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30.06.07 / In Mayerling kam es zum tragischen Ende / Berühmte Liebespaare der Kulturgeschichte: Kronprinz Rudolf von Österreich und Mary Vetsera

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-07 vom 30. Juni 2007

In Mayerling kam es zum tragischen Ende
Berühmte Liebespaare der Kulturgeschichte: Kronprinz Rudolf von Österreich und Mary Vetsera
von Esther Knorr-Anders

Mit wachsender Unruhe beobachtete die verwitwete Baronin Helene Vetsera ihre bildhübsche, 17 Jahre alte Tochter Mary, die sich mit dem österreichischen Kronprinzen Rudolf (1858-1889) unterhielt, während ein eigentümliches Lächeln ihre Lippen umspielte. Es war der 27. Januar 1889. In der Deutschen Botschaft in Wien fand ein Empfang statt. Obwohl Rudolf und Mary von dichter Gästeschar umringt standen, wirkten beide, als befänden sie sich auf einer fernen exotischen Insel. Diskrete Blicke streiften das Paar. Die Ehegattin Rudolfs, die belgische Prinzessin Stefanie, nahm die Verstricktheit der beiden nicht zur Kenntnis. Ihr war es egal, ob und wen ihr Mann liebte. Sie waren verheiratet worden; ob sie zusammenpaßten, danach wurde in Hochadelskreisen nicht gefragt. Baronin Vetseras Unruhe steigerte sich zur panikartigen Sorge. Mit dem sicheren Gespür der liebeskundigen Frau stufte sie den Blickwechsel des Paares als "die Nacht gehört uns" ein. Sie mußten sich kennen, schon länger. Aber wie und wo war das geschehen?

Rudolf hatte eine harte militärische Ausbildung erhalten, die für die spätere "Kaiserwürde" als unerläßlich galt. Sie strapazierte den Jungen. Nicht nur äußerlich glich er seiner schönen Mutter, der Kaiserin Elisabeth. Wie sie litt er an psychischen Indispositionen, die er - erwachsen geworden - mit Alkohol und Drogen zu überwinden suchte. Seit dem 19. Lebensjahr hatte er eine Suite mit Dienerschaft in der Hofburg. Von den Regierungsgeschäften blieb der mittlerweile 30jährige ausgeschlossen, denn seit dem "Memorandum über die politische Situation", das er seinem Vater übergeben hatte, mißtraute man ihm mehr denn je. Nichts Geringeres als eine weitreichende Bodenreform, die erhöhte Besteuerung des Großgrundbesitzes und erhebliche bürgerrechtliche Zugeständnisse für die slawischen Minderheiten im Vielvölkerstaat hatte er gefordert. Das war nicht nur "liberal", das wurde als "radikal" gewertet. Rudolf wurde überwacht, bespitzelt. Freunde bei Hof hatte er nicht. So fand er enge Vertraute außerhalb der Hofclique. Sie kamen aus prominenten Journalistenkreisen und aus dem ungarischen Hochadel, in dem das Bestreben keimte, die Unabhängigkeit Ungarns von Österreich zu erzielen. Anonym verfaßte Rudolf für Moritz Szeps, Chefredakteur des "Neuen Wiener Tagblatts", politische Artikel. Szeps gelangte nachts durch einen Seiteneingang und über die Hintertreppe in Rudolfs Gemächer. Stundenlang diskutierten sie. In selbstbetrügerischer Sicherheit eilte Rudolf seinem Lebensfinale zu.

