20.04.2024

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16.06.07 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-07 vom 16. Juni 2007

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

heute gibt es eine "Familie", die wieder einmal beweist, wie bunt die Wunschliste ist, die sich von Woche zu Woche immer breiter auffächert. Großes Suchen, schwere Fragen, bunte Nutschkes - das ist alles bei uns drin, und ernst genommen wird jeder Wunsch, mag er auch manchem Außenstehenden unwichtig erscheinen, für die Fragenden hat er schon Bedeutung. Und nur das zählt. Manchmal sind Fragen aber auch zugleich Auskünfte, wie aus unserm ersten Beitrag ersichtlich. Er kommt von Frau Alva Sidaraviciene aus Marijampole, übermittelt hat ihn Herr Hubert Schwark aus Groß Bengerstorf, der sich mit dem Anliegen der Litauerin an Frau Anita Motzkus wandte, die mir das zum Glück ins Deutsche übersetzte Schreiben übergab. So verschlungen sind manchmal die Wege, aber sie führen doch zum Ziel. Und das ist unsere Ostpreußische Familie.

Wir drehen die Zeit zurück bis zu dem letzten Kriegswinter 1944/45, als das Inferno begann. Da wurden irgendwo im nördlichen Ostpreußen oder in Litauen zwei kleine Mädchen in einem verschneiten Graben gefunden. Sie waren von russischen Soldaten mitgenommen und dort ausgesetzt worden, mit der Mahnung still zu sein. Die Kinder waren von ihren Müttern getrennt worden, die "in ein Haus mit roten Ziegeln getrieben" und wahrscheinlich dort von ihren Peinigern erschossen wurden, denn die Mädchen hatten Schüsse gehört. Nach einiger Zeit kam ein weiteres Auto mit russischen Soldaten, die das Weinen der Kinder hörten. Ein alter Russe - mit großen Schulterstük-

ken an der Uniform - hob sie auf und brachte sie in das Kinderheim in Kopzukas, das heute Marijampole heißt. Dort hat die Mutter von Alvas Sidaraviciene eines der Mädchen zu sich genommen und "eingetöchtert" - ich finde, diese Formulierung klingt sehr liebevoll. Daß es dem Kind dort gut ging, beweisen Fotos aus dem Jahr 1948, die ein fröhliches Mädchen zeigen. Lange dauerte dieses herzliche Verhältnis leider nicht, denn ein Jahr später wurde die litauische Familie nach Sibirien deportiert. Da die Mutter das schon geahnt hatte, ließ sie vor der Verschleppung das Mädchen bei einer Nachbarin schlafen. Dort ist das Kind geblieben, aber im folgenden Jahr an Lungenentzündung verstorben. Nun fragt Frau Sidaraviciene, ob Angehörige der Familien leben, aus denen die Mädchen stammten und die vielleicht nie etwas über das Schicksal der Kinder und ihrer Mütter erfahren haben. Das von Frau Alvas Familie aufgenommene Mädchen nannte sich Anna-Liora, aber der Name dürfte anders gelautet haben, vielleicht Anna-Liesa, Anneliese oder Hannelore, was für mich sehr wahrscheinlich klingt. Auf jeden Fall war es ein deutsches Kind, denn das zweite Mädchen soll seine Kusine gewesen sein mit Namen Rottraut. Die von den Russen mitgenommenen Mütter waren Schwestern. Das sind doch schon einige gute Anhaltspunkte. Frau Sidaraviciene hat die kleine "Schwester" nie vergessen, sie bringt noch heute Blumen auf das Grab. "Sie war so lieb", schreibt die Litauerin. Rottraut wurde von einer anderen Frau aus dem Kinderheim mitgenommen. Von ihrem Schicksal weiß Frau Alva nichts, sie hofft, daß sie vielleicht jetzt etwas erfährt. Sie schließt ihr Schreiben mit dem Satz: "Ich bitte um Hilfe, Angehörige zu finden." Eine Hilfestellung haben wir hiermit gegeben. Vielleicht klärt sich jetzt nach Jahr und Tag die Herkunft der Kinder, deren vermutetes Alter leider nicht angegeben wird, sie dürften damals zwischen drei und fünf Jahre alt gewesen sein. Herr Schwark könnte wegen möglicher Verständigungsschwierigkeiten auch hier vermitteln. Ich gebe beide Anschriften an: Hubert Schwark, Zölkower Weg 7 in 19258 Groß Bengerstorf, Telefon (03 88 43) 2 11 04, und Alva Sidaraviciene, R. Jukneiviciaus 88-46, Marijampole, Republik Litauen.

