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14.07.07 / Sommerchaos in Rauschen / Nicht nur der Bahnhof ist neu im beliebtesten Kur- und Badeort des Königsberger Gebietes

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-07 vom 14. Juli 2007

Sommerchaos in Rauschen
Nicht nur der Bahnhof ist neu im beliebtesten Kur- und Badeort des Königsberger Gebietes
von Jurij Tschernyschew

Schon seit vielen Jahren beginnt traditionell am ersten Wochenende im Juni die Sommersaison in Rauschen. Diesmal wurde die Eröffnung jedoch in die Woche verlegt, weil noch nicht alle vorbereitenden Arbeiten rechtzeitig erledigt worden waren. Diejenigen, die mit dem Vorortzug zur Feier gekommen waren, erwartete eine Überraschung. Das nicht sehr große Bahnhofsgelände war von einem hohen eisernen Zaun umgeben. Deshalb mußte sich die Besucher-Masse langsam durch das einzige Tor zwängen, um in die Stadt zu gelangen. Ein junger Mann rief seinen Freunden zu: "Seht, nun sind wir direkt im Affenkäfig gelandet." Seine Begleiter stimmten ihm zu und brachen in lautes Gelächter aus. Tatsächlich muß man sich, um zum Zug zu gelangen, durch ein (nicht richtig funktionierendes) Drehkreuz zwängen, was wenig Sinn macht, da Kontrolleure die Fahrkarten in den Zügen kontrollieren.

Erst kurz vor der Saisoneröffnungsfeier wurde der neue Bahnhof fertiggestellt. Das zweistöckige Bahnhofsgebäude der Station Svetlogorsk 2 ist anstelle des alten Bahnhofs gebaut worden. Baubeginn war im Juli 2006. Die obere Etage, in der sich ein Verkaufssaal mit festen Verkaufspavillons und ein Café sowie ein medizinischer Versorgungspunkt und ein Ruheraum für Bahnangestellte befinden, wurde durch einen Balkon mit einem kleinen Turm verschönert.

Noch sind die oberen Räume nicht ganz fertig, während der untere Bereich bereits vollständig eingerichtet ist. Im Kassenraum sind drei innerstädtische Schalter eingerichtet und einer für Fahrkarten für den Fernverkehr. Obwohl der neue Bahnhof größer ist als der bisherige, fehlt immer noch eine Gepäckaufbewahrung, so daß man größeres Gepäck mitschleppen muß.

Spurlos verschwunden ist das Mosaik mit Meeresmotiven des in Rauschen bekannten Bildhauers Nikolaj Frolow, das 30 Jahre lang das Gebäude des vorherigen Bahnhofs geschmückt hatte. Obwohl die Baufirmen angekündigt hatten, das Kunstwerk zu erhalten, verschwand es.

Diejenigen, die mit dem Bus nach Rauschen gekommen waren, erwartete ebenfalls eine Überraschung. Dort, wo bisher ein großer Parkplatz für zehn Busse gewesen war, befand sich nun eine umzäunte Baustelle. Und wohin war der Busparkplatz verlegt worden? Es gab keinen. Die Busfahrer mußten sich andere Stellen suchen, wo sie die Passagiere ein- und aussteigen lassen konnten.

Früher fand die Saisoneröffnungsfeier auf einem großen freien Feld statt, auf dem eine Bühne mit Sitzreihen für die Besucher aufgebaut war. In den vergangenen Jahren fand sie stets im Zentrum statt. Der Platz ist jedoch sehr klein, und in diesem Jahr wurden hier einige Cafés und eine Bühne aufgestellt, um die sich nur etwa 200 bis 300 Menschen scharen konnten, obwohl an diesem Tag mehrere zehntausend Menschen angereist waren. Das Festprogramm zur Saisoneröffnung war reichhaltig: Sportwettkämpfe, Theateraufführungen für jeden Geschmack, eine Oldtimer-Rallye, Auftritte von in ganz Rußland bekannten Künstlern und Künstlergruppen wie "Werasy", "Ljapis Trubetzkoj" und "Fabrika". Die Zuschauer hatten es allerdings nicht leicht, die Auftritte der Künstler zu sehen, da die Fans bereits alle Plätze der Cafés sowie die Dächer der nahegelegenen Häuser und sogar Bäume besetzt hatten.

