© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-07 vom 21. Juli 2007

Abenteuerlust und -frust
Zwei Halbwüchsige Mitte der 50er Jahre in Italien auf Frauenfang

"Eine Reise ans Meer" erzählt die Geschichte von zwei jungen Männern, die Mitte der 50er Jahre dem Kleinstadtmief der Stadt Kürren entfliehen, um im VW-Standard ihre turbulente Reise nach Italien anzutreten.

Die Sehnsucht nach temperamentvollen, dunkelhaarigen Italienerinnen treibt Michael und Eugen gen Süden ans Meer.

"Ich dachte über das Leben nach, daß Eugen und ich führten. ,Jeder Weg, jede Straße hat irgendwo ein Ziel, jeder Fluß strebt dem Meer zu und beendet dort sein Spiel', hieß es in einem Schlager, den ich aus einer Musikbox herausholte, wenn wir zwischen Samstagnacht und Sonntagmorgen irgendwann im ,Café Wien' landeten."

Doch schon vor der geplanten Italien-Reise kommt es zu einigen Zwischenfällen. So auch an einem Abend in der ungarischen Kneipe "Pußta": "Sie drehte galant ihr Glas zwischen den Fingern und sah dem Spiel ihrer Hände zu.

Als sie schließlich zu Eugen aufblickte, sah es aus, als würde sie gegen schwere Lider ankämpfen: Schläfrig, sündig, ein niedergehaltenes Feuer, das im nächsten Moment schon auf Eugen übergreifen konnte ... Die Ungarin und Eugen kippten den Schnaps in einem Zug. Dabei ließ sie Eugen nicht aus den Augen ... Irgendwann saßen wir zu dritt im Standard. Ich am Steuer. Daß unsere Fahrt kein Ziel hatte, war für Eugen und mich nichts Neues. Er hatte es sich auf der Rücksitzbank bequem gemacht. Sie unterhielten sich leise miteinander. Henradi sprach kaum Deutsch."

Da dem stotternden Eugen die nachfolgenden Ereignisse der Nacht im wahrsten Sinne des Wortes auf den Magen schlagen, beschließt Michael, seinen sich auf dem Weg der Besserung befindenden Freund auf einem Campingplatz, unter der Obhut eines freundlichen Ehepaares, zurückzulassen und die Reise ans Meer alleine anzutreten.

Doch schon an der Grenze, im Eiscafé "Gelati Madonna" findet er, wonach er sich die ganze Zeit gesehnt hat.

"Im Inneren der Eisdiele erkannte ich unter der ,Madonna' eine junge Frau. Die Straße war so schmal, daß ich das Gesicht der Frau gut erkennen konnte. Es war so nah am Fenster, daß die Wange das Glas berührte. Nur der Oberkörper der Frau war zu sehen ... Den Mund hatte sie leicht geöffnet. Zwischen den Lippen schimmerten weiß die Zähne. Dieses unbewegte Gesicht unter den farbigen Glasbuchstaben schien nichts und niemanden wahrzunehmen. Es gehörte nicht der Menschenwelt an, sondern einer Marmorwelt."

Fasziniert vom Anblick dieser Frau steht für Michael fest, er muß diese Frau kennenlernen - koste es, was es wolle.

Eine Eis-Odyssee und ein paar Magenkrämpfe später rückt Michael seinem Ziel dann aus purem Zufall immer näher. Doch wird es tatsächlich alles so verlaufen, wie er es sich immer in seiner jugendlich-pubertären Vorstellung erträumt hat?

Ein unterhaltsames "Road-Movie" zweier halberwachsener Männer, die auf ihrer "Reise ans Meer" mit dem Umstand konfrontiert werden, daß sie auf dem Weg zum "Mannsein" noch so einige Hürden zu nehmen haben. A. Ney

Benno Hurt: "Eine Reise ans Meer", dtv premium, München 2007, kartoniert, 178 Seiten, 14 Euro, Best.-Nr. 6255