Herr Schwark hat noch eine weitere Suchfrage, da diese aber ebenfalls viel Platz benötigt und außerdem noch nachrecherchiert werden muß, will ich sie in einer der nächsten Ausgaben bringen. Darum jetzt zu einer - nein, zwei anderen Fragen, die uns Frau Ilse A. Bannick stellt, für die wir wieder einmal der "Rettungsanker" sind. Da unsere tatkräftige Ostpreußin, die unentwegt für ihre große Heimatfamilie tätig ist, bei uns schon erstaunlich viele Erfolge verzeichnen konnte, hofft sie auch diesmal wieder auf eine positive Resonanz, und diese Hoffnung scheint durchaus berechtigt. Frage 1: Wo liegt in Ostpreußen der See und gleichnamige Ort Küchensee? Er ist in keiner meiner sehr präzisen Ortsregister zu finden. Frau Bannick fragt für einen Heimatfreund aus Groß Gnie - Neusorge, der hier als Kind auf der Flucht von den Russen überrollt und mit anderen Flüchtlingen in Baracken eingesperrt wurde. Er könnte im Kreis Heiligenbeil liegen. Vielleicht heißt auch nur der See so, und der gesuchte Ort hat einen anderen Namen. Hier können bestimmt Landsleute helfen. Frage 2 spricht vor allem die Heraldiker unter unseren Lesern an, denn sie betrifft das Wappen der Farenheid - Groß Gnie. Der preußische Kriegs- und Domänenrat Friedrich Farenheid - aus dem Königsberger Ratsgeschlecht stammend, das mit dem 1512 aus Rostock eingewanderten Hans Farenheid beginnt - , wurde 1786 in den preußischen Adelsstand erhoben. Er erhielt ein Wappen, das einen aus dem Wasser wachsenden Hirsch und einen Merkurstab mit Schlange zeigt, das später von der Linie Farenheid-Beynuhnen weitergeführt wurde. Als Besitzer der Adl. Gnieschen Güter, die er 1773 von seinem Onkel geerbt hatte, erhielt er ein Wappen, das die im Kreis Gerdauen befindlichen Liegenschaften auszeichnete, und um dieses geht es bei der Frage von Frau Bannick. Friedrich von Farenheid soll diese Auszeichnung bei seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst im Jahre 1779 von Obermarschall von Schlieben erhalten haben. Das Wappen ist aber nicht mehr auffindbar, auch Bibliotheken konnten nicht helfen. Zwar hat Herr Peter Gutzeit-Poleiken - Farenheid verkaufte Klein Gnie 1830 an seinen bisherigen Inspektor Karl Gutzeit - eine Wappenzeichnung angefertigt, aber niemand kann sie bestätigen. Sie zeigt ein springendes Pferd unter drei Kornblumen. Es ist anscheinend in keinem Wappenbuch zu finden, vielleicht, weil diese Ehrung ja nicht mit der Erhebung in den Adelsstand verbunden war. Wer kann helfen? (Ilse A. Bannick, Marienhofweg 29 in 25813 Husum, Telefon 0 48 41 / 9 30 63.)

Bilder ostpreußischer Maler hängen im Frühstücksraum des Hotels Marienhöhe in Bad Bertrich, und viele Ostpreußen haben schon die Werke von Kallmeyer und Eisenblätter bewundert, denn das Kurhotel wird gerne von unsern Landsleuten besucht, nicht zuletzt aufgrund der in unserer Zeitung erschienenen Anzeigen. Die Besitzerin, Frau Ulla Rebentisch, liebt unsere Heimat, seit 17 Jahren fährt sie regelmäßig im August auf die Kurische Nehrung, und so kommt es auch zu Verbindungen zwischen ihr und alten Nehrungern. Als sie kürzlich in unserer "Ostpreußischen Familie" las, daß eine Großnichte des Niddeners Hermann Gulbis das von Hans Kramer geschaffene Porträt des Fischers von der Nichte des Malers erwerben konnte, dachte sie sofort an ein Bild und die Zeitungsausschnitte, die sie einmal von der Enkelin des Hermann Gulbis bekommen hatte. Diese möchte sie nun als Kopie an die Großnichte weitergeben. Leider besitze ich deren Adresse nicht, weiß auch nicht den vollen Namen - auf Wunsch bleiben diese bei uns ungenannt -, aber über Frau Alexandra Maria Schuberth, die Enkelin des Malers Hans Kramer, werde ich ihr Angebot weiterleiten können. Für heute viele Grüße nach Bad Bertrich.

