20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
16.06.07 / Unser "Mann im Mond" / Zum 30. Todestag des Raumfahrtpioniers Wernher von Braun

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-07 vom 16. Juni 2007

Unser "Mann im Mond"
Zum 30. Todestag des Raumfahrtpioniers Wernher von Braun
von H.-J. Mahlitz

Montag, 21. Juli 1969, 2.56 Uhr UTC ("koordinierte Weltzeit", in Deutschland eine Stunde später): Fast 400000 Kilometer weit weg, im "Meer der Ruhe", wird es unruhig. Der Amerikaner Neil Armstrong betritt den Mond und verkündet Millionen daheim gebliebenen Erdenbewohnern, dies sei zwar "ein großer Sprung für die Menschheit", für einen einzelnen Menschen jedoch nur "ein kleiner Schritt". Zumindest ein einzelner Mensch dürfte das völlig anders gesehen haben: Für ihn war es der große, entscheidende Schritt zur Erfüllung seines Lebenstraums.

Begonnen hatte sein Traum vier Jahrzehnte zuvor. Der damals 17jährige hochbegabte Schüler Wernher von Braun durfte dem Gymnasiallehrer Hermann Oberth in Berlin-Plötzensee beim Experimentieren mit merkwürdigen Gerätschaften zur Hand gehen. Oberth hatte diese Flugkörper als Raketen bezeichnet und ihnen in einem 1923 erschienenen visionären Buch die Fähigkeit zugeschrieben, "zu den Planetenräumen" zu fliegen. Dies, Oberths zweites Buch ("Wege zur Raumschiffahrt") sowie der Film "Frau im Mond" von Meisterregisseur Fritz Lang hatten den jungen von Braun dermaßen fasziniert, daß es fortan für ihn nur noch ein Ziel gab: Die Schwerkraft der Erde zu überwinden und der Mernschheit die schier endlosen Weiten des Weltalls zu erschließen.

Höchst zielstrebig ging Wernher von Braun zu Werke. Noch vor dem 18. Geburtstag legte er 1929 die Abiturprüfung ab, als 20jähriger schloß er seine Studien in Berlin und Zürich mit der Diplomarbeit ab und durfte sich stolz Ingenieur für Mechanik nennen. Als Zivilangestellter trat er in die Dienste des Heereswaffenamtes ein, da er dort die beste Möglichkeit sah, seine Theorien in die Praxis umzusetzen.

Daß gerade diese harmonische Einheit von Theorie und Praxis seine außerordentliche Stärke ausmachte und somit der Schlüssel auch zu seinen späteren Erfolgen war, dokumentierte von Braun im Jahre 1934 auf seine Weise. Mit einer Arbeit über "konstruktive, theoretische und experimentelle Beiträge zu dem Problem der Flüssigkeitsrakete" promovierte er in Berlin; den frisch erworbenen Doktorhut feierte er auf der Nordseeinsel Borkum mit dem Abschuß einer selbstkonstruierten Flüssigkeitsrakete (Aggregat 2) auf die stolze Höhe von 2200 Meter.

Damit war auch sein eigener Höhenflug vorgezeichnet. 1937 wurde der gerade mal 25jährige Dr. phil. Technischer Direktor der Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf der Ostsseeinsel Usedom; diesen Posten hatte er bis Kriegsende inne. Trotz seiner über jeden Zweifel erhabenen wissenschaftlichen und technischen Leistungen forderte die Karriere ihren - in Diktaturen üblichen - Preis: Von Braun trat 1937 der NSDAP und 1940 der SS bei, ohne sich aber jemals durch besonderen Eifer im Sinne des Systems hervorzutun. Im Gegenteil, Himmlers Gestapo schien ausgerechnet der Konstrukteur der sogenannten Vergeltungswaffe (V 2) der Wehrkraftzersetzung verdächtig, so daß von Braun sich 1944 für kurze Zeit hinter Gittern fand.

Natürlich wäre es vermessen, den Raketenpionier darum nachträglich zu einer Art Widerstandskämpfer hochzustilisieren. Er war wohl eher ein unpolitischer Mensch, der auch das Wissen um manch dunkle Seite des Regimes, in dessen Diensten er sich stellte, dem einen großen Ziel unterzuordnen verstand - dem Flug in den Weltraum. Ihm war klar, daß diesem Ziel im Rahmen ziviler Forschung und Entwicklung nicht näherzukommen war, daß nur das Militär die erforderlichen finanziellen und logistischen Mittel zur Verfügung zu stellen bereit und in der Lage war.

Also tat er, was von ihm verlangt wurde, um auch das tun zu können, wovon er eigentlich träumte. Er baute der Wehrmacht das sogenannte Aggregat 4 (A 4), eine Großrakete mit Flüssigtreibstoff-Antrieb und mit einem Kreiselsystem, das die Stabilisierung der Flugbahn sowie die Korrektur von Abweichungen ermöglichte.

