25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
23.06.07 / Geschäftstüchtig / Vor 200 Jahren wurde Philipp Reclam geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-07 vom 23. Juni 2007

Geschäftstüchtig
Vor 200 Jahren wurde Philipp Reclam geboren
von Ingolf Herrmann

Heute gibt es sie in leuchtenden Farben, die Bände der Reclam Universal-Bibliothek: gelber Umschlag für deutschsprachige, orange für zweisprachige Ausgaben, rot für fremdsprachige Werke mit Vokabelhilfen, grüne mit Erläuterungen und Interpretationen, blaue mit Lektüreschlüssel für Schüler und mit Arbeitstexten. Lange vorbei ist die Zeit, da es Reclam-Hefte nur im schlichten Beige gab. Die Qualität der Inhalte aber ist gleich geblieben.

Begonnen hatte alles am 1. Oktober 1828, als Anton Philipp Reclam in Leipzig den Verlag des literarischen Museums gründete. Der vor 200 Jahren, am 28. Juni 1807, in Leipzig geborene Reclam hatte eine Lehre als Buchhändler und Buchdrucker in Braunschweig absolviert, als er sich von seinem Vater Carl Heinrich Reclam (1776-1844) 3000 Taler lieh, um eine Leihbibliothek zu kaufen, das Litherarische Museum. Die Reclams stammten ursprünglich aus Savoyen und waren Juwelenhändler, Goldschmiede oder Kaufleute. So wirkte der Großvater Anton Philipps noch als Juwelier Friedrichs des Großen. Der Vater aber war nach Leipzig gezogen und hatte dort eine Buchhandlung eröffnet.

Das Litherarische Museum zog seinerzeit viele Menschen an. Thomas Mann schilderte aus Anlaß des 100jährigen Bestehens des Verlags den Ort: "Das sogenannte Museum war eigentlich kein Museum, sondern ein gefährlich lebensvoller Ort: eine Stätte der Lektüre, der Diskussion, der Kritik. Wo alles verkehrte, was im guten Leipzig der falschen und frömmlerischen Ordnung aufsässig war." Reclam verkaufte 1837 das Museum und gab dem Verlag einen neuen Namen: Philipp Reclam jun. Eine Akzidenzdruckerei kam zwei Jahre später hinzu, und bald wurden nur noch eigene Werke dort gedruckt: Bibel-Ausgaben, Musikalien wie "Das singende Deutschland" oder französische Handwörterbücher.

Reclam, der mit den Ideen des Vormärz sympathisierte, gab unter anderem die Zeitschriften "Charivari" und die "Leipziger Locomotive" heraus. Diese wurden allerdings kurz nach ihrem Erscheinen verboten, zu aufrührerisch schienen sie der Obrigkeit. 1846 wurden gar alle Reclam-Bücher in Österrreich verboten, da sie zu "antihabsburgisch" waren.

Nach 1848 widmete sich Reclam fortan der Veröffentlichung griechischer und lateinischer Klassiker sowie von Lexika und Wörterbüchern. 1858 brachte er eine Shakespeare-Ausgabe heraus, die als Vorläufer der Universal-Bibliothek gilt. Als das Urheberrecht gelokkert wurde, nahm er sich auch der Werke Goethes und Schillers an - der erste Band der Universalbibliothek war Goethes "Faust I". Es folgten "Faust II" und Lessings "Nathan der Weise". Als Anton Philipp Reclam am 5. Januar 1896 in Leipzig starb, zählte die Bibliothek etwa 2300 Titel. Ihm war es gelungen, Bildung und Kultur zu einem günstigen Preis (bis 1917 kostete ein Buch 20 Pfennig je Nummer) auch zu denen zu tragen, die sich diese sonst nicht leisten konnten.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren