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30.06.07 / Der Volksheld Italiens / Vor 200 Jahren geboren: Giuseppe Garibaldi stritt für Einheit in Freiheit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-07 vom 30. Juni 2007

Der Volksheld Italiens
Vor 200 Jahren geboren: Giuseppe Garibaldi stritt für Einheit in Freiheit
von Anne Bruch

Gerne wird Deutschland als "verspätete Nation" bezeichnet. Neben dem deutschen gibt es diverse europäische Völker, denen ein eigener Nationalstaat erst vergleichsweise spät vergönnt war. Von diesen hatte allerdings nur einer Großmachtstatus, der italienische. Zwischen der deutschen und der italienischen Einigung gab es durchaus Ähnlichkeiten. In beiden Fällen standen an der Spitze der Neugründungen Monarchen, im italienischen Fall der König von Italien, Victor Emanuele II. In beiden Fällen hatten die Herrscher vor der Staatsgründung einen Teilstaat regiert, im italienischen Fall das Königreich Sardinien-Piemont. In beiden Fällen war der Versuch einer Einigung "von unten" im Zuge der 1848er Revolution gescheitert. In beiden Fällen wurde statt dessen erst einige Jahre später die nationale Frage durch die Anwendung geschickter Diplomatie und militärischer Gewalt entschieden, im deutschen Fall, nachdem in der Entscheidungsschlacht von Sedan 1870 der französische, im italienischen Fall, nachdem im sogenannten Zweiten Italienischen Unabhängigkeitskrieg 1859 der österreichische Widerstand gegen eine nationalstaatliche Lösung gebrochen war.

Trotz all dieser Gemeinsamkeiten, Analogien und Ähnlichkeiten gibt es allerdings in Deutschland keinen Abenteurer, Guerillakämpfer, Idealisten und Freiheitshelden, der im Zusammenhang mit der Einigung auch nur annähernd derart verehrt würde wie Giuseppe Garibaldi in Italien. Obwohl sich Garibaldis idealistische Hoffnungen auf eine spätere demokratische Gestaltung eines italienischen Nationalstaates zumindest zu seinen Lebzeiten nicht erfüllt haben, gehört er bis heute zu den großen Leitfiguren der italienischen Geschichte. Wer aber war dieser Italiener, der einen solch festen Platz im kollektiven Gedächtnis seiner Nation innehat?

 

Giuseppe Garibaldi wurde am 4. Juli 1807 in Nizza geboren. Dort verbrachte er auch seine Jugend- und Schulzeit. Anstatt anschließend die von seinen Eltern für ihn vorgesehene akademische Laufbahn einzuschlagen, heuerte der 16jährige jedoch 1823 auf einer von einem Landsmann kommandierten russischen Brigg an. Als Seemann lernte er in den folgenden Jahren Landsleute aus den unterschiedlichsten Teilen seines noch ungeeinten Vaterlandes kennen. Er ließ sich für die Sache Italiens gewinnen und kam zum ersten Mal mit den politischen Fragen in Berührung, die Europa zu dieser Zeit erschütterten.

Beeinflußt von den republikanisch-nationalen Ideen Giuseppe Mazzinis, trat Garibaldi 1832 dem Geheimbund Giovine Italia (Junges Italien) bei, der sich für die nationale Einigung und Unabhängigkeit Italiens einsetzte. So erfuhr Garibaldi von einem Treffen der Patrioten in Genua, als das zur königlichen Marine des Staates Piemont gehörende Schiff, auf dem er seinen Militärdienst ableistete, im Hafen der Stadt lag. Er desertierte, um daran teilnehmen zu können. Im französischen Marseille, wo er unter falschem Namen Zuflucht fand, erfuhr er von seiner Verurteilung zum Tode.

