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07.07.07 / "Was damals Recht war ..." / Nach der Antiwehrmachtsausstellung nun eine Ausstellung zur Wehrmachtsjustiz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-07 vom 07. Juli 2007

"Was damals Recht war ..."
Nach der Antiwehrmachtsausstellung nun eine Ausstellung zur Wehrmachtsjustiz
von Markus Schleusener

Luise Otten diente als Küchenleiterin bei einer Luftwaffeneinheit. Als sie sich im Juli 1944 während der Arbeit enttäuscht über das Scheitern des Attentats auf Hitler äußerte, wurde sie denunziert und verhaftet. Wenige Tage darauf mußte sie sich vor einem Luftwaffengericht in Bremen verantworten. Die Richter sahen den Tatbestand der "Wehrkraftzersetzung" erfüllt und verhängten die Todesstrafe. Ende September 1944 wandelte Hermann Göring als Oberbefehlshaber der Luftwaffe das Urteil in eine zehnjährige Zuchthausstrafe um. Nach Kriegsende wurde Luise Otten Mitte Mai 1945 aus der Haftanstalt Lübeck-Lauerhof entlassen. Zwischen 1947 und 1991 unternahm sie mehrere Versuche, eine angemessene Entschädigung zu erhalten.

Otten soll ein beispielhaftes "Opfer der Wehrmachtsjustiz" sein. Fälle wie der ihre werden in der Ausstellung "Was damals Recht war ..." gezeigt. Diese Wanderausstellung wurde am 21. Juni von Justizministerin Brigitte Zypries in Berlin-Mitte eröffnet und ist in der Johannes-Evangelist-Kirche, Auguststraße 90, zu sehen.

Der Titel der Ausstellung ist ein (halbes) Zitat von Hans Filbinger, der diesen Satz so beendete: "... kann heute nicht Unrecht sein." Filbinger war selbst Marinerichter und mußte deswegen sein Amt als Ministerpräsident von Baden-Württemberg aufgeben. Nach seinem Tod am 1. April flammte die Debatte über Recht und Unrecht der Wehrmachtsjustiz noch einmal auf.

Die Fakten: Die Wehrmachtsjustiz behandelte etwa 1,5 Millionen Fälle. In 30000 Fällen wurde die Todesstrafe verhängt, die in etwa 20000 bis 23000 Fällen vollstreckt wurde. Strafen unterhalb der Todesstrafe reichten von Straflager bis hin zum (gefährlichen) Dienst in Bewährungseinheiten.

Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem auf deutscher Seite in der Armee nur 48 Todesurteile vollstreckt wurden, war die vorherrschende Meinung, daß die laxe Haltung der Militärgerichtsbarkeit zur Niederlage Deutschlands beigetragen habe. Auch deswegen ging die Militärjustiz im Zweiten Weltkrieg viel härter vor, so wie der NS-Staat insgesamt härter mit vermeintlichen oder wirklichen Oppositionsgruppen und Regimegegnern umsprang.

Die Zahl der Wehrmachtsdeserteure war gering. Nur 0,1 Prozent aller Wehrmachtsangehörigen desertierten. Auch kam es nicht zu Aufständen wie zum Ende des Ersten Weltkrieges. Ob und wie weit die hohen Strafen eine Rolle gespielt haben mögen, ist unklar. Fest steht jedoch, daß die Wehrmacht eine sehr disziplinierte Streitmacht gewesen ist.

Der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld ist der Auffassung: "Das deutsche Heer war eine vorzügliche Kampforganisation. Im Hinblick auf Moral, Elan, Truppenzusammenhalt und Elastizität war ihm wahrscheinlich unter den Armeen des 20. Jahrhunderts keine ebenbürtig."

Die Ausstellung suggeriert, daß diese Disziplin teuer erkauft werden mußte. Zum Vergleich: Die Amerikaner vollstreckten während des Zweiten Weltkrieges gerade einmal 146 Todesurteile, die Franzosen 102 und die Engländer sogar nur 40. Die Deutschen dagegen - wie bereits geschildert - rund 20000.

Solche Zahlen präsentiert die Ausstellung in einer übersichtlichen Tabelle. Der gewünschte Effekt ist klar: Es soll der Eindruck vermittelt werden, daß die deutsche Militärjustiz besonders hart gewesen sei und gnadenlos gegen Regimegegner in ihren Reihen vorgegangen sei. Wenigstens wird nicht verschwiegen, daß die sowjetische Militärjustiz sogar geschätzte 150000 Todesurteile produziert hat. Plus dazugehörige Dunkelziffer, versteht sich.

Wer waren die Soldaten, gegen die von der Wehrmachtsjustiz die Todesurteile vollstreckt wurden? Primär Fahnenflüchtige. Die Ausstellung zeigt aber vor allem tragische Fälle wie den des U-Boot-Kommandanten Oskar Kusch, der 1944 hingerichtet wurde, weil er sich kritisch über Adolf Hitler geäußert und mangelnde Siegeszuversicht vermittelt habe. Kusch hielt den Krieg für verloren und wurde von seinen Kameraden denunziert. Die Militär-Richter wurden nach dem Krieg von der Nachkriegsjustiz freigesprochen, nachdem Kuschs Vater sie wegen Mordes angezeigt hatte.