Das Projektil erreichte im luftleeren Raum siebenfache Schallgeschwindigkeit. 1942 wurde erstmals eine Flughöhe von über 80 Kilometer bewältigt, die letzten Geschosse vor dem Kriegsende brachten es auf 200 Kilometer.

Von Braun verstand es glänzend, seine Ideen auch Politikern und Militärs plausibel zu machen. Dies hatte er zum Beispiel den deutschen Atomphysikern um Werner Heisenberg in Berlin voraus, die sich weitaus schwerer taten, jenseits ihrer engen Forscherzirkel Gehör zu finden, und dem Konkurrenten im fernen Peenemünde seine Erfolge beim Akquirieren staatlicher Forschungsgelder, Material- und Personalzuweisungen neideten. Daß sie sich ganz bewußt zurückgehalten hätten, um so das Hitlerregime zu hindern, von Brauns Raketen mit nuklearen Sprengköpfen zu bestücken - dies dürfte wohl eher in den Bereich nachträglicher "antifaschistischer" Legendenbildung gehören.

Wernher von Braun jedenfalls war weder Täter noch NS-Gegner, sondern unpolitischer Mitläufer; wer selber nie unter einem totalitären Regime überleben mußte, hüte sich vor voreiligen moralischen Urteilen.

Sich der reichlich sprudelnden Geldquellen des Militärs zu bedienen, um einem sonst unerreichbaren wissenschaftlich-technologischen Lebensziel näherzukommen, dieser Devise blieb der Peenemünder Raketenbauer auch nach der deutschen Niederlage (die seine Geschosse nicht verhindern konnten) treu. Vor der heranrückenden Roten Armee setzte er sich erst in die Mitte, dann in den Süden des Reichs ab und begab sich am 2. Mai gemeinsam mit seinen engsten Mitarbeitern in amerikanische Gefangenschaft. Die US-Armee traf der Fang keineswegs plötzlich und unerwartet. Im Rahmen der gründlich vorbereiteten "Operation Overcast" verschifften sie innerhalb weniger Monate gut 100 deutsche Raketenspezialisten mitsamt ihren wertvollen Arbeitspapieren über den Atlantik.

Nach Aktivitäten in national-sozialistischen Organisationen wurde bei weitem nicht so genau gefragt wie beim zu entnazifizierenden Durchschnittsdeutschen. Die Anglo-Amerikaner verziehen von Braun und seinen Mannen sogar, was die von ihnen gebauten Raketen angerichtet hatten.

Von dem 14 Meter hohen Aggregat 4, das Göbbels Propagandaspezialisten in Vergeltungswaffe 2 (V2) umgetauft hatten, wurden insgesamt fast 6000 Stück gebaut, großenteils im unterirdischen sogenannten Dora-Mittelbau nahe dem thüringischen Nordhausen. Ab September 1944 kamen rund 3200 Raketen zum Einsatz, zumeist von mobilen Abschußrampen aus. Sie waren mit einer Tonne Sprengstoff bestückt und zielten vor allem auf London (1358) und Antwerpen (1610). Nach alliierten Angaben fielen ihnen etwa 8000 Menschen zum Opfer. Hier sei ein Vergleich erlaubt: Die Sprengkraft aller V2 lag unter der einer einzigen anglo-amerikanischen Bomberflotte, und die Zahl der Zivilopfer der alliierten Luftangriffe auf deutsche Städte ging in den siebenstelligen Bereich. All das interessierte die Siegermächte im Jahre 1945 überhaupt nicht. Sie wollten ins All, wo sie sich eine Stärkung ihrer politischen und militärischen Macht erhofften. Und dazu bedienten sie sich der deutschen Raketenspezialisten, wie das vor ihnen Hitlers Nationalsozialisten getan hatten.

Die Sowjets schossen 1947 unter dem Tarnnamen R-1 einen Nachbau der V 2 ins All, die Amerikaner blieben gleich beim Original und experimentierten ab 1946 mit erbeuteten deutschen Projektilen. Den ohne erkennbaren Widerstand ebenfalls "erbeuteten" Wernher von Braun machten sie 1949 zum Berater, 1950 zum Entwicklungsleiter einer atomar bewaffneten Kurzstreckenrakete, 1955 zum US-Staatsbürger, 1958 zum Titelhelden des "Time Magazin", 1960 zum Direktor des Marshall Space Flight Center in Alabama, 1970 zum Vize-Direktor der NASA - eine amerikanische Bilderbuchkarriere.

Derweilen hatte man in Washington gelernt, daß nicht nur direkte militärische Stärke zählt, sondern auch Überlegenheit im zivilen Bereich durchaus von nationalem Nutzen sein kann. Nicht zuletzt bei der Eroberung des Weltraums. So durfte von Braun nun endlich das tun, wovon er schon immer geträumt hatte: Raketen bauen, die statt Waffen wissenschaftliches Gerät oder gar zivile Astronauten ins All tragen.

