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21.07.07 / Endlich ein Ort des Gedenkens / Heimattreffen: Kreisgemeinschaft weihte "Mohrunger Stuben" und Lapidarium ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-07 vom 21. Juli 2007

Endlich ein Ort des Gedenkens
Heimattreffen: Kreisgemeinschaft weihte "Mohrunger Stuben" und Lapidarium ein

Zu ihrer großen Freude haben die Mitglieder der Kreisgemeinschaft Mohrungen e.V. das alljährliche Heimattreffen einschließlich der Kreistagssitzung diesmal in ihrer Heimatstadt Mohrungen durchführen können. Nicht alle Teilnehmer aus der Bundesrepublik Deutschland fanden Platz im angekündigten Hotel "Morag" auf dem "Kümmelberg", aber in der Stadt gab es noch sehr gute Ausweichmöglichkeiten - zwei neu eröffnete Hotels.

Am ersten Tag wurden um 10 Uhr Stadtrundfahrten und Führungen angeboten unter der Leitung von Herbert Preuß (Henryk Pruszkowski), dem Vertrauensmann der Kreisgemeinschaft in Mohrungen. Viele Landsleute nahmen daran teil. Das Schmuckstück Mohrungens ist das Rathaus. Inzwischen ist der originale Bau durch Sanierung und Umbauten wieder entstanden und wirkt fast wie ein Neubau. Hier befinden sich im ersten Stock die "Mohrunger Stuben". Es sind zwei Räume. Insgesamt belegt die Kreisgemeinschaft mit 52 Quadratmetern rund zehn Prozent der Nutzfläche im Rathaus. Der Kreisvertreter Günter Dombrowski eröffnete vor zahlreichen Mohrungern und Vertretern der Nachfolgegeneration die "Mohrunger Stuben" mit den Worten: "Diese Einrichtung wurde zur Erhaltung unseres früheren Heimatgutes und Bewahrung des Deutschtums bis 1945 im Kreis Mohrungen, im damaligen Ostpreußen, auf Beschluß unseres Kreistages in den Jahren 2005/6 erschaffen. Dies war möglich dank der Spendengelder derer, die die Heimat 1945 unter ungewöhnlichen Bedingungen verlassen mußten." Dombrowski dankte Hartmut Krause und den anderen Organisatoren. Zum Schluß wünschte der Kreisvertreter der Heimatstube ein ehernes und ehrenhaftes Bestehen.

Der "Kümmelberg" - bis zum Zweiten Weltkrieg eine Sportstätte mit Jugendherberge, heute eine Sportanlage mit dem Hotel "Morag" - war ab 15 Uhr Austragungsort eines Fußballtuniers von zehn- bis zwölfjährigen Schülern. Aus fünf Schulen nahmen sieben Mannschaften daran teil. Jungen gegen Jungen, Mädchen gegen Mädchen. Die Jungen waren im Wettkampf robuster, die Mädchen graziler, der Tritt gegen den Ball aber gleich kräftig. Der Jugendwart der Kreisgemeinschaft Erhard Wiedwald ehrte zum Schluß die Sieger.

Anschließend stand der Bus bereit, um die Teilnehmer des Heimattreffens nach Liebstadt zur Einweihung des Lapidariums zu fahren. Nach einem Rundgang durch die hügelige liebliche Stadt mit ihren zwei großen Kirchen sah die Gruppe, was Holger Feddrich mit viel Ideen, Organisation und Arbeit geschaffen hatte: eine würdige Gedenkstätte für die in Stadt und Kreis umgekommenen Menschen im schrecklichen Jahr 1945.

Die Kreisgemeinschaft Mohrungen hatte 2005 die Einrichtung beschlossen und aus Spendengeldern finanziert. Auf dem "oberländischen" Berg ist eine dreiteilige Gedenktafel mit deutscher und polnischer Inschrift, zusammengehalten vom Mittelteil, in dem die Umrisse eines Kreuzes herausgeschnitten wurden, daß das Tageslicht wie tröstend hindurch scheint, aufgestellt. Inmitten der Gedenkstätte sind vier Quader so angeordnet, daß sie ein Kreuz bilden. Rund 210 Namen sind eingraviert. In den vier Nischen wurden Blumen, Kerzen und ein Gebinde der Kreisgemeinschaft niedergelegt. Ein Pflasterweg weist den Weg auf dem Lapidarium, das unter alten Bäumen einen würdigen Platz gefunden hat.

Vor rund 90 Teilnehmern eröffnete Mohrungens Kreisvertreter die Einweihungsfeier, an der auch zwei Vertreter der polnischen Stadtverwaltung von Liebstadt und ein Dolmetscher teilnahmen. Dombrowski war damals selbst Zeitzeuge gewesen und berichtete aus dieser schrecklichen Zeit: "Insbesondere im Jahre 1945 wurden in den Kriegswirren und Nachkriegszeiten Verstorbene und Umgekommene hier bestattet. Unter Begleitung unseres Herrn Pfarrer Donde erfolgten die Beerdigungen und Dokumentierungen der jeweiligen Person in einfachster Form. Wir sehen heute die Namen auf der Tafel." Je ein katholischer und evangelischer Geistlicher weihten und segneten die Stätte und damit die deutschen Toten. Den Abschluß bildete ein Bericht Feddrichs über seine Arbeit am und für das Lapidarium.

Am zweiten Tag wartete schon am Vormittag die Herder-Gruppe auf die Teilnehmer des Heimattreffens. Offiziell heißt sie "Verein der Deutschen Bevölkerung Herder". Landsleute aus der Bundesrepublik, die das Angebot, die einzelnen Heimatorte zu besuchen, nicht angenommen hatten, wurden von Angehörigen der Herder-Gruppe mit Kaffee und selbstgebackenem Kuchen bewirtet.

Um 13 Uhr sollte man aber doch im historischen Rathaus sein. Dieses Mal nahm man im Saal Platz. Er liegt im zweiten Stock und bietet einen Blick über die Stadt bis zu Wald und See, der das Herz froh macht. Dr. Christine Manthey und ihr Mann Prof. Dr. Fred Manthey, die seit 2000 für den BdV Thüringen / Erfurt tätig sind, präsentierten ein außergewöhnliches Buch mit einer ebenso außergewöhnlichen Entstehung. Das Ehepaar führt seit mehreren Jahren Seminare für polnische Deutschlehrer in Pr. Holland durch. Natürlich kamen sie mit Mohrungen und Herder in Berührung. Die Idee war geboren: Ein Begleitbuch für Kinder / Jugendliche und interessierte Erwachsene. Das Buch hat den Titel "Johann Gottfried Herder - Wir auf dem Weg zu Dir - Von Mohrungen bis Weimar - Wahres und Mögliches". Neben Leben und Wirken Herders sind hier auch Auswirkungen seiner Person bis in die heutige Zeit dargestellt. Wenn man in diesem Buch liest, bekommt man garantiert "Lust auf Herder".

Um 15 Uhr folgte dann das Heimattreffen auf dem "Kümmelberg", auf dem die Polen das Hotel "Morag" gebaut haben. Ein Büchertisch mit Angeboten der Kreisgemeinschaft, ein weiterer mit wunderschönen Dingen der Herder-Gruppe und eine Vitrine mit Bernsteinschmuck der Polen waren starke Anziehungspunkte. Ein Kaffee-Bufett war aufgebaut. Zu dieser Zeit bahnte sich etwas Unvorhergesehenes an: Zwar war mit einer großen Teilnehmerzahl zu einem späteren Zeitpunkt gerechnet worden, doch es kamen nun immer mehr polnische Gäste, und Abendessen gab es auch noch. Mit großer und gelassener Umsicht der deutschen Organisatoren und dem polnischen Personal konnte die Bewirtung aller Gäste zufriedenstellend bei vergnüglichem Plaudern bewältigt werden. Zum Schluß blieb sogar noch etwas übrig.

Um 19 Uhr begann die Feierstunde. Der Kreisvertreter eröffnete sie mit herzlichen Worten und begrüßte den stellvertretenden Bürgermeister von Mohrungen, Andrzej Kikola. Aus Alt Christburg war Ludwik Butkiawicz und aus Liebstadt Bürgermeister Zalewa gekommen. Natürlich waren auch die Leiterin der Herder-Gruppe, Urzula Manka, mit vielen ihrer Vereinsmitglieder, die Leiterin der Johanniterstation, Ewa Filipowicz und der Verbindungsmann für die "Mohrunger Stuben", Herbert Preuß (Henryk Pruszkowski) sowie Osekowski als Übersetzer und ein hiesiger Pfarrer gekommen. Der Kreisvertreter hob dieses so bedeutsame Treffen in der angestammten Heimat hervor. Er bedankte sich bei den polnischen Behörden, was mit großem Beifall bedacht wurde. Grußworte sprachen der stellvertretende Bürgermeister von Mohrungen und der Bürgermeister von Altchristburg, letzterer in Deutsch. In Vertretung von Friedel Ehlert trug Elisabeth Krahn das Gedicht "Heimkehr" vor. Anschließend hielt sie die Totenehrung. Aus dem Römerbrief las ein Pater: "Vergeltet niemand Böses mit Bösem" und hielt darüber eine Kurzandacht. Manthey hielt die Festrede. Er hob die Bedeutung Herders als Verbindung zwischen den Bewohnern Mohrungen vor und nach dem Zweiten Weltkrieg hervor und erinnerte an die Gefühle Herders, der schon mit 18 Jahren das Elternhaus verließ und niemals wieder seine Heimatstadt sah. Die Schlußworte sprach der Kreisvertreter. Dombrowski bedankte sich bei Manthey für die eindrucksvolle Festrede und hob das besondere an der Veranstaltung mit den Worten hervor: "Dieses Mal sind wir angereist!" Das Ostpreußenlied bildete einen würdiger Abschluß des offiziellen Teils.

