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14.07.07 / China gehen die Kinder aus / Peking verabschiedet sich von Ein-Kind-Politik, aber Chinesen steht nicht der Sinn nach Großfamilie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-07 vom 14. Juli 2007

China gehen die Kinder aus
Peking verabschiedet sich von Ein-Kind-Politik, aber Chinesen steht nicht der Sinn nach Großfamilie
von Albrecht Rothacher

Chinas Kinderpolitik gerät unter Druck. Mehr und mehr Städte und Provinzen verlangen Lockerungen. Den jüngsten Vorstoß unternahm die Provinzregierung von Kanton: Der Grund sind weniger Mitleid mit den Frauen, die Zwangsabtreibungen und Sterilisierungen über sich ergehen lassen mußten, als die sich abzeichnende massive Überalterung der chinesischen Bevölkerung und die sozialen Turbulenzen, die mit massenhaft verwöhnten Einzelkindern und einem unverheirateten Männerüberschuß einhergehen.

Offiziell feiert die Pekinger Führung ihre Ein-Kind-Politik noch als großen Erfolg. Ohne sie gäbe es 1,7 Milliarden Chinesen, 400 Millionen hungrige Münder mehr, deren Nichtexistenz dem Lande viele Umwelt- und Wohlstandsprobleme ersparten, wird argumentiert. Tatsächlich aber sind die sozialen Folgeprobleme des Kindermangels unübersehbar. Ganze Landstriche sind nur noch von Alten, Kranken und Behinderten bevölkert, denn aus den Dörfern haben sich die Jugend und das produktive Mittelalter als Wanderarbeiter in die Metropolen der Ostküste aufgemacht. Dort sehen sich die Behörden mit der Sorge um die unversorgten Heerscharen unversicherter Alter völlig überfordert. Drei Viertel aller Chinesen haben keine Rentenansprüche, 95 Prozent keine Krankenversicherung. Jeder muß in Angst vor Krankheit und Altersarmut leben. Bis zum Jahr 2050 wird sich die Zahl jener weitgehend unversorgter Alten von derzeit 145 Millionen auf 440 Millionen verdreifachen. Wo die Familien noch intakt sind, hat ein Nachgeborener für seine zwei Eltern- und womöglich noch für vier Großelternteile zu sorgen. An einen eigenen Hausstand ist dann kaum mehr zu denken.

Die staatliche Zwangsabtreibungspraxis hat dazu geführt, daß seit Jahren wesentlich mehr weibliche Embryos getötet werden als männliche. Damit besteht in China (ähnlich wie übrigens auch in Indien) ein Jungmännerüberschuß von 118 Knaben zu 100 Mädchen. Arme Bauern, städtische Unterschichtler können sich dann den Traum vom eigenen Familienglück abschminken. Soziale Delinquenz, wachsende Prostitution, Homosexualität, Massenkriminalität sind die von den Behörden befürchteten, nunmehr eintretenden Folgen. Ohnehin sind bei den von ihren Eltern verwöhnten chinesischen Einzelkindern schon jetzt Verhaltensauffälligkeiten wie Kontaktscheue und ein selbstsüchtiges Auftreten nach einschlägigen Untersuchungen als Massenphänomen unverkennbar.

Immer wieder kommt es auf dem Land und in den Minderheitengebieten von Tibet und Xinjiang zu Massenprotesten gegen die periodischen Razzien gegen Schwangere und die folgenden Zwangsabtreibungen, die selbst vor dem Kindesmord im Geburtsvorgang nicht haltmachen. Doch selbst wenn es zu Lockerungen kommen sollte, ist es unwahrscheinlich, daß die chinesischen Einzelkinder der Großstädte zur Praxis der fruchtbaren Großfamilien ihrer Vorväter zurückkehren würden. In der Millionenstadt Kanton etwa liegt die Geburtenrate bereits weit unter der behördlich gesetzten Quote.


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