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23.06.07 / Einheit am Portemonnaie vorbei / 17 Jahre nach der Wiedervereinigung: Kein gleicher Lohn für gleiche Arbeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-07 vom 23. Juni 2007

Einheit am Portemonnaie vorbei
17 Jahre nach der Wiedervereinigung: Kein gleicher Lohn für gleiche Arbeit
von Mariano Albrecht

Trotz Mindestlohndebatte und Diskussionen um Niedriglöhne sind 17 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung die Hausaufgaben um die tarifliche Gleichstellung von Arbeitnehmern und Angestellten in Ost und West nicht gemacht. Bis zu 40 Prozent weniger verdienen die Menschen in den Bundesländern, die so neu nun nicht mehr sind. Und jene, die im Westen noch halbwegs vernünftige Einkünfte erzielen, sollen das Ost-Dilemma bezahlen. Denn durch die geringeren Einkünfte führt der Oststeuerzahler auch weniger an den Fiskus und die Sozialkassen ab, und das muß mit Finanzströmen aus dem Westen repariert werden.

Aus einem großen Lohnvergleich des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung geht hervor, daß die durchschnittliche Differenz zu den Westgehältern zwischen 20 und 22 Prozent liegt.

Am weitesten klafft die Schere bei Berufen in den Neuen Medien auseinander. So verdient ein Webdesigner in den alten Bundesländern zirka 2300 Euro Brutto, in den neuen Bundesländern hingegen nur 1359 Euro. Ein Drittel weniger für die gleiche Arbeit.

Die Wirtschaft hatte in der Nachwendezeit die Tarifdifferenz mit der geringeren Produktivität mitteldeutscher Standorte begründet. Prof. Dr. Udo Ludwig vom Wirtschaftsforschungsinstitut Halle sieht die Wettbewerbsfähigkeit vieler Ost-Standorte mittlerweile erreicht, für ihn resultiert die Ost-West-Differenz in den Einkommen aus der unterschiedlichen Branchenstruktur. Im Osten fehlen die Großbetriebe, die hohe Löhne zahlen. Ein erster Schritt sind die Ansiedlungen der Automobilindustrie, doch von einer annähernd gleichen Marktleistung wie in den westlichen Bundesländern sei der Osten in seiner Gesamtheit weit entfernt, so Ludwig. Bis die Löhne flächendeckend auf Westniveau steigen, können, so Ludwig, noch gut und gerne 20 Jahre vergehen. Schuld sind die schwachen Re-Investitionen von Gewinnen in den Standort Ost. Einen weiteren Grund für die geringeren Einkommen sieht der Konjunkturexperte in der schlechten Situation auf dem Arbeitsmarkt. Eine hohe Nachfrage nach Arbeitsplätzen ist keine gute Verhandlungsbasis für höhere Einkommen. Vielerorts werden Tarife unterlaufen, lieber einen schlechtbezahlten Job als gar keine Arbeit, ist die Devise vieler Arbeitnehmer. Von der Vorstellung, vom erarbeiteten Lohn leben zu können, müsse man sich wohl verabschieden. Politische Eingriffe, zum Beispiel durch einen gesetzlichen Mindestlohn, könnten weitere Arbeitsplätze kosten und würden die Region nicht stärken.

Die Steuerdeckungsquote, also das Verhältnis von Steuereinnahmen zu Ausgaben aus der Steuerkasse, ist im Osten nur halb so groß wie in den alten Bundesländern. Das macht eine Subventionierung der öffentlichen Haushalte im Osten notwendig. So scheint sich ein Teufelskreis zu bilden, aus dem es kein Entrinnen gibt. Geringe Einkommen lassen zu wenig Steuern in die mitteldeutschen Gemeinde- und Landeskassen fließen, die Sozialkassen bekommen weniger Zufluß und der Bedarf an Transferleistungen für sozial Schwache steigt.

Um so verwunderlicher sind die Mitnahmeeffekte in Bereichen, die mit dem angeblich schwächeren Produktionsstandort Ost so gar nichts zu tun haben. So beschäftigt der Deutsche Bundestag, ja sogar die SPD-Fraktion, ein Berliner Zeitarbeitsunternehmen, das Angestellte zu Bedingungen beschäftigt, die in der Partei als sittenwidrig gelten. In der Fraktion werden Sekretärinnen beschäftigt die zwischen 6,20 Euro bis 6,70 Euro pro Stunde arbeiten.

Nach Auskunft des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) liegt der Tariflohn bei 7,03 Euro. Einer ehemaligen Beschäftigten des Zeitarbeitsunternehmens hatten sogar Mitarbeiter der Personalabteilung des Bundestages mit Konsequenzen gedroht, sollte sie sich aus der Zeitarbeit auf eine Sekretärinnenstelle im Hause bewerben.

Ein profitables Geschäft für das Zeitarbeitsunternehmen, denn das erzielt für jede Aushilfssekretärin einen Stundensatz von 17,33 Euro.


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