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23.06.07 / Plötzlich mitten im tiefen Sumpf / Alter Korruptionsskandal erschüttert Sachsen - Schnüffelei hat hier Tradition

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-07 vom 23. Juni 2007

Plötzlich mitten im tiefen Sumpf
Alter Korruptionsskandal erschüttert Sachsen - Schnüffelei hat hier Tradition
von Mariano Albrecht

Was langsam anfing zu brodeln und vor sich hin zu stinken, entwickelt sich zu einer unappetitlichen Suppe aus schmutzigen Vermutungen, Anschuldigungen und Rufmordkampagnen. Gemeint ist der von den Medien zum Sachsen-Sumpf erklärte Skandal um die angebliche Verwicklung Leipziger Politiker, Justizbeamter, Staatsanwälte und Polizisten in Korruption, Rotlicht- und Mafiastrukturen. Frei nach dem Motto "Sing, mei Sachse, sing" soll der sächsische Verfassungsschutz ein Heer von "Quellen", früher hießen die "Inoffizielle Mitarbeiter" (IM), zum Chor formiert haben, welcher nun mit einem Paukenschlag in Form von 15600 Seiten Ermittlungsakten eine Staatskrise auslösen soll.

Seit fünf Wochen bebt in ganz Sachsen die Erde, weil herausgekommen ist, daß der Verfassungsschutz offiziell seit 2003 einen Aktenberg über Dinge zusammengesammelt hat, die eigentlich in das Aufgabengebiet der Polizei fallen. Möglich gemacht hat diese von Anfang an umstrittene Aktion eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes aus dem Jahre 2003, die den sächsischen Inlandsgeheimdienstlern die Beobachtung von organisierter Kriminalität unter dem Vorbehalt erlaubte, daß die Verfassung oder die freiheitliche Grundordnung bedroht ist. Mit Übereifer gingen die Schlapphüte an die Arbeit und stampften auch gleich ein neues Referat "Organisierte Kriminalität" aus dem Boden der Behörde. Befehligt wurden die geheimen Ermittler von einer Frau, die sich in delikaten Dingen auskannte. Eine aus dem Justizdienst ausgeschiedene Staatsanwältin, welche schon 1995 gegen den damaligen sächsischen Innenminister Heinz Eggert (CDU)ermittelt hatte, hat die Einheit aufgebaut. Eggert, ein Theologe, der in der DDR aufgewachsen war, engagierte sich in der Bürgerrechtsbewegung "Neues Forum" und stand im Fadenkreuz der Stasi. Auf ihn waren bis zu zehn Stasi-IM angesetzt, um ihn zu bespitzeln. Eggert wurde 1995 vorgeworfen, Mitarbeiter sexuell belästigt zu haben. Es wurden Gerüchte in Umlauf gebracht, Mißtrauen gesät, ganz nach der Methode, welche die Stasi Jahrzehnte in der DDR gegen Regimekritiker angewendet hatte. Die Vorwürfe konnten nie bewiesen werden, trotzdem trat Eggert zurück - politischer Genickbruch. Nach der gleichen Methode ging nun die Ermittlungsgruppe des Verfassungsschutzes auf "Opfer- und Themensuche", schließlich mußte in dem neuen Referat am Ende etwas rauskommen. Und so machte man sich offensichtlich auf dem einst von den Vorgängerkollegen der Stasi beackerten Terrain auf die Suche nach Verdächtigem. Dabei stützten sich die Verfassungsschützer auf "örtliche Informanten".

Und so wurden, wie aus Geheimdienstkreisen auch zugegeben wird, Hinweise, Vermutungen und Gerüchte gesammelt. Das Netzwerk des Bösen reicht bis in die 90er Jahre zurück, die Spur führte, wie zu erfahren war, nach Plauen.

Dort fanden die umtriebigen Fahnder heraus, daß damals der Leiter der Plauener Kriminalpolizei angeblich Amtsgeheimnisse gegen kostenlose Bordellbesuche preisgegeben haben soll, aber eben nur angeblich. Nachdem die Ermittlungen zunächst nichts ergeben hatten, wurde der Fall 1999 erneut aufgerollt. Kurz danach hing der Kripo-Chef tot an einem Baum. Selbstmord? Auch dieser alte Vorgang interessierte die fleißigen Verfassungsschützer, und so mußte auch das zu den Akten. Offensichtlich gaben die Dossiers Querverbindungen zu von neuen Ermittlungen betroffenen Personen her. Daß das Referat dabei über das eigentliche Ziel hinausschoß, blieb weitgehend unbemerkt, und so wurde gesammelt, ermittelt und archiviert, was das Zeug hielt, ganz nach dem Motto: Was man hat, das hat man. Daß sich die Verfassungsschützer dabei offensichtlich selbst meilenweit von der Verfassung entfernten und sich der Methoden des Staatsicherheitsdienstes der DDR bedienten, fiel den Eiferern im Dienste des Grundgesetzes nicht auf.

Im Mai veröffentlichten die "Leipziger Volksstimme" und der "Spiegel" einige Vorwürfe, die von den Ermittlern zusammengetragen worden waren. Da die Ermittler die Akten im Giftschrank ließen, verfolgten die Informanten der Blätter wohl das Ziel, die Gerüchte an die Öffentlichkeit zu bringen, offenbar mit der Absicht, die Schmutzlawine endlich ins Rollen zu bringen, bevor die rechtlich bedenkliche Aktensammlung in den Reißwolf wanderte. Denn eine Vernichtung der Akten wäre eigentlich schon im Jahr 2005 fällig gewesen, als der Verfassungsgerichtshof beschloß, daß die Beobachtung der organisierten Kriminalität nur dann erlaubt ist, wenn sich mutmaßliche Straftaten gegen die Sicherheit des Bundes und der Länder oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten. Diese Kriterien hat angeblich nur einer von fünf bearbeiteten Fällen erfüllt. Im Mai wurde dann auch die Beobachtung der organisierten Kriminalität wieder aus dem Verfassungsschutzgesetz gestrichen. Interessanterweise stimmten ausgerechnet zwei PDS-Abgesandte des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, die sich für gewöhnlich gegen die Geheimdienstler stellen, für die Weitergabe der Ermittlungsakten an die Staatsanwaltschaft. Generalbundesanwältin Harms hat nach Durchsicht erster Unterlagen erklärt, sie sehe keinen Anlaß, sich in die Ermittlungen einzuschalten. Eine Giftspur aus Anschuldigungen und wagen Vermutungen ist dennoch gelegt.

Foto: In Erklärungsnot: Der sächsische Justizminister Geert Mackenroth (CDU, r.) versucht, das Vorgehen der Behörden in der Korruptionsaffäre verständlich zu machen.


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