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23.06.07 / Zwischen die Fronten geraten / Der Mord an Ex-KGB-Offizier Litwinenko sollte Dissidenten in England diskreditieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-07 vom 23. Juni 2007

Zwischen die Fronten geraten
Der Mord an Ex-KGB-Offizier Litwinenko sollte Dissidenten in England diskreditieren
von M. Rosenthal-Kappi

Weil die russische Regierung den im englischen Exil lebenden Dissidenten Boris Beresowskij mit legalen Mitteln nicht fassen kann, hat sie dem Geschäftsmann und Ex-KGB-Offizier Andrej Lugowoj den Auftrag erteilt, Litwinenko zu ermorden. Dabei ging es nicht um den abtrünnigen Litwinenko oder darum, daß er Geheimnisse über die Korruption in den Reihen des Geheimdienstes und dessen Rolle in Tschetschenien ausgepackt hatte. Litwinenko war nur ein kleines Rädchen im Getriebe. Sein "Verrat" liegt außerdem schon einige Jahre zurück.

Es sollte eine Gruppe von Leuten um Boris Beresowskij treffen, die im Exil in Großbritannien leben. Von der Opposition im Exil gehen Irritationen für die russische Politik aus. Deshalb möchte die Regierung sie am liebsten ausgelöscht sehen. Die Ermordung der Journalistin Politkowskaja und der Litwinenkos sollte Beresowskij in die Schuhe geschoben werden, damit dieser bei den Engländern in Mißkredit gerät.

Was an das Sujet eines John le Carré-Romans erinnert, ist bittere Realität. So sieht es jedenfalls Alex Goldfarb, ein Dissident und Menschenrechtler, der in den 70er Jahren in die USA emigrierte und US-Bürger wurde. Goldfarb unterstützt Nichtregierungsorganisationen in Rußland, die unter anderem von Beresowskij finanziert werden. Alex Goldfarb war mit Alexander Litwinenko und dessen Frau Marina befreundet.

Anläßlich des Erscheinungstermins der deutschsprachigen Ausgabe ihres gemeinsamen Buches "Tod eines Dissidenten" gaben sie in der Villa des Hoffmann und Campe Verlags in Hamburg eine Pressekonferenz.

Das Foto ihres Mannes Alexander Litwinenko, schwer entstellt von der Vergiftung durch eine tödliche Dosis des radioaktiven Polonium 210, auf dem Krankenbett eines Londoner Krankenhauses in Großaufnahme hinter sich, beantwortet die von Trauer gezeichnete Marina Litwinenko die Fragen der Journalisten.

Ihr Motiv, an die Öffentlichkeit zu treten, sei es, die Wahrheit zu sagen. Sie wiederholt die Anschuldigen ihres Mannes gegen Putin und den Kreml mit dem ebenso simplen wie einleuchtenden Argument, daß ein so gefährliches Gift wie Polonium 210, das in der Forschung und in der Atomrüstung Verwendung findet, nicht von Privatpersonen beschafft werden könne. Hier bedürfe es schon der Genehmigung einer sehr hochgestellten Persönlichkeit. Die Witwe vertraut den Ermittlungen von Scotland Yard und hofft, daß der oder die Täter bestraft werden.

Goldfarb glaubt dagegen nicht, daß der Fall jemals aufgeklärt wird. Die einzigen Fakten seien, daß Litwinenko tot sei und die Polonium-Spur nach Rußland führe. Alles andere seien Spekulationen. Er glaube nicht, daß Putin selbst den Befehl zum Auftragsmord gegeben habe, eher habe er jemandem im russischen Geheimdienst FSB freie Hand gelassen. Lugowoj schätzen beide als Handlanger ein, der den Mord unter Zwang begangen haben könnte.

Das Buch ist eine Abrechnung mit Putin. Die Autoren machen ihn für den zweiten Tschetschenienkrieg auf seinem Weg zur Macht verantwortlich und kritisieren sein schwarz-weißes Weltbild. Aggressiv merze er alles aus, was sich ihm in den Weg stelle.

In russischen Medien ist kaum etwas über die Neuerscheinung zu lesen. Sie berichten vielmehr darüber, daß der FSB aufgrund der Äußerungen des Hauptverdächtigen Lugowoj wegen Spionage ermittelt. Gegen wen wurde nicht bekanntgegeben.

Ob ein russischer Verlag den Mut findet, das Buch herauszugeben, ist fraglich. Für die Dissidenten scheint der Schritt in die Öffentlichkeit immer noch die beste Verteidigung zu sein.


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