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30.06.07 / Mann der Rekorde / Ein Hoffnungsträger tritt ab - Bilanz nach zehn Jahren Blair

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-07 vom 30. Juni 2007

Mann der Rekorde
Ein Hoffnungsträger tritt ab - Bilanz nach zehn Jahren Blair
von Manuel Ruoff

Man muß schon lange in der Geschichte von Labour suchen, um einen Parteivorsitzenden und Premierminister zu finden, mit dem weit über Großbritanniens Grenzen hinaus derart viele Hoffnungen verbunden waren, wie mit dem jetzt aus beiden Ämtern geschiedenen Tony Blair. Konnte er den Hoffnungen gerecht werden? Nimmt man als Richter den Souverän, das Volk, und als quantifizierbare Größe dessen Votum bei den Parlamentswahlen, scheint er es getan zu haben.

Am 1. Mai 1997 errang Labour mit Blair als Spitzenkandidaten mit 44 Prozent der Stimmen und 418 von 659 Sitzen den größten Wahlsieg seiner Geschichte. Bei den Unterhauswahlen vom 7. Juni 2001 waren es immerhin noch 40,7 Prozent, die aufgrund des britischen Mehrheitswahlrechts mit 413 Sitzen immer noch für eine satte Mehrheit reichten. Bei den Parlamentswahlen vom 5. Mai 2005 mußte Labour zwar deutliche Verluste hinnehmen, aber die Premiere war geschafft. Keinem anderen Politiker war es bis dahin gelungen, dreimal hintereinander Labour zum Wahlsieg zu verhelfen.

Auch in anderer Beziehung ist Blair ein Labour-Politiker der Superlative. So gilt er als der religiöseste Premierminister seit William Ewart Gladstone. Gladstone ist ein Mann des 19. Jahrhunderts. Da war an Labour-Premiers noch gar nicht zu denken. Die starke Religiosität des in einer Mischehe mit einer römisch-katholischen Ehefrau lebenden Anglikaners bietet auch einen Erklärungsansatz für Blairs Verhalten gegenüber George W. Bush, das selbst in einem Land, in dem die "spezial relationship" (besondere Beziehung) zur ehemaligen Kolonie zur Staatsräson gehört, nicht (mehr) populär ist. Es ist nicht auszuschließen, daß Blair selber an seine Appelle für einen ethischen Interventionismus und eine bessere, mit Hilfe der USA durchzusetzende Neuordnung der Welt glaubt.

Außer für diesen Teil der Blairschen Politik könnte seine Religiosität aber auch ein Erklärungsansatz für sein staatstragendes, sehr gewinnendes Verhalten nach dem Tode von Diana bieten. Das, was das Königshaus an Herzenswärme nach dem Tode Dianas in der Öffentlichkeit vermissen ließ, konnte er zumindest teilweise kompensieren.

Rekordverdächtig ist auch sein Alter bei Amtsantritt. Damals war er noch nicht einmal 44 Jahre alt. Er war damit der jüngste Premierminister seit 1812. Unterstrichen wurde sein jugendliches Image dadurch, daß aus seiner Ehe mit Cherie Booth nach Euan Anthony, Nicholas John und Kathryn Hazel im Jahre 2000 auch noch Leo George hervorging.

Seine Jugendlichkeit erleichterte es Blair, sein Konzept von "New Labour" und analog dazu die Verheißung auf ein "New Life for Britain" glaubhaft zu vermitteln. "New Labour" erlaubte es Blair, alte Schöpfe der Partei abzuschneiden. Es entband ihn von der Pflicht, als Regierungschef die marktwirtschaftlichen Strukturreformen Margaret Thatchers rückgängig zu machen und damit sein Land in ein Stadium zurückzuwerfen, in dem Großbritannien vor der Eisernen Lady war und kontinentaleuropäische Staaten - allen voran Deutschland - heute noch verharren. Dadurch gab er Thatchers Reformen die Chance, auch noch in seiner Amtszeit zu wirken und wirtschaftliche Kennziffern zu produzieren, in deren Lichte er sich sonnen konnte.

Für uns Deutsche naturgemäß sehr wichtig ist die britische Europapolitik. Auch hier verzichtete Blair auf einen Bruch mit der konservativen Vorgängerregierung. So hat er zwar nicht verhindert, daß der sogenannte Briten-Rabatt bis 2013 um 10,5 Milliarden Euro verringert wird, aber immerhin erreicht, daß er bestehen bleibt. Danach wird sich Großbritannien zwar grundsätzlich anteilig an den Kosten der EU-Osterweiterung beteiligen, nicht jedoch hingegen an dem sich aus der Agrarpolitik ergebenden Teil.

Vom konservativen Gegner ungeschlagen, ist Blair nun von Bord gegangen. Dabei ist Blair seit diesem Mai gerade einmal 54 Jahre alt. Damit ist er über zwei Jahre jünger als sein Nachfolger Gordon Brown. Für den zumindest auf den ersten Blick irritierenden Umstand, daß der Jüngere einem Älteren das Feld räumt, sind neben dem Verschleiß, den ein Jahrzehnt an der Spitze einer Großmacht auch bei einem Jüngeren bewirkt, zwei mögliche Ursachen erwähnenswert, die sich gegenseitig nicht ausschließen, sondern durchaus ergänzen können. Zum einen hat Blair die letzten Unterhauswahl zwar noch gewinnen können, aber über die Wahlen läßt sich eine kontinuierliche Abnahme der Zustimmung der Bevölkerung zu seiner Politik ablesen, wozu seine Irakpolitik das ihrige beigetragen hat. Zum anderen hält sich das hartnäckige Gerücht, daß Brown als Gegenleistung dafür, daß er bei der Neuwahl des Labourvorsitzenden am 21. Juli 1994 auf eine Kandidatur verzichtete, vom Wahlsieger Blair das Versprechen erhalten habe, daß dieser zu gegebener Zeit zu seinen Gunsten als Parteivorsitzender und Premier zurücktreten werde.

Foto: England ehemaliger Premier: Blairs Nähe zum US-Präsidenten (l.) überschattet seine Leistungen.


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