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14.07.07 / Unterwegs auf Himmelswegen / Neue Erlebnisroute in Sachsen-Anhalt um die Himmelsscheibe Nebra

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-07 vom 14. Juli 2007

Unterwegs auf Himmelswegen
Neue Erlebnisroute in Sachsen-Anhalt um die Himmelsscheibe Nebra
von Cornelia Höhling

Es scheint, als habe der Tourismus den Himmel entdeckt. Nicht genug, daß neben Astronauten schwerreiche Abenteurer ins All vordringen. Seit neuestem kann jeder Urlauber auf Himmelswegen wandeln. Dabei bedarf es nicht einmal einer Himmelsleiter, wie das Kunstwerk des Magdeburger Bildhauers Heinrich Apel, das die Pforte des Domschatzgewölbes zu Naumburg schmückt, glauben machen könnte. Die doppelchörige Anlage des Naumburger Doms mit den lebensgroßen Stifterfiguren Uta und Ekkehard gilt seit Jahren als die meist besuchte Attraktion an der "Straße der Romanik". Nach dem spektakulären Fund der 3600 Jahre alten Himmelsscheibe von Nebra entstand im südlichen Sachsen-Anhalt eine neue touristische Erlebnisroute.

Die "Himmelswege", die durch das liebliche Saale-Unstrut-Tal führen, verbinden vier Stationen miteinander. Nicht nur Archäologieliebhaber kommen hier auf ihre Kosten, sondern auch Kulturtouristen und Aktivurlauber wie Radler, Wanderer und Kanufahrer, für die der Burgenlandkreis von jeher ein gefragtes Reiseziel ist.

Ganz gleich, ob man mit Auto, Drahtesel, Kanu oder auf Schusters Rappen unterwegs ist - zunächst geht es nach Goseck. Auf halbem Wege zwischen Naumburg und Weißenfels fällt auf freiem Feld eine etwa 2,60 Meter hohe Palisadenanlage von rund 75 Meter Durchmesser ins Auge: das älteste bekannte Sonnenobservatorium Europas, vielleicht sogar der Welt. Die bereits vor 7000 Jahren, also über 2000 Jahre vor dem südenglischen Stonehenge errichtete und in Anlehnung an dieses auch "Woodhenge" genannte steinzeitliche Kultstätte half den Bauern, die Zeit der Aussaat und Ernte zu bestimmen.

In Mitteleuropa gäbe es etwa 200 Anlagen dieser Art, sagt Archäologe Alfred Reichenberger, aber Goseck sei die einzige, die authentisch mit 1675 Eichenpfählen rekonstruiert wurde und heute ein beliebter Platz für Volksfeste ist. Drei Öffnungen im doppelten Palisadenring markieren zur Sommer- und Wintersonnenwende den Sonnenauf- beziehungsweise -untergang. Eine phänomenale Akustik im Inneren des Kreises lasse vermuten, daß hier auch Recht gesprochen worden sei, erklärt er. Nur 15 Minuten Fußweg entfernt werden im benachbarten Schloß Goseck, in dem auch Unterkünfte zur Verfügung stehen, Forschungsergebnisse vermittelt.

Der Besuch bei der "Dolmengöttin" ist ein wenig enttäuschend, wäre da nicht ihr beeindruckendes Alter. Bei Langeneichstädt gleich neben einem mittelalterlichen Wachturm auf einer natürlichen Erhebung trifft man auf die 1,76 Meter lange Stele. Die Menhirstatue gehört zu einem 4500 Jahre alten, jungsteinzeitlichen Großsteingrab. Während die Eichstädter Warte im 15. Jahrhundert mit dem nahe liegenden Galgen an bedeutenden Grenzwegen von Bistümern zur Beobachtung und Signalgebung diente, ging es bei der Dolmengöttin ganz klar um die Fruchtbarkeit für Mensch, Tier und Feldfrüchte.

Im Burgenlandkreis gab es schon früher besonders fruchtbare Böden und große Mengen an Wild. Bereits in vorchristlicher Zeit muß es der "Himmel auf Erden", das Paradies, gewesen sein. Den Beweis für diese Bedeutung als Kernland deutscher und europäischer Geschichte erbrachte nicht zuletzt der Fund der ältesten bisher bekannten Himmelsdarstellung rund 23 Kilometer von Goseck entfernt. Die 32 Zentimeter große und 2,3 Kilo schwere Bronzescheibe mit Sonne, Mond und genau 32 Sternen - 25 Sterne des Nachthimmels und die sieben Plejadensterne - war in einer Zeit ohne Schrift eine möglicherweise verschlüsselte Anleitung zur Ordnung der Zeit und der Jahreszeiten für den Ackerbau.

Ein 30 Meter hoher Aussichtsturm in Form einer überdimensionalen Sonnenuhr markiert die Fundstelle auf dem Mittelberg bei Nebra inmitten eines Naturparks und Landschaftsschutzgebietes. Durch einen Shuttleservice ist er mit dem Besucherzentrum "Arche Nebra" im Ortsteil Wangen verbunden, die malerisch über dem Unstruttal schwebt.

Die multimediale Präsentation der Ausstellung mit Planetarium und Kaspertheater um den Raubfund der Himmelsscheibe informiert spielerisch und macht den Besuch zum Erlebnis für die ganze Familie. Sogar der "Geist" der benachbarten Kaiserpfalz Memleben tritt in Erscheinung und gibt manch wichtige Erklärung.

Komplett werden die "Himmelswege" erst, wenn am 23. Mai 2008 in Halle / Saale das Landesmuseum für Vorgeschichte wieder öffnet und die Originalhimmelsscheibe in der Dauerausstellung zeigt. Aber schon jetzt lohnt sich der Blick in die Sterne, verbindet er uns doch mit den Menschen der Bronzezeit.

Und wer immer noch nicht im siebten Himmel schwebt, dem kann auf der Saale-Unstrut-Weinstraße, dem 664 Hektar großen nördlichsten Qualitätsweinanbaugebiet, mit der Verkostung so manchen guten Tropfens geholfen werden.

Foto: Altertum: Darstellung der Himmelsscheibe von Nebra


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