal wieder ihre Lage als Exklave deutlich zu spüren. Zu Beginn dieses Monats 2007 ist eine neue Vereinbarung zwischen der Russischen Föderation und der Europäischen Union in Kraft getreten, welche die Visaerlangung eigentlich erleichtern sollte.

Den Einwohnern des Königsberger Gebiets bereitet die sogenannte "Vereinfachung" jedoch eine Reihe von Problemen, da in der Vereinbarung die Exklavenbewohner unberücksichtigt blieben. Im Gegensatz zu früher gibt es für sie keine privilegierenden Ausnahmeregelungen gegenüber den anderen Bewohnern der Russischen Föderation mehr. Die Gebühr für die Ausstellung eines Kurzzeitvisums oder eines Transitvisums beträgt hier wie dort gleichermaßen 35 Euro.

Doch das ist nicht das größte Problem. Konnten bisher alle Königsberger ein Mehrfachvisum für Polen oder Litauen ohne Einladung erhalten, so werden seit dem 1. Juni grundsätzlich nur noch einmalige Visa ausgestellt. Für sie muß eine Einladung vorgelegt werden. Die Prozedur zur Erlangung eines polnischen oder litauischen Visums sind mittlerweile komplizierter als die eines deutschen. Für die Einreise in die Republik Polen genügt beispielsweise nicht die Einladung einer polnischen Firma, Organisation oder Person; diese werden vielmehr auch noch von der Woiwodschaftsverwaltung, in welcher der Einladende seinen Sitz hat, überprüft. Dafür muß die Einladung möglichst vollständige Angaben über die einladende Seite enthalten bis hin zur Steuerregistrierung und anderen staatlicherseits gespeicherten Daten.

Mitglieder offizieller Delegationen, Unternehmer, Journalisten, und Teilnehmern an Sportveranstaltungen, Personen, die wissenschaftlich, kulturell oder im Handel tätig sind, genießen das kleine Privileg, daß ihre Einladung weniger förmlich und offiziell sein braucht. Größer ist da schon der Vorteil, daß sie in den Genuß von Mehrfachvisa kommen können und von der Konsulargebühr befreit sind.

Aber auch sie sind von der Unannehmlichkeit betroffen, daß es jetzt nicht mehr nur drei Tage, sondern einen ganzen Monat dauert, bis man ein Visum bekommt. Es gibt zwar auch die Möglichkeit, kurzfristig ein Visum zu erhalten, das kostet dann mit 70 Euro das Doppelte.

Schon Mitte Mai begann deshalb vor den Eingängen des litauischen und des polnischen Konsulats ein regelrechter Rummel, weil Tausende noch vor Inkrafttreten der neuen Regeln ein kostenloses Visum ergattern wollten. Dies war jedoch auch keine Lösung, weil die Konsulatsmitarbeiter die Daten für die Ausgabe der Dokumente auf anderthalb Monate im voraus festsetzen. So würde jemand, der sich heute registrieren ließe, erst Anfang August seine eingereichten Dokumente zurück erhalten. Angesichts dieser zusätzlichen Kosten müssen sich nun viele Exklavenbewohner, die bisher ihre Ferien in polnischen oder litauischen Kurorten verbracht haben, Alternativen suchen, um so mehr, als sie erst nach der Feriensaison ihre Visa erhielten, wenn sie sie jetzt beantragen würden.

Unangenehme Überraschungen erwarten allerdings auch diejenigen, die schon ein Visum haben. Wenn seit der Ausstellung der damals noch kostenfreien polnischen oder litauischen Visa über ein halbes Jahr vergangen ist und der Inhaber sie bislang noch nicht genutzt hat, verlieren sie ihre Gültigkeit. An der Grenze Heiligenbeil / Braunsberg wurden bereits einige Bewohner des Königsberger Gebiets mit "abgelaufenen" Visa abgewiesen. Die polnischen Grenzer nannten ihnen nicht einmal den Grund. Insgesamt wurden über 40 Menschen an der innerostpreußischen Grenze nach Königsberg zurückgeschickt, mit neuen Formularen in den Händen. Man sagte ihnen, daß sie mit diesen Bescheinigungen im Konsulat einmalige Visa bekommen könnten. Im Konsulat gab man sich darüber jedoch erstaunt und schlug vor, neue Visa zu erteilen, diesmal jedoch gegen Bezahlung.

Viele Königsberger, die an den Wochenenden nach Polen und Litauen gefahren sind, können sich solche Reisen nun nicht mehr leisten. Viele Bewohner der Exklave haben Verwandte in der Ukraine und in Weißrußland. Gewöhnlich verbringen sie ihren Urlaub bei ihnen. Jetzt kostet sie die Reise 35 Euro zusätzlich, da der Betrag auch bei Transits fällig wird. Eine Alternative ist Fliegen, aber das ist auch nicht mehr so billig, wie es einmal war.

Besonders leiden die in den Grenzgegenden lebenden russischen "Grenzgänger" unter den neuen Regeln. Die Arbeitslosigkeit ist hier sehr hoch und viele hatten sich die Preisunterschiede zwischen der Exklave und dem EU-Umland zu Nutze gemacht. Sie führten Waren aus dem nahen Ausland ein, verkauften sie auf den Märkten und verdienten so ihren Lebensunterhalt.

Der einzige Vorteil für die Exklavenbewohner ist, daß die langen Warteschlangen vor dem polnischen und dem litauischen Konsulat verschwunden sind. Die Menschen machen sich ihre Gedanken und gewöhnen sich an die neuen Regeln. Viele wollen nun lieber in die Bundesrepublik Deutschland reisen, vor allem, weil die vor kurzem eröffnete Visaabteilung des deutschen Konsulats genau und gut organisiert arbeitet. Hat man sich vorher angemeldet, gibt man nur seine Dokumente ab und erhält innerhalb von 24 Stunden seinen Paß mit einem fertig ausgestellten Visum zurück.

Foto: Litauens Konsulat in Königsberg: Durch die neuen Visabestimmungen sind die Warteschlangen verschwunden.


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