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30.06.07 / Suche nach dem verlorenen Profil / Die einstige Öko-Partei hat es schwer in Zeiten, in denen Klimaschutz bei allen im Trend liegt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-07 vom 30. Juni 2007

Suche nach dem verlorenen Profil
Die einstige Öko-Partei hat es schwer in Zeiten, in denen Klimaschutz bei allen im Trend liegt
von Mariano Albrecht

Aufs Protestieren, Betroffensein und Deutschland-bunter-machen verstehen sie sich, doch das grüne Urprofil der Umweltschutzpartei verblaßt zusehends. Die Grünen scheinen trotz noch nach Druckfarbe riechendem neuen Grundsatzprogramm an ihrer eigenen Neuerfindung zu basteln. Mit Hochdruck wird mit Blick auf die nächste Bundestagswahl nach potentiellen Koalitionspartnern gefahndet. Die einst pazifistisch-ökologisch orientierte Partei der Alternativen-, 68er- und Studentenszene gibt sich nach allen Seiten offen. Von der Protestpartei zur grünen Mitte? Mit dem Heranwachsen der Proteststudenten der 80er Jahre zu bürgerlichen Gutverdienern mit salonfähigen Ansichten zu Ökologie und Klimaschutz hat sich auch die Partei der Grünen verbürgerlicht.

Die Klientel von einst sitzt mittlerweile in Anwaltskanzleien, den Medien oder in Ingenieurbüros.

Seit der letzten Bundestagswahl und den zähen Verhandlungen über Koalitionsvarianten ist klar, daß sich die Grünen nicht mit den Plätzen in der Opposition zufriedengeben. Nur wie hält man an den einstigen Grundsätzen pazifistisch-ökologischer Politik fest, wenn man als Mehrheitenbeschaffer mit allen politischen Richtungen Annäherungspunkte finden muß? Während der Pragmatismus des Joschka Fischer den Grünen aufs gehobene politische Parkett half, mußte die Parteibasis den Abwurf von ideologischem Ballast in Kauf nehmen.

Spätestens seit der Zustimmung zu einer deutschen Beteiligung am Kosovo-Einsatz der Bundeswehr 1999 war klar, daß sich die Grünen zugunsten der Macht von sperrigen Idealen trennen mußten, um koalitionsfähig zu bleiben.

Was bleibt vom grünen Traum? Seit die einstige Blümchenretter- und "Atomkraft - Nein Danke"-Partei nach der letzten Bundestagswahl mit einem Paukenschlag in die Opposition gefegt wurde, lavieren die Grünen zwischen dem Kampf um die politisch erwachsenen bürgerlichen Öko-Multikulti-Sympathisanten aus der gesellschaftlichen Mitte und dem Klammern an den alten basisdemokratisch-linken Fundis aus der Gründerzeit der Umweltpartei. Dabei kleben ihnen die Altlasten aus der rot-grünen Regierungskoalition unter Bundeskanzler Gerhard Schröder wie Pech an den Fersen, und Anhänger wie Parteibasis beklagen den Verlust der grünen Identität. Parteivorsitzende Claudia Roth, das Gutmenschengewissen der Partei, konzentriert sich aufs Betroffensein und Retten von migrationshintergründigen Minderheiten mit fragwürdigem Demokratieverständnis. Ihr Partner an der Doppelspitze Reinhard Bütikofer wettert gegen die Linke, wenn die sich nun, während sie dabei ist, der SPD die Themen und Wähler streitig zu machen, auch am Grünen-Anspruch auf ökologische Politik zu schaffen macht. Linksparteichef Oskar Lafontaine habe in "bekannter und selbstverliebter Kraftmeierei" versucht, seine Partei neu zu positionieren, schimpft Bütikofer. Da klingt die nackte Angst durch. Claudia Roth, der die Abfuhr der G8-Gipfelgegner, als sie sich in gewohnt Roth'scher Art an die Spitze der Protestler setzen wollte und von denen nach Hause geschickt wurde, noch in den Knochen steckt, ist schon wieder mit Kämpfen und Empörtsein beschäftigt. Diesmal hat es ihr der türkische Heimatort des deutsch-türkischen Regisseurs Fatih Akin ("Gegen die Wand") angetan. Medienwirksam kämpft sie gegen die Errichtung einer Müllkippe.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast ist auch immer gut für verquere Ideen, wenn sie lange keine Fernsehkamera in ihrer Nähe hatte. Vor kurzem wollte sie mit einem Anti-Fernflug-Appell deutschen Urlaubern ein grünes Gewissen aufschwatzen, andernfalls solle man einen Langstreckenzuschlag für Fernflüge einführen, also dem Bürger seinen wohlverdienten Urlaub, so er sich den noch leisten kann, mit einem weiteren Griff in die Tasche vermiesen. Nun denkt sie ungefragt über schwarz-grüne Avancen nach und brüskiert die eigenen Reihen. Die Frau weiß, was gut ist für die Partei, eben noch mit der SPD im Bunde, und wenn das Eis dünn wird, kann man ja mal über einen Ausflug ins Lager der Union nachdenken. Stellt sich nur die Frage, womit die Grünen den neuen politischen Wunschpartner beeindrucken wollen. Angela Merkel macht in Klimaschutz, die Oskar-Lafontaine-Gewinner-Linkspartei bedient sich auf dem Öko-Acker, und seit Roth Tornados in Afghanistan toll findet, wollen die Pazifisten und Anti-Globalisierer auch nichts mehr von den Grünen wissen. Bleiben nur die Ausländerpolitik und die Minderheiten, um die sich Parteichefin Roth und Volker Beck, der von einer Schwulen-Demo zur anderen reist und in Moskau dafür Prügel einsteckt, gern kümmern. Programmatische Leere im grünen Lager.

Bei der Sonntagsfrage hinken die Grünen mit acht Prozent noch der FDP hinterher. Auch wenn sich die Parteispitze als Allround-Koalitionspartner positionieren möchte, wird die Partei es schwer haben, dem Wähler zu erklären, warum das Tafelsilber verhökert wird.

Zu alledem drohen verprellte Realos zur bürgerlichen FDP überzulaufen, und Altlinke und Fundis, die in der Bundespolitik schon seit Ende der 80er Jahre keine Rolle mehr spielen, flirten schon jetzt mit der Linkspartei. Der Sympathieverlust aus der Zweckehe mit der SPD unter Gerhard Schröder macht den Grünen zu schaffen. Das Roulette um die Neuverteilung von Wahlkampfthemen dreht sich seit geraumer Zeit. So können Claudia Roth und Co. sich zwar an allerhand Optionen erwärmen, realistisch bleibt jedoch Rot-Grün. Ob wir uns davor fürchten müssen, bleibt allerdings mit Blick auf die Umfragewerte von Kurt Beck und seiner SPD eher fraglich.

Foto: Versuchen, alte und neue Ideale auszubalancieren: Claudia Roth und Reinhard Bütikofer


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