Viele zogen es daher vor, sich nicht an dem Sturm auf das Zentrum zu beteiligen, sondern die Ruhe am Strand zu genießen. Ein besonderer Ort fürs Strandvergnügen waren die noch freien Plätze beim Fünf-Sterne-Hotel "Grand Palace", für die man 150 Rubel (knapp 4,30 Euro) bezahlen muß. Diejenigen, die nicht für einen Strandliegeplatz zahlen wollten, blieben an dem verbleibenden engen Streifen, oder es zog sie an einen vom Zentrum weiter entfernten Strandabschnitt.

Zur Feier in Rauschen war der Platz beim Militärsanatorium erneuert worden. Er gilt mit Recht als kulturelles Zentrum des Kurorts. Früher erklang hier bis zum Morgen Musik, welche die Erholungssuchenden in den nahegelegenen Häusern und Sanatorien um ihre Ruhe brachte. Jetzt stehen dort Bänke neben Blumenbeeten mit einer Wasserfontäne; es ist ruhig und gemütlich auf dem Platz geworden.

In der letzten Zeit sind in Rauschen übrigens auch einige gemütliche Caf´és entstanden. Die Preise sind allerdings so, als befände man sich auf der Champs Élyssee in Paris oder auf dem San-Marco-Platz in Venedig. Jedenfalls liegt der durchschnittliche Preis für ein Essen zu zweit bei etwa 200 Euro. Diese Preise scheinen jedoch nicht viele abzuschrecken, denn abends sind die Cafés im Stadtzentrum berstend voll.

Viele Besucher werden bemerkt haben, daß die Toiletten, die in einem kleinen deutschen Häuschen im Zentrum untergebracht waren, verschwunden sind. Sie befanden sich in der Nähe des bekannten Wasserturms, dem Wahrzeichen Rauschens, der bis vor dem Krieg noch im Betrieb war. Unerwartet wurde an der Stelle des Toilettenhäuschens eine Baustelle eingerichtet. Vermutlich soll hier ein modernes architektonisches Meisterwerk entstehen. Ob es im Zentrum von Rauschen dann Toiletten geben wird, ist fraglich.

In den vergangenen Jahren sind in Rauschen schicke Villen wie Pilze aus dem Boden geschossen, die durch zwei Meter hohe Zäune und Videoüberwachung gesichert sind. Häufig werden sie anstelle von Vorkriegshäusern aus Holz oder Ziegelstein gebaut, die von nicht unbedeutendem architektonischem Wert waren. Zur Zeit ist es mühsam, durch Rauschen hindurchzugehen, weil man überall auf Zaunabsperrungen stößt, hinter denen Autos manchmal bis auf die Promenade fahren. Zur Sowjetzeit war Rauschen nur Fußgängern zugänglich, die Durchfahrt war selbst für Autos hoher Beamter untersagt. Heute ist das Verbot zwar immer noch nicht aufgehoben, jedoch ist die Fußgängerzone im Zentrum von Last- wie Personenkraftwagen sowie sogar von Quads überfüllt.

Das Fest der Saisoneröffnung wurde am Abend mit einem schönen Feuerwerk beendet, nach dessen Ende sich die Straßen des beliebtesten Kurorts der Region mit Horden Jugendlicher füllten, die mit Bier- und Wodkaflaschen umherzogen. Wahrscheinlich waren sie am fröhlichsten von allen an diesem Tag.

Foto: Farbenfrohes Spektakel: Den Besuchern der feierlichen Eröffnung der Spommersaison wurde viel geboten.


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