Über die selbe Hintertreppe kam auch Mary zu Rudolf. Baronin Vetsera ließ ihre umschwärmte Tochter nie ohne Begleitung aus dem Haus. Am liebsten vertraute sie Mary der Gräfin Marie Larisch an, die eine Cousine Rudolfs und langjährige Freundin der Baronin war. Daß sie mit der Wahl der Gräfin einen hanebüchenen Fehler machte, konnte sie wirklich nicht voraussehen. Vermutlich hatte Marie Larisch während einer Burgtheater-Aufführung das Interesse Rudolfs an Mary bemerkt und sie ihm zwanglos vorgestellt. Und warum sollte er die Cousine nicht zum Tee in seine Suite bitten? Daß sie ihre Schutzbefohlene mitbrachte, versüßte den Teegenuß. Da die Gräfin nicht immer Lust auf Tee hatte, vereinbarte man, daß Rudolfs ständiger Fiaker die Damen zwar gemeinsam zum vorgetäuschten "Einkaufsbummel" abholte, Mary aber allein bei der Hintertreppe ausstieg, wo Rudolfs Kammerdiener Loschek sie erwartete und sie zu ihm geleitete. Am 13. Januar 1889 schrieb Mary ihrer alten Gouvernante: "Ich war gestern von 7 bis 9 Uhr bei ihm. Wir haben beide den Kopf verloren. Jetzt gehören wir uns mit Leib und Seele an." Das "Angehören" umfaßte noch die Zeitspanne von 17 Tagen.

Bei einem erneuten Zusammensein streifte ihr Rudolf einen Ring an den Finger. Er trug sieben eingravierte Versalien. Er erklärte den Sinn: "In Liebe vereint bis in den Tod." Als hätte sie in den verstrichenen Wochen die Entschlußkraft einer gereiften Frau erworben, erwiderte Mary: "Das gilt!" Ob sie es ernst meine, fragte Rudolf. Mary wiederholte: "Vereint bis in den Tod." Er legte seine Hände auf ihre Schultern: "Dem Himmel sei Dank, ich bin nicht allein."

Sie trafen sich in dem in verschneiten Wäldern gelegenen Jagdschloß Mayerling. Loschek hatte für beide ein Abendessen vorbereitet. Beim Schein des Kaminfeuers tranken sie Champagner. Am frühen Morgen erwartete Rudolf seinen Freund Graf Hoyos, mit dem er aus Ungarn erhaltene Briefe und Telegramme besprechen wollte. Hoyos blieb bis in die Nacht hinein bei ihm. Er verabschiedete sich unbesorgt, obwohl er wußte, daß Rudolf die ungarischen Nationalisten in ihrem Freiheitskampf unterstützte.

Später wird Loschek bezeugen, daß Rudolf beim Lesen eines Telegramms gesagt habe: "Es muß geschehen." Nach Hoyos Weggang zogen sich Rudolf und Mary ins Schlafzimmer zurück. Rudolf verriegelte die Tür. Was dann geschah, blieb ohne Zeugen. Am Morgen des 30. Januars brachen Loschek und Hoyos die Schlafzimmertür auf. Sie fanden Rudolf, mit zerschmetterter Schläfe auf den Bettrand gestürzt; Mary, durch eine Kugel in die Stirn getötet, gleich einer friedlich Schlafenden.

In Wien überstürzten sich die Gerüchte. Laut offiziellem Hofkommuniqué hatte Rudolf in "schwerer Sinnesverwirrung" sein Leben durch Freitod beendet. Mary wurde nicht erwähnt. Es war, als hätte es sie nie gegeben. Ihre beiden Onkel wurden nach Mayerling zitiert. Sie mußten der Leiche die Reisekleidung anziehen, in der Mary nach Mayerling gekommen war. Zwei Hofbeamte und ein Polizist begleiteten die Kutsche, in der die Tote, aufrecht zwischen den Onkeln sitzend, zum Friedhof von Stift Heiligenkreuz transportiert wurde. Die dort wartenden Totengräber mühten sich mit der eisigen Erde ab. Endlich war die Grube tief genug, um den bereitstehenden Bleisarg einsenken zu können. Sehr viel später trug ein schlichter Stein Marys Namen. Rudolf wurde traditionell in der Kaisergruft beigesetzt. In den Abschiedsbriefen an ihre Familien hatten die beiden Verblichenen die Bitte geäußert, zusammen beerdigt zu werden. Vielleicht hatten sie sogar daran geglaubt.

Foto: Sie fanden kein Glück: Rudolf und Mary


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