Für den gemütlichen Teil hatte die Vorsitzende der Herder-Ggruppe eine Überraschung vorbereitet. Der 14jährige Piotr Kaczowka und die 15jährige Paulina Ruchaj begeisterten mit Standart- und lateinamerikanischen Tänzen. Staunend bewunderte das Publikum die Professionalität der beiden. Da in Ostpreußen schon hochsommerliche Temperaturen herrschten, wurde der weitere Abend zufrieden und glücklich im Freien oder auf einer überdachten Terrasse verbracht.

Am dritten Tag kamen Kreisausschuß und Kreistag zusammen. Während für die Landsleute eine Fahrt nach Danzig angeboten wurde, traf sich erst der Kreisausschuß und dann mittags der Kreistag im Rathaussaal. Ein Blick aus den historischen Fenstern über die Stadt hinaus machte dabei manchen der deutschen Funktionsträger die Ungewöhnlichkeit ihres Tuns bewußt. 62 Jahre waren vergangen, seit die deutschen Mohrunger an diesem Ort zuletzt getagt hatten. Dazwischen die Unmöglichkeit gepaart mit Hoffnungslosigkeit. Jetzt genossen sie die Realität und Normalität. Sie saßen, als ob nie etwas passiert wäre, im Mohrunger Rathaussaal und arbeiteten anstehende Aufgaben ab, stimmten Anträge ab und besprachen noch viele andere Dinge, die eine Kreisgemeinschaft mit sich bringt.

Um 16 Uhr beendete der Kreisvertreter die Sitzung, denn in Zöpel war ein Abschiedsabend mit Grillen vorbereitet. Das alte Gutshaus inmitten eines Parks mit ebenso altem Baumbestand ist vielen Mohrungern lange bekannt, wurde doch von den Busreisenden in anderen Jahren in dieser Oase gern Quartier genommen. Auf dem Rasenteil und im Grillhaus waren Tische und Bänke aufgestellt. Dombrowski konnte aber ohne Probleme per Mikrofon die Mitglieder-Versammlung abhalten. Er wies auf die historische Begebenheit hin, daß die vertriebenen Möhrunger, 62 Jahre nach dem unfreiwilligen und schmerzhaften Weggang hier in ihrer Heimat tagen konnten. Er sagte den Polen und ihren Behörden Dank und gab im Namen aller seinem Wunsche nach einem gutnachbarlichen Neben- und Miteinander Ausdruck. Gute nachbarliche Akzente sind von beiden Seiten, das heißt vom Stadtparlament mit dem Bürgermeister Sobierajski an der Spitze, und der Kreisgemeinschaft Mohrungen gesetzt. Dombrowski berichtete von den Projekten der Kreisgemeinschaft und daß diese natürlich mit dem Bürgermeister der Stadt Mohrungen vertraglich geregelt worden sind. Er bedankte sich bei den Mohrungern für die Spenden; denn ohne sie hätte es kein Lapidarium und keine Mohrunger Stube gegeben. Die Arbeit mit den Jugendlichen liegt der Kreisgemeinschaft sehr am Herzen. Jugendwart Wiedwald setzt sich sehr dafür ein. Großen Anklang hat das Postkartenalbum gefunden, das Gisela Harder und Dr. Ernst Vogelsang zusammengestellt haben. Der Kreisvertreter dankte allen, die an den Vorbereitungen des Treffens mitgewirkt hatten und schloß damit die Versammlung.

Das langjährige Kreistagsmitglied Gerhard Janzen hatte sich etwas Besonderes außerhalb des offiziellen Programms einfallen lassen. Nach einem Rückblick auf sein Leben und seine Liebe zur Heimat wurden zwei Fahnen gehißt. Eine war die Ostpreußenflagge, die andere Europas Sternenbanner. Es war ein feierlicher Moment.

Bevor die Teilnehmer des Heimattreffens wieder die Heimreise antreten mußten, gedachten sie am Grab der Krankenschwestern auf dem Alten / Kommunalen Friedhof in Mohrungen ihres Schicksals und legten ein Blumengebinde nieder.

Rückblickend läßt sich feststellen, daß es eine historische Reise voller abwechslungsreicher Inhalte war. Herder bleibt für die polnischen und die deutschen Mohrunger die Leitfigur. Seine Arbeiten sind auch nach über 200 Jahren hochaktuell. Man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Etwas sehr Schönes fiel auf: Ob Mohrungen, Liebstadt , Stettin - überall wo die man ging, war es blitzsauber. Hauptsächlich die Jugendlichen waren von einer fröhlichen Höflichkeit. Man fühlte sich in der Heimat wohl. E. K. / G. D.

Foto: Einer der Höhepunkte im Rahmen des Heimattreffens: Einweihung des Lapidariums in Liebstadt


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