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07.07.07 / Die unternehmerische Universität / Realistische Perspektive für die Hochschulen oder Illusion?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-07 vom 07. Juli 2007

Die unternehmerische Universität
Realistische Perspektive für die Hochschulen oder Illusion?
von George Turner

Ein neues Modewort geistert durch die Hochschullandschaft: "Unternehmen Universität" oder "Unternehmerische Universität". Skeptiker befürchten dahinter eine Kommerzialisierung der Bildung, oft gleichgesetzt mit Privatisierung. Sofort wird gegen Studiengebühren, private Hochschulen und Einfluß der Wirtschaft gewettert. Gemeint ist mit der Universität als Unternehmen allerdings etwas anderes. Für die Einrichtung als Ganze sollen  Ziele vorgegeben und die Umsetzung kontrolliert werden; die Einrichtungen sollen als Gesamtgebilde etwas erreichen und Erfolg haben; an der Spitze erwartet man eine Persönlichkeit, die etwas gestalten will. Das kann leicht mit den Interessen der Träger von Teilleistungen, also den Professoren kollidieren. Auch sie wollen etwas erreichen, nämlich eine möglichst optimale Leistung und Anerkennung auf ihrem Fachgebiet. Lösbar ist der Konflikt nur, wenn die Vertreter der Fächer in das Gesamtvorhaben "Unternehmen" einbezogen werden. Ohne oder womöglich gegen sie kann das Ergebnis nur eine "atomisierte" Institution sein, in der bestenfalls jeder für sich, wenn nicht jeder gegen jeden kämpft. Sicher ist es erstrebenswert, daß eine Hochschule sich nicht nur als Summe der Leistungen der einzelnen Mitglieder darstellt; aber eine Universität ist nun einmal kein Unternehmen, das auf ein ganz bestimmtes Ziel ausgerichtet ist. Noch nicht einmal die Forschungsabteilungen von Unternehmen sind mit den wissenschaftlichen Instituten von Universitäten ohne Einschränkung zu vergleichen. Zwar ist es richtig, daß von beiden exzellente Arbeit erwartet wird. Die Aufgabe von Forschungsabteilungen in Unternehmen aber ist darauf gerichtet, im Rahmen der betrieblichen Vorgabe ein Ergebnis zu erzielen, Forscher in Hochschulen hingegen können so nicht "an die Kandare" genommen werden.

Viel gewonnen wäre schon, wenn anerkannte Methoden des Managements und des ökonomischen Handelns aus der Wirtschaft übernommen würden, soweit sie übertragbar sind. Die Möglichkeiten hat bereits eine sehr detaillierte Darstellung aus dem Jahr 1976 aufgezeigt (WIBERA-Projektgruppe / Bolsenkötter, Ökonomie der Hochschule: Eine betriebswirtschaftliche Untersuchung). Die Richtung paßte seinerzeit den zuständigen Ministerien nicht, bedeutete die Umsetzung doch eine Verlagerung von deren Kompetenzen an die Universitäten. Man richtete zwar Stellen für Präsidenten ein mit einer zum Teil achtjährigen Amtszeit, wenn es aber darum ging, Kompetenzen auf ein so ausgerichtetes professionelles Management zu verlagern, stellte sich die Bürokratie quer. Immer deutlicher wurde der Ruf nach einer Verbesserung der Bedingungen für ein Management an den Hochschulen. Hinderlich waren und sind vor allem zwei Gegebenheiten, eine, die von außen wirkt, und eine andere, welche intern stranguliert. Von außen ist es die Rechts- und Fachaufsicht durch die Ministerialbürokratie. Solange die Hochschulen Kostgänger des Staates sind - und ein Ende ist nicht erkennbar - wird der Staat nicht auf ein Maß an Einfluß verzichten. Soweit sich dies auf die Rechtsaufsicht beschränkt, ist das immerhin nachvollziehbar und insoweit verständlich. Kontraproduktiv für die Gewinnung eines effektiv arbeitenden Managements ist es allerdings, wenn in Fachfragen hinein regiert wird, und dies womöglich von Beamten, die eine nachgeordnete Funktion innerhalb der Hierarchie einer Behörde einnehmen. Das andere Hindernis besteht in den - von staatlicher Seite - gesetzten Regelungen über die Mitwirkung aller Gruppen und die überzogenen Bestimmungen zugunsten der Personalvertretung. Aber selbst wenn es hier zu einer Reduzierung der staatlichen Regelungen käme, bleibt ein Unterschied etwa zu Unternehmen der Wirtschaft. Das Management eines Industrieunternehmens kann im Prinzip davon ausgehen, daß die Mitarbeiter auf das selbe Ziel verpflichtet sind, nämlich optimale Ergebnisse zu erzielen, gleichgültig, ob man dabei in erster Linie an die Steigerung der Produktivität oder den shareholder value denkt. Bei Hochschulen ist das anders. Das Ziel des "Unternehmens Universität", in dem Sinn, daß der Ruf der Einrichtung in Lehre und Forschung erstklassig ist, interessiert den einzelnen Professor erst in zweiter Linie. Für Wissenschaftler ist vor allem von Bedeutung, wie es um das eigene Ansehen bei Fachkollegen, die Reputation im Umfeld, die Akzeptanz bei den Studierenden aussieht. Insofern ist jeder Professor seine eigene Ich-AG. Daß sich aus dem Mosaik der individuellen Wünsche ein Gesamtziel ergeben kann, ist zwar richtig, darf aber nicht zu der Illusion führen, so etwas wie eine Unternehmensidentifikation sei für Universitäten eine Selbstverständlichkeit.

Die psychologischen Gegebenheiten und die Bedingungen, welche die Leitungen von Unternehmen zu berücksichtigen haben und die an wissenschaftlichen Einrichtungen gelten, unterscheiden sich nicht unerheblich. Unternehmer oder Manager müssen auf Umsatz und Gewinn achten. Wissenschaftler sollen frei sein, Lehre und Forschung zu betreiben, wobei mit den ihnen anvertrauten Mitteln sparsam umzugehen ist.

Dies gilt es zu beachten, wenn über die Möglichkeiten und Grenzen eines Managements an Hochschulen gesprochen wird. Sonst gibt es die nächste Enttäuschung, wenn bessere Voraussetzungen geschaffen werden und doch nicht alles so läuft, wie es sich Spitzenmanager aus der Industrie vorstellen.

So richtig es ist, "mehr Ökonomie" in den Universitäten zu praktizieren - Wunder sind nicht zu erwarten. Und manch vollmundige Selbstdarstellung, wie sie vor allem von Exponenten  selbsternannter unternehmerischer Universitäten  verlautbart wird, kann sich schnell als Sprechblase erweisen.


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