Der wohl größte Erfolg seiner Begeisterungsfähigkeit: 1962 überzeugte er Präsident John F. Kennedy von seinen kühnen Raumfahrtvisionen und bekam "grünes Licht" für sein Mondlandeprogramm. Die mächtige Saturn-V-Rakete war sein Werk; daß sie tatsächlich Menschen zum Mond und wieder zurück transportieren konnte, war allerdings nicht nur seiner überragenden Ingenieurskunst zu danken, sondern - wie Wegbegleiter immer wieder bestätigten - auch seinem höchst effizienten Arbeits- und Organisationsstil, seinem Fleiß, seinem Verantwortungsbewußtsein und Gerechtigkeitsgefühl gegenüber Mitarbeitern. Wer moderne Managementstrukturen studieren will, findet bei ihm bestes Lehrmaterial. Und die Amerikaner, die vor 60 Jahren aus einem einseitig verzerrten Geschichtsverständnis heraus Preußen auszulöschen trachteten, müssen eingestehen, daß sie in einer wichtigen Phase ihrer eigenen jüngeren Geschichte von dem profitierten, was man gemeinhin als preußische Tugenden bezeichnet.

Foto: Hoch hinaus: Wernher von Braun (l) erklärt dem amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy (r) Trägerraketen.

 

W. von Braun

Am 23. März 1912 wurde Wernher Magnus Maximilian Freiherr von Braun im damals deutschen, heute polnischen Wirsitz (Posen) geboren. Nach dem Ersten Weltkrieg verschlug es die Familie nach Schlesien, später nach Berlin. Schon als Schüler begeisterte er sich für Astronomie sowie für Raumfahrt-Utopien. Wie kein anderer hat er die Entwicklung weltraumtauglicher Raketen geprägt. Nach seinem größten Erfolg, dem US-Mondlandeprogramm Apollo, verließ er 1972 die NASA und wurde Vizepräsident des Luft- und Raumfahrtkonzerns Fairchild. Am 16. Juni 1977 starb er in den USA.

 

Hermann Oberth

Am 25. Juni 1894 wurde Hermann Oberth im siebenbürgischen Hermannstadt als Sohn des Arztes Dr. Julius Oberth geboren. Schon als Schüler begeisterte er sich für die futuristischen Schriften des Franzosen Jules Verne, kam aber bald dahinter, daß die dort beschriebene "Reise zum Mond" so technisch nicht machbar sei, und begann, sich mit den Konstruktionsbedingungen von Raketen zu beschäftigen. Nach dem Abitur im Jahre 1912 (dem Geburtsjahr Wernher von Brauns) schickte der Vater ihn zum Medizinstudium nach München. Den Ersten Weltkrieg erlebte er als Sanitätsfeldwebel; danach setze er das Studium in Budapest fort. 1919 wechselte er zur Physik, besuchte die Universitäten Klausenburg, München, Göttingen und Heidelberg, reichte eine Dissertation zum Thema Raumfahrt ein, die aber abgelehnt wurde, und erlangte schließlich ein Diplom als Gymnasiallehrer. Bis 1938 lehrte er in seiner Heimat Siebenbürgen, zeitweilig auch in Berlin, wo ihm Wernher von Braun erstmals begegnete. Seine Bücher "Die Rakete zu den Planetenräumen" (1923) und "Wege zur Raumschiffahrt" (1929) gelten als die theoretische Grundlage der Raketentechnik und Weltraumfahrt schlechthin. Öffentliche Anerkennung fand er erst 1938 in Form eines Lehrauftrags an der Technischen Universität Wien. An der Entwicklung der V 2 war er am Rande beteiligt. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete der Raketenexperte in der Schweiz, Italien und den USA. In Deutschland wurden seine technologischen Leistungen weniger intensiv wahrgenommen als seine kurzzeitige Mitgliedschaft in der NPD. Am 28. Dezember 1989 starb Oberth in Nürnberg.

 

K. Ziolkowski

Am 17. September 1857 kam Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski im russischen Ischeskoje zur Welt. Krankheitsbedingt wurde er zum Autodidakten, dies aber höchst erfolgreich. Er studierte Physik, Astronomie und Mathematik. Heute gilt er als derjenige, der den Übergang von der romanhaften Science-Fiction à la Jules Verne zur seriösen Wissenschaft markiert. Seine insgesamt 35 Publikationen enthalten erstmals die mathematischen Grundlagen des Raketenbaus, aber auch Entwürfe von Raumstationen und -anzügen. Raumfahrtpioniere wie Oberth und von Braun, der Amerikaner Goddard oder der Russe Koroljow stützten sich auf seine Arbeiten. Ziolkowski starb am 19. September 1935 in Kaluga.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren