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23.06.07 / Manches wird schmerzhaft sein / Alle Hoffnungen Frankreichs ruhen auf Sarkozy, der sich einer bissigen Opposition gegenübersieht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-07 vom 23. Juni 2007

Manches wird schmerzhaft sein
Alle Hoffnungen Frankreichs ruhen auf Sarkozy, der sich einer bissigen Opposition gegenübersieht
von Jean-Paul Picaper

Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Premier François Fillon dürfen sich nach der zweiten Runde der Parlamentswahlen am 17. Juni freuen. Mit einer satten Mehrheit im Parlament von 324 Sitzen für ihre bürgerliche Partei UMP, wozu die 22 Sitze der Neoliberalen der UDF hinzukommen, insgesamt 345 Sitze, werden sie ihr Programm problemlos durchsetzen können. Derart gewappnet werden sie den erwünschten Ruck vollbringen, der Frankreich wie damals das schlafende Dornröschen aus einem 20jährigen Stillstand und aus der zweijährigen Lähmung in der Schlußphase der Chirac-Ära herausholen wird.

Trotzdem mußte Sarkozy am letzten Sonntag erfahren, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Die Linke bekam insgesamt 225 Sitze, davon 203 für die Sozialisten (PS), 18 für die Kommunisten (PC) und vier für die Grünen. Damit hat die siegreiche Rechte weniger gut abgeschnitten, als manche Wahlumfragen ihr eine Woche davor versprachen.

Dieser Dämpfer für die Sarkozy-Partei rührt daher, daß viele Anhänger nach dem überwältigenden Sieg bei der Präsidentenwahl am 5. Mai zu Hause geblieben waren, während die Sozialisten ihre Sympathisanten aufgerufen hatten, zur Wahl zu gehen, um die Opposition zu stärken. Das glückte ihnen weitgehend.

Dennoch ist es das erste Mal seit dem Krebstod von Präsident Pompidou 1974, daß die Konservativ-Liberalen ihr eigener Nachfolger sind. Der Sieg ist nicht unbeträchtlich angesichts der geringen Wahlbeteiligung (bei der Präsidentenwahl war es umgekehrt) und des Scherbenhaufens, den die Chirac-Ära, mit dem sozialistischen Intermezzo von Lionel Jospin und dem neogaullistischen Inferno von Dominique de Villepin, hinterlassen hat: eine hohe Arbeitslosigkeit, ein geringes Wirtschaftswachstum, steigende Defizite der Sozialkassen, zahlreiche Verlagerungen von Unternehmen ins Ausland, die Flucht der arbeitswilligen Jugend nach England (in London arbeiten und leben 350000 Franzosen) und Amerika, eine unbeherrschbare Zuwanderung aus Afrika, eine unsinnige Vermögenssteuer, die nur ein Prozent der Steuermasse in die Kassen bringt, aber viele kleine Grundbesitzer aufgrund der explosiven Immobilienpreise in die Schuldenfalle stürzt, eine offene Feindschaft zwischen dem Staat und den Gewerkschaften, Streß mit Lehrerschaft, Krankenhauspersonal, Bediensteten der Staatsbetriebe und vor allem der Jugend in den sensiblen Vorstadtbezirken sowie schließlich ein gestörtes Verhältnis zu Amerika und den Staaten Osteuropas. Nein, Frankreich ging es nicht gut. Die Wähler haben Sarkozy einen Vertrauensbonus gegeben, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

Die Sozialisten werden ein potenter Gegner sein. Besonders die geschlagene Präsidentschaftskandidatin Royal, die sich am letzten Sonntag privat von ihrem Lebengefährten und Parteikollegen François Hollande getrennt hat. Aber beide führen stets das Wort "Kampf" im Munde. Darüber hinaus haben sie sich zweier Argumente bedient, die überzeugt haben. Angela Merkel nacheifernd hatte Sarkozy eine Erhöhung der Mehrwertsteuer in Aussicht gestellt, um unter anderem die sozialen Kassen wieder zu füllen. Es war die Rede von einer Erhöhung des aktuellen Satzes von 19,5 Prozent um weitere fünf Prozentpunkte. Zwischen den Wahlgängen betonten der Staatspräsident, sein Minister für Wirtschaft, Finanzen und Beschäftigung Jean-Louis Borloo und sein Minister für Arbeit, soziale Beziehungen und Solidarität Xavier Bertrand, allerdings zu spät, daß die Kaufkraft der Franzosen dadurch nicht beeinträchtigt würde. Ein Ziel der erhöhten Mehrwertsteuer soll es sein, eine Hürde gegen Billigimporte zu errichten und Betriebe zu bestrafen, die ihre Produktionsstätten verlagern. Das Argument trug nicht. Des weiteren deutete Sarkozy an, er wolle den Mindestlohn nicht erhöhen, sondern die gesamte Lohnskala nach oben ziehen. Das brachte den Linken Stimmen von den drei Millionen Unterprivilegierten im Lande, die sich am Leistungswettbewerb nicht beteiligen. Diese offene Flanke wird die Regierung nur dann schließen können, wenn es ihr gelingt, massiv Arbeitsplätze zu schaffen und Dauerprofiteure der Arbeitslosenversicherung wieder in den Arbeitsprozeß einzugliedern.

Darin spiegelt sich ein fundamentaler Dissens zwischen dem Sarkozy-Lager und den Anhängern von Royal wider. Er setzt auf Leistungs- und Aufstiegswillen, während die Linke der öffentlichen Hilfe für die Minderbemittelten weiterhin Priorität einräumt. Sarkozy hat versprochen, die Überstunden-Zuschläge von Sozialabgaben und Steuern zu befreien, um Dynamik in die Wirtschaft zu bringen. Es wird sich zeigen, ob dieses Prinzip greift oder ob es die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen verhindert, denn Arbeitsbeschaffung ist oberstes Regierungsziel. Immerhin unternimmt er damit einen Frontalangriff gegen den sozialistischen Fürsorgestaat, der aus neoliberaler Sicht der Klotz am Bein der Wirtschaft Europas ist.

Zweites Ziel ist die Schaffung von Kaufkraft. Die Zinsen für Baukredite werden steuerlich entlastet und der Nachholbedarf an Wohneigentum wird gedeckt. Darüber hinaus wird im Ministerrat über eine gestaffelte Mehrwertsteuererhöhung diskutiert, die bestimmte Berufe und Sparten schonen und andere belasten wird. Egal, was Brüssel davon hält. Weitere Steuermaßnahmen werden die Befreiung von Erbschaftssteuern für 95 Prozent der Franzosen und eine steuerliche Förderung von Investitionen in der Gestalt sein, daß das in "Trusts" und "Holdings" oder im eigenen Betrieb investierte Geld von der Vermögenssteuer befreit und ähnlich niedrig wie in der Schweiz versteuert wird.

Die Rückkehr der ins "steuerliche Exil" geflüchteten Franzosen ins Heimatland wird auch dadurch stimuliert, daß der Höchstsatz der Einkommensteuer auf 50 Prozent heruntergefahren wird. Diese neue Steuerpolitik könnte dem deutschen "Hochsteuerland" eine Lektion erteilen. Aber in Deutschland wird "soziale Gerechtigkeit" groß geschrieben. Sie besteht hauptsächlich darin, daß einige mehr als die anderen arbeiten, um die sozialen Schmarotzer über Wasser zu halten.

Foto: Mit Vertrauensbonus versehen: Sarkozy soll Frankreich nach vorne bringen.


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