Erneut schiffte sich der kämpferische Idealist ein, diesmal nach Nordafrika und Südamerika. In Rio de Janeiro, einem Zentrum italienischer Einwanderer, ging Garibaldi zunächst dem väterlichen Beruf des Speditionskaufmannes nach, der ihn jedoch kaum ernähren konnte. Er nahm Kontakt zu patriotischen Verbänden auf und beteiligte sich in Brasilien und Uruguay am bewaffneten Kampf gegen die absolutistischen Herrscher. Die militärischen Erfolge, die er dabei trotz meist nur geringer finanzieller Unterstützung und wenigen Anhängern erzielen konnte, brachten Garibaldi den ehrenhaften Beinamen Eroe "dei due mondi" (Held der zwei Welten) ein. Aus dieser Zeit als Oberbefehlshaber der republikanischen Truppen stammt auch das Erkennungsmerkmal Garibaldis: das rote Hemd. Es wurde zum Uniformstück seiner Mannen und zum Symbol für Garibaldis republikanische Ideale. An Erklärungen für den Ursprung mangelt es nicht. Die wahrscheinlichste ist die, daß die stets um Geld verlegene Freiwilligentruppe billig einen größeren Posten Stoff von einer bankrottgegangenen Textilfabrik in Montevideo hatte aufkaufen können, der ursprünglich für Schlachterschürzen vorgesehen war.

Doch Garibaldi hielt es nicht in Südamerika. Als ihn Anfang 1848 die Nachricht erreichte, daß in Italien bereits in verschiedenen Städten die Revolution ausgebrochen sei, verließ er Amerika, um sich am italienischen Freiheitskampf zu beteiligen. Aber weder der Papst noch das Königreich Piemont nahmen sein Angebot an, ihn und seine Truppen in die reguläre Armee zu integrieren. Nach den ersten gescheiterten Kampfversuchen floh Garibaldi in die Schweiz, dann nach Nizza und Genua. Erst ein Jahr später, 1849 wurde Garibaldi wieder aktiv und beteiligte sich als Anführer an den Aufständen in Rom. Dort wurde zwar nach der Flucht des Papstes im Februar die Repubblica Romana, die Römische Republik ausgerufen, aber nachdem die französischen Truppen als Alliierte des Heiligen Stuhls den verzweifelten Widerstand der Patrioten hatten brechen können, mußte Garibaldi erneut flüchten. Wieder nahm er den Weg über das Meer. Die Stationen seiner Flucht waren Tunesien, Gibraltar, Tanger, Liverpool, New York und noch einmal Südamerika.

Erst 1859 kehrte Garibaldi offiziell nach Italien zurück. Die politischen Verhältnisse in Italien und das europäische Gleichgewicht der Mächte hatten sich seitdem infolge des Krimkrieg von 1856 verändert. So hatte mittlerweile das Königreich Sardinien-Piemont die Führungsrolle in der italienischen Nationalbewegung übernommen. Im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Sardinien-Piemont und Österreich, die von seiten Turins von langer Hand vorbereitet wurde, kam nun den Freiwilligenverbänden eine besondere Rolle zu. Durch sie konnte man am besten Frankreich und die Beobachter ganz Europas davon überzeugen, daß Sardinien-Piemont tatsächlich die Interessen des ganzen unterdrückten Italiens vertrete. Wenn es aber darum ging, möglichst viele Freiwillige zu gewinnen, dann gab es nur einen Namen! Diesmal war es also nicht Garibaldi, der dem König seine Unterstützung vorschlug, sondern der König bat ihn um eine Unterredung.

Garibaldi akzeptierte und wurde daraufhin zum General einer regulären piemontesischen Armee ernannt, die den legendären Namen "Cacciatore delle Alpi" (Gebirgsjäger) erhielt und sich tapfer am sogenannten Sardischen oder Zweiten Italienischen Unabhängigkeitskrieg gegen Österreich beteiligte. Aber nach den Friedensverhandlungen von Villafranca verließ Garibaldi enttäuscht die königliche Armee, die ihm nur eine Beteiligung am Rande des kriegerischen Geschehens ermöglicht hatte.

