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23.06.07 / Störtebecker kapert wieder / Segel am Horizont - Auf Rügen hat der Festspielsommer begonnen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-07 vom 23. Juni 2007

Störtebecker kapert wieder
Segel am Horizont - Auf Rügen hat der Festspielsommer begonnen
von Günther Falbe

Totgeglaubte leben länger. Jedenfalls auf der Naturbühne Ralswiek auf der Insel Rügen. Wenn das nicht so wäre, würde es das Ende der Störtebeker Festspiele bedeuten, und das wäre jammerschade, nicht nur für die schöne Ostseeinsel und ganz Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch für den deutschen Festspiel-Sommer, in dem das Piratenspektakel am Großen Ralswieker Bodden seinen festen Platz hat. Es wäre auch schade für die mehr als 150000 Besucher, die bereits für das diesjährige Theaterstück "Verraten und Verkauft" gebucht haben, das vom 23. Juni bis zum 8. September über die traumhaft schöne Naturbühne unter dem hohen Ostseehimmel geht. Und das damit die Gesamtzahl der Besucher seit Beginn der Festspiele im Jahre 1993 schon jetzt an die Vier-Millionen-Marke katapultiert, die nach Ende der Spielzeit weit überschritten sein wird.

Dazu benötigt man keine hellseherischen Fähigkeiten - obgleich solche Eigenschaften auch gut zu dem Historienspiel passen würden - denn mit den G8-Gipfeltagen in Heiligendamm hat die deutsche Ostseeküste einen Image-Schub erfahren, wie ihn auch die beste Werbung nicht gebracht hätte. Bleibt zu wünschen, daß nicht nur die Bundeskanzlerin als Pfarrerstochter einen guten Draht zu Petrus hatte, der sich im letzten Jahr den Ralswiekern gegenüber nicht gerade freundlich gezeigt hatte. Es waren schon mittlere Katastrophen, die sich da abspielten. So versank kurz vor einer Vorstellung im total verregneten August eine Kogge im Sturm, dann ging der gesamte Wirtschaftskomplex mit dem Gasthaus "Zum Störti", Kostümabteilung, Garderoben, Maske und Mikroportraum in Flammen auf. Zum Glück kamen keine Menschen zu Schaden, es wurde auch nicht eine Vorstellung abgesagt. Und die Besucher hielten gut verhüllt in Regen und Sturm aus - in einer echten Kulisse ohne himmlischen Wolkenschieber! Und erlebten bis zum bitteren Ende des Hauptprotagonisten das schauerliche Geschehen: Störtebeker wird geköpft. Wie weiland 1401 auf dem Grasbrook in Hamburg.

Für Ralswiek steht er aber wieder auf, denn mit der 15. Inszenierung beginnt ein neuer Zyklus. Alles fängt von vorne an, als der junge Klaus noch nicht Störtebeker hieß und auch kein berüchtigter Pirat war. Seine Jugend liegt zwar im Dunkeln, die erste Nennung Störtebekers im Wismarer Verfestigungsbuch im Jahr 1380 läßt den Schluß zu, daß er zu diesem Zeitpunkt wohl etwas älter als 20 Jahre war. Da "Verraten und Verkauft" im Jahre 1379 spielt, läßt man Klaus von Alkun schon einen gestandenen Mann sein, der, aus der Fremde in seine Heimat Mecklenburg zurückkehrt, den Familienbesitz in Barth abgebrannt und die Eltern erschlagen vorfindet. Er ist voller Wut und Haß, sucht nach den Schuldigen, schließt sich anderen Verzweifelten an. Die Welt ist aus den Fugen. In den Hansestädten bietet die soziale Situation ein großes Spannungsfeld: Viele Landleute sind in der Hoffnung auf ein besseres Leben zugewandert, die sich aber nicht erfüllt. Da dieser Bevölkerungsanteil in manchen Städten fast die Hälfte der Einwohner ausmacht, hat sich ein starkes Unruhepotential gebildet. Der mecklenburgisch-dänische Konflikt kommt den "Vitalienbrüdern" gerade recht, die zum Kaperkrieg aufrufen und - obgleich im Kern aus mecklenburgischen Adligen bestehend - jeden aufnehmen, der sich ihnen anschließen will. Es läuft "viel loses Volk zusammen", wie Chronisten des 15. Jahrhunderts berichten. So stößt auch Klaus zu ihnen, der in dem schon damals berüchtigten Piraten Goedeke Michels einen Kumpanen findet, mit dem er die Vitalienbrüder zu den gefürchtesten Seeräubern der damaligen Zeit macht. Aber soweit ist man noch nicht in dem diesjährigen Störtebekerspiel, in dem es vor allem um die Aufklärung des an seiner Familie begangenen Verbrechens geht, um Lug und Betrug, Habgier und Mord, Liebe, Leidenschaft und Abenteuer. Vor allem aber um die Wandlung von Klaus zum trinkfesten "Störtebeker" und leidenschaftlichen Vitalienbruder, der schließlich in eine Falle gerät und gehängt werden soll. Daß aber so die Geschichte Störtebekers nicht enden darf, weiß jeder, denn schließlich ist er als "Gottes Freund und aller Welt Feind" als eine Legende in die Geschichte des Mittelalters eingegangen, und das gibt noch Stoff für viele neue Folgen auf der Ralswieker Festspielbühne.

Das Stück ist wieder glänzend besetzt mit altgedienten und neuen Akteuren. Störtebeker Sascha Gluth, der im vergangenen Jahr buchstäblich seinen Kopf verlor, ist als junger Klaus wieder auferstanden. Der "Störtebeker der ersten Stunde", Norbert Braun, der bis 2001 den Titelhelden spielte, kehrt nun als Bösewicht zurück, Dietmar Lahaine ist nach 14 Jahren in die Figur des Goedeke Michels geradezu hineingewachsen. Neu im Team ist Robert Glatzeder - wir sahen ihn zuletzt in dem Zweiteiler "Die Flucht" -, für Ingrid van Bergen wurde extra eine Rolle, die des Badeweibes "Alwine Röttelpötsch", geschrieben. Ohne "Lippi" geht es nicht, Wolfgang Lippert ist als Balladensänger wieder dabei. Ebenso gehört Falkner Volker Walter fest zu Ralswiek, er zeigt neben den Vorstellungen mit seinen Greifvögeln die mittelalterliche Kunst der Falknerei. Das sind nur einige Namen von den insgesamt 120 Mitwirkenden auf der Ralswieker Bühne am Großen Jasmunder Bodden, der nach jeder der 67 Vorstellungen, die von Montag bis Sonnabend jeweils um 20 Uhr stattfinden, von einem Feuerwerk erhellt wird.

Information / Kartenbestellung: Störtebeker Festsspiele. Am Bodden 100, 18528 Ralswiek, Telefon (0 38 38) 3 11 00, Fax (0 38 38) 31 31 92, Internet: www.stoertebeker.de , E-Mail: info@stoertebeker.de

Foto: Die Kulissen der Festspiele werden mit großem Aufwand angefertigt.


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