Anfang März berichtete ich über das Wiederfinden von zwei alten Freundinnen aus Metgethen, das unverhofft durch eine Veröffentlichung in unserer Ostpreußischen Familie erfolgte. Ich mußte das sehr behutsam tun, denn beide Frauen litten noch immer an den Nachfolgen der Grausamkeiten, die sie als blutjunge Mädchen beim Russeneinfall erlitten hatten. Da die Angelegenheit noch in der Entwicklung war, konnte ich sie nur andeuten. Nun übermittelte mir Gisela K. die Zeilen, die Edith über dieses Ereignis geschrieben und an sie gesandt hatte, damit sie hier in unserer Kolumne veröffentlicht werden können. Und das werde ich nun im Wortlaut tun:

"Hier sind ein paar Gedanken zu unserem Thema, die Du Frau Geede mitteilen willst. Es ist schon eigenartig, daß Gisela K. in Frau Geedes Artikel vom 31. März ihre Schulkameradin Edith Arndt vermutete, waren doch nur Vorname und Wohnort Metgethen erwähnt. So fanden sich zwei Metgetherinnen nach über 60 Jahren wieder, erinnerten sich aneinander, fanden Gemeinsamkeiten und tauschten in Briefen und Telefonaten ihre Eindrücke aus. Zuletzt hatten sie sich in jenen Januartagen in Metgethen gesehen, verstört und voller Angst. Wie so viele fanden auch ihre Familien nicht den vielleicht rettenden Weg in Richtung Pillau, irrten im Umfeld von Königsberg umher, gerieten zwischen die Fronten und wurden schließlich in wochenlangen Fußmärschen gen Osten getrieben. In dieser Zeit sahen sie sich nicht wieder, erreichten aber auf unterschiedliche Weise Schloßberg, erlitten die gleichen Verluste und mußten sich allein durchschlagen. Gisela überlebte als Wolfskind in Litauen und konnte 1948 ausreisen. Edith fand Bleibe in russischen Kinderhäusern und kam im Oktober 1947 aus Ostpreußen heraus. - Lebensabschnitte wie viele andere in jener Zeit - verlorene Kindheit und Erfahrungen, die ein ganzes Leben überschatten - und schließlich Erleichterung durch die Möglichkeit, sich mitteilen zu können und selbst durch vage Andeutungen verstanden zu werden. Möge die ,Ostpreußische Familie' in diesem Sinne immer wieder wirksam werden!"

Danke, liebe Edith, für diese beeindruckenden Worte. Sie sollen uns Ansporn sein, auf diesem Wege unermüdlich weiter zu gehen, und werden jene Leserinnen und Leser, die sich noch immer nicht mitteilen wollen oder können, ermuntern, ihre Probleme und Fragen in unserer Ostpreußischen Familie zu erörtern. Es ist nie zu spät. Und das gilt auch für Sie, liebe Frau Schneider, die Sie mir einen langen Brief schrieben, in dem Sie nicht nur die gravierenden Erlebnisse Ihrer Jugend aufzeichneten, sondern auch auf die heutigen Probleme eingehen, wie Ihr Monitum an die ARD über die "Scheibenwischer"-Sendung vom 15. März beweist. Ich kann in diesem Rahmen leider nicht näher darauf eingehen - das werden wir an anderer Stelle tun -, aber ich will Ihre bisher vergebliche Suche nach Ihren ehemaligen Reichsarbeitsdienst-Kameradinnen an dieser Stelle fortführen. "Ich bin jetzt 82 Jahre alt und meine manchmal, ich sollte es aufgeben", schreiben Sie. Ich nicht, und deshalb bringe ich hier voller Hoffnung die Suchfrage nach Ihren ehemaligen Gefährtinnen aus dem Reichsarbeitsdienst-Lager Siewken, Kreis Angerburg im letzten Kriegsjahr. Es handelt sich um Elisabeth Thomalla aus Kattowitz, Christel Steppat aus Tilsit-Ragnit und Andrea Kieselbach. Mit letzterer hatte Frau Schneider - damals Christel Herling - noch nach der Vertreibung Kontakt gehabt. Andrea machte in Pommern eine Ausbildung zur Lehrerin und wollte, sobald sie eine Anstellung gefunden hätte, an Frau Schneider schreiben. Leider hat diese nie eine Nachricht erhalten, die an die alte Adresse gerichteten Briefe kamen zurück, auch eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt blieb erfolglos. Damit verliert sich die Spur von Andrea Kieselbach. Vielleicht findet sie sich jetzt? Es würde mich freuen für Christel Schneider, Heinestraße 7 in 69469 Weinheim.

Eure Ruth Geede

Foto: Anna-Liora, Anna-Liesa, Anneliese oder Hannelore im Jahre 1948: Bereits wenige Jahre später verstarb die deutsche "Schwester" der Litauerin Alva Sidaraviciene an Lungenentzündung.


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