Daneben wird an Hans Filbingers 1913 geborenen Altersgenossen Franz Schneider erinnert. Der damals Zwanzigjährige organisierte nach der Machtergreifung den Druck einer KP-Untergrundzeitung und kam dafür wenig später ins KZ. Er galt als zunächst "wehrunwürdig", wurde aber 1942 in eine Bewährungseinheit eingegliedert. Hier baute Schneider sofort einen Widerstandszirkel auf. 1943 kam seine Einheit nach Griechenland, wo er Kontakt zu Partisanen pflegte. Im Frühjahr 1944 rechneten Schneider und seine Kumpane mit einer Landung der Briten und planten die Überwältigung der Vorgesetzten, um die Stützpunkte kampflos an den Gegner übergeben zu können. Das ganze flog jedoch auf und Schneider wurde mit zwei Kameraden im Juni 1944 erschossen.

Zwei Fälle, zwei Urteile. Aber sind sie beide gleichermaßen Beweis dafür, daß die Wehrmachtsjustiz insgesamt verbrecherisch war, wie es die Initiatoren der Ausstellung vom "Denkmal für die ermordeten Juden Europas" beweisen wollen? Der Fall des kommunistischen Vaterlandsverräters ist ein Beleg dafür, wie ambivalent der gesamte Komplex Wehrmachtsjustiz ist. Immerhin hat Schneider für ein System gekämpft, das ein Vielfaches an Opfern produziert hat, was die Ausstellung mit ihrer "Tabelle" ja selbst beweist. Aus diesem Grund hat er Landesverrat begangen. Daher hat der Bundestag vor eine Rehabilitierung in besonders schweren Fällen die Einzellfallprüfung gestellt. Pauschal aufgehoben wurden 2002 vom Bundestag jedoch alle Urteile gegen Deserteure. Und das, obwohl Fahnenflucht von jeder Armee der Welt bestraft wird.

Die Ausstellung "Was damals Recht war ..." ist jedoch darauf ausgerichtet, nun auch Landesverräter grundsätzlich zu rehabilitieren. Dabei haben Initiatoren in der Justizministerin eine wichtige Verbündete, die sich bereits für die Fahnenflüchtigen einsetzt hat. Bei der Eröffnung der Ausstellung forderte sie eine Diskussion über die Frage, "ob man nicht auch die Verurteilungen wegen Kriegsverrats pauschal aufheben sollte. Diese Form der Rehabilitierung ist schließlich eine wichtige Geste." Gleichzeitig regte sie an, eine Bundeswehrkaserne nach einem der Opfer der Wehrmachtsjustiz zu benennen.

Akribisch wurden für die Ausstellung Details wie Fotos, Briefe und Urteile zusammengetragen. Trotzdem sind den Machern kleinere Fehler unterlaufen wie dieser, gleich an der ersten Tafel: Sie zeigt ein Gesicht und den dazugehörigen Namen "Kurt Hoppe 1922-2000". Im Begleittext heißt es aber: "Kurt Hoppe wurde 1919 in Haynau / Schlesien geboren."

Einen anderen Punkt müssen sich die Ausstellungsinitiatoren natürlich auch vorwerfen lassen: ihre selektive Wahrnehmung. Käme jemand anders auf die Idee, eine Ausstellung über alliierte Kriegsverbrechen zu zeigen, bei der die Untaten der Deutschen konsequent verschwiegen werden, dann käme er dafür mit Sicherheit wegen NS-Verharmlosung ins Gefängnis.

"Was damals Recht war ..." zeigt die Wehrmachtsjustiz herausgelöst aus jeglichem Kontext und ohne auf die barbarische Kriegsführung der Alliierten hinzuweisen. So wird im hinteren Teil der Ausstellung der juristische Aspekt der Wehrmachtsjustiz gewürdigt. Drei Schauwände sind gesäumt von insgesamt zehn Tafeln, auf denen die Trümmer der zerstörten Städte Dresden und Köln zu sehen sind. Hat die Wehrmachtsjustiz jetzt auch die Städte Dresden und Köln auf dem Gewissen? Natürlich nicht. Diese Städte wurden von alliierten Bombern in Schutt und Asche gelegt. Hunderttausende unschuldige Zivilisten kamen dabei ums Leben, und die Verantwortlichen wurden ebenfalls nie zur Rechenschaft gezogen. Kein Wort davon in der Ausstellung.

Statt dessen wird in bester DDR-Manier an jene früheren Mitglieder der Wehrmachtsjustiz erinnert, die später in der Bundesrepublik Karriere machten. Mit den Worten von Brigitte Zypries: "Kein einziger Wehrmachtsrichter wurde für seine Taten zur Rechenschaft gezogen. Statt dessen saßen sie in Justiz, Universitäten und Ministerien und arbeiteten erst an der Vertuschung und dann an der Rechtfertigung ihrer Taten."

Die Ausstellung ist dienstags bis freitags und sonntags von 12 bis 19 Uhr sowie freitags und sonnabends von 12 bis 21 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Foto: Noch bis zum 1. August dieses Jahres in Berlins St. Johannes-Evangelist-Kirche: Die Wanderausstellung zur Wehrmachtsjustiz soll anschließend auch in Köln, München und Freiburg gezeigt werden.


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