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23.06.07 / Republikflucht wegen Mutter / Ironisch-lustige Erzählungen von Irene Dische

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-07 vom 23. Juni 2007

Republikflucht wegen Mutter
Ironisch-lustige Erzählungen von Irene Dische

In "Fromme Lügen" erzählt Irene Dische die tragisch bis komischen Geschichten von sieben Menschen, deren Ausgang dem Leser immer wieder die sprichwörtliche "Ironie des Schicksals" vor Augen führt.

So zum Beispiel die Erzählung über den ostdeutschen Mathematiker Herrn Stein, der noch zu Zeiten der DDR immer wieder zu Vorträgen und Veranstaltungen in den Westen reisen und sämtliche Steuervorteile genießen darf, so daß dessen plötzliche "Republikflucht" in die BRD somit eigentlich nach außen hin wenig Sinn macht. Und tatsächlich kennt auch nur Herr Stein selbst den wahren Grund für seinen überstürzten Entschluß.

"Herrn Steins Mutter wohnte in Ost-Berlin und lebte ganz für den Augenblicken, da ihr Sohn endlich nach Hause kam und sie ihn mit Wehklagen der Dankbarkeit und Sorge willkommen heißen konnte. Schon Minuten nach seiner Heimkehr stellte sie ihm das Essen auf den Tisch. In Ost-Berlin war Herrn Stein kein Grund eingefallen, aus der Wohnung seiner Mutter auszuziehen. Wohnungen waren schwer zu bekommen, noch schwerer eine gute Haushälterin ... In seinen Akten waren Herrn Steins Schwierigkeiten beim Anknüpfen persönlicher Beziehungen vermerkt. Seine wichtigste emotionale Bindung war die an seine Mutter; sie waren für alle Ewigkeit Frau und Herr Stein." Als Herr Stein sich mit dem Gedanken abgefunden hat, alleine in Westdeutschland zu leben und seine geliebte Mutter lediglich zu gelegentlichen Besuchen zu empfangen, erfolgt eine Pressemeldung, mit der er nie im Leben gerechnet hätte: "Mutter folgt Sohn in den Westen. Mutter des Mathematikers flüchtet ohne Koffer."

Sieben Erzählungen über die Schicksale von sieben völlig verschiedenen Menschen begegnen dem Leser in diesem Buch, die es trotz ihrer Kürze an emotionalem Tiefgang nicht mangeln lassen.

So auch die Geschichte über den Buchhalter Charles Allen alias Johannes Allerhand aus Oregon, der sich eines Tages auf den Antikwarenladen seines jüdischen Vaters in Deutschland besinnt und kurzerhand dorthin reist, um auf die brünette, burschikose Esther zu treffen, die mittlerweile den Laden führt und ihn sogleich in ihre jüdische Abstammung und die tragischen Umstände ihrer Geburt einweiht. Ein mehr als seltsamer Verführungsversuch der sonst so ruppigen Esther stürzt den unerfahrenen Charles in völlige Verwirrung. "... und dann schob sie ihm etwas auf den Kopf. ,Dreh dich um, setz dich und sieh dich an', sagte sie. Er tat wie geheißen und sah einen dunkelhäutigen jungen Mann im blauem Anzug mit einem weißen Käppi auf dem Kopf. Im Hintergrund eine Frau in Weiß, an ihrem Busen ein glitzernder Davidstern ... Er sah im Spiegel, wie sie sich zu ihm herunterbeugte und er, von dem Bild getrieben, darauf einging: ein jüdischer Liebhaber."

Jedoch hütet Esther, deren Verhalten Charles gegenüber von Abneigung über Spott bis zu leidenschaftlicher Verführung reicht, ein Geheimnis, ein Geheimnis über ihre Vergangenheit, wovon der gutgläubige Charles Allen nicht mal im Schlaf zu träumen gewagt hätte.

Traurig, komisch, herzergreifend, so wie das Leben nun mal ist, erzählt Irene Dische in "Fromme Lügen" Geschichten, wie sie eigentlich nur das Leben selber schreiben kann. A. Ney

Irene Dische: "Fromme Lügen", Erzählungen, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2007, geb., 304 Seiten, 17,95 Euro, Best.-Nr. 6220


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