Garibaldi plante nun seinerseits eine Militäraktion in Süditalien, von deren Durchführung ihm sowohl König Victor Emanuele II. als auch dessen Minister Camillo Benso di Cavour dringend abgeraten hatten. Doch als Garibaldi von einem angeblich im April 1860 in Palermo ausgebrochenen Aufstand erfuhr, verließ er mit einer kleinen Freiwilligeneinheit Genua in Richtung Sizilien. Garibaldi landete im Mai in Marsala an der Westküste der Insel, um dann mit seinem kleinen Freiwilligenheer, bestehend aus nicht mehr als 1000 Mitkämpfern, die in der Überzahl befindlichen bourbonischen Truppen zur militärischen Aufgabe zu bewegen. Am 13. Mai übernahm er im Namen von Vittorio Emanuele für Sardinien-Piemont die Diktatur über ganz Sizilien.

Mit seinen Freiwilligen, die mittlerweile auf 3000 angewachsen waren, überquerte Garibaldi anschließend die Meerenge von Messina und eroberte Neapel. Die europäischen Großmächte verfolgten Garibaldis Zug mittlerweile mit Argwohn, da sie um das europäische Gleichgewicht fürchteten. Denn Garibaldi plante, auch den Kirchenstaat zu besetzen. Der sardisch-piemontesische Ministerpräsident Cavour organisierte deshalb, unterstützt durch Frankreich, selbst eine Militärexpedition in den Süden Italiens. Nach der Eroberung Mittelitaliens, marschierten die Piemontesen durch Kampanien in die Abruzzen, wo etwa 20 Kilometer nordöstlich von Capua in dem kleinen mittelitalienischen Dorf Teano eine historische Zusammenkunft von Garibaldi und Vittorio Emanuele stattfand. Garibaldi übergab dem König die eroberten Regionen und zog sich auf die Insel Caprera, auf der er ein Stück Land besaß, zurück. Im Herbst 1860 fanden in verschiedenen italienischen Gebieten Volksabstimmungen statt, die den Anschluß an das Königreich Piemont-Sardinien bestätigten. Im März 1861 erklärte daraufhin das Parlament in Turin Vittorio Emanuele II. einstimmig zum neunen Herrscher des Königreichs Italien. Daß die demokratische Bewegung, der sich Garibaldi verschrieben hatte, politisch schnell in die Opposition gedrängt wurde, steht auf einem anderen Blatt.

Mit dem berühmten "Zug der Tausend" (Spedizione dei Mille) verschaffte sich Garibaldi den größten Ruhm. Er war durch seine vielen siegreich geschlagenen Schlachten nicht nur einer der erfolgreichsten Feldherren Italiens seit der Antike, sondern auch die Verkörperung des Kampfes David gegen Goliath. Durch seine Persönlichkeit und politischen Idealismus hatte er frühzeitig genügend Anhänger für die italienische Sache gewinnen können. Garibaldi hatte unter dem Beifall der europäischen Öffentlichkeit bewiesen, daß ein Haufen schlechtbewaffneter Partisanen, wenn diese von der Bevölkerung unterstützt werden, jeder Großmacht überlegen sein kann. Aus diesem Grund haßten und fürchteten ihn die Angehörigen aller Armeen dies- und jenseits des Atlantiks.

Die Einigung Italiens, die er mit seinem Zug der Tausend eingeleitet hatte, ist aber nicht der einzige Grund für Garibaldis bis heute anhaltende ungeheure Popularität. So wußte Garibaldi schon damals geschickt die internationale Presse für seine Interessen zu nutzen.

Er kontrollierte erfolgreich seine eigene Legende und nutzte alle publizistischen Möglichkeiten, um seinen demonstrativen Rückzug von der Macht auszunutzen. Garibaldi stilisierte sich selbst zum tragischen Helden, der zwar militärische Triumphe für Italien hatte feiern können, aber politisch gescheitert war.

So gab er sowohl durch seine öffentlichen Auftritte in Rom, London, Genf und in den diversen europäischen und italienischen Parlamenten als auch durch sein einfaches Leben auf der Insel Caprera, auf der er bis zu seinem Tode 1882 lebte, zu verstehen, daß für ihn die Politik ein schmutziges Geschäft sei, aus dem sich der Ehrliche herauszuhalten habe, wenn er nicht von den eigenen Idealen enttäuscht werden wolle.

Foto: Garibaldi und seine "Rothemden" genannten Freischärler: Landung nach der Fahrt von Genua nach Marsala am 11